Interview mit Erik Molnar von Hyperion

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Die schwedische Extreme-Metal-Formation HYPERION ließ im vergangenen Jahr mit „Seraphical Euphony“ ein rundum gelungenes Debüt von der Leine. Doch lässt sich der Sound nun eher dem Black- oder dem Melodic Death Metal zuordnen? Weder noch, aber von beidem etwas, findet Gitarrist Erik Molnar. Was er ansonsten über Metal aus seinem Heimatland, die Musik und die Texte des Albums, oder über Eishockey und schwedisches Essen denkt, das und mehr erfahrt ihr hier…

Der Begriff „HYPERION“ hat recht viele unterschiedliche Bedeutungen – auf welche davon habt ihr euch bezogen, als ihr ihn zum Bandnamen erkoren habt?
Hallo und vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, HYPERION zu interviewen. Das wissen wir sehr zu schätzen. Der Bandname umfasst in der Tat einige verschiedene Bedeutungen in vielen unterschiedlichen Kontexten, doch ursprünglich kommt er aus der griechischen Mythologie und das ist auch, wo wir ihn her haben. „Hyperion“ war der Sonnentitan, bevor die olympischen Götter zu Macht gelangten. Der Name repräsentiert unsere Musik sehr gut im Hinblick auf ihre Epik und ihre mysteriöse Atmosphäre. Zudem handeln einige unserer Texte ja von der griechischen Mythologie, insofern passt das perfekt zusammen.

Auf eurer Facebook-Seite beschreibt ihr euren Sound als Melodic Death und Melodic Black Metal. Zu welchem dieser Genres fühlst du dich persönlich mehr zugehörig?

Ich ganz persönlich würde unsere Musik mit keinem von beiden titulieren. Nicht alle von uns in der Band sind sich in diesem Punkt einig, aber ich würde unsere Musik einfach „Melodic Extreme Metal“ nennen. Wir sind sicher keine Black-Metal-Band, da unsere Lyrics weder satanisch sind noch sonstwie mit Konzepten der Teufelsanbetung oder wie auch immer zu tun haben. Gleichsam beschränken wir uns nicht darauf, nur Elemente aus dem Death-Metal-Genre zu verwenden, es wäre also auch etwas engstirnig, uns als Death Metal zu bezeichnen. Unsere Musik ist schon viel mehr vom Black als vom Death Metal inspiriert, aber wie gesagt sehe ich uns zu keiner der beiden Kategorien zugehörig.

Bezogen auf euer Debüt-Album, auf das wir noch zu sprechen kommen, finde ich jedenfalls, dass die schwarzmetallischen Aspekte deutlicher herauszuhören sind. Gibt es denn konkrete Black-Metal-Bands, die deines Erachtens nach einen speziellen Einfluss auf das Album hatten?
Wie schon gesagt und erläutert, eine Black-Metal-Band ist HYPERION nicht, aber ja, ich stimme dir zu. Es gibt unzählige Gruppen aus der Spielart und solche, die sich nach dem Genre anhören, die uns inspiriert haben, aber ein paar davon wären: Emperor, Dissection, Marduk, Funeral Mist, Dawn und Ulver. Musikalisch gesehen denke ich, dass wir mehr dem Black-Metal-Sound ähneln, wobei man auch pure Death-Metal-Elemente in unserer Musik hören kann.


Du hast ja gerade Dissection erwähnt und mir fällt auf, dass euer Sound mit ihnen oft verglichen wird. Wie beurteilst du das?
Das ist kein seltsamer Vergleich. Die sind immerhin einer unserer Haupteinflüsse. Ich möchte aber dazu sagen, dass ich uns, obgleich wir Einflüsse von einer Vielzahl anderer Bands und auch musikalischer Richtungen in unsere Musik einbauen, in keiner Weise als Copy-Cat-Band sehe. Alles in allem stört mich dieser Vergleich aber überhaupt nicht. Es gibt schlechtere Bands, mit denen man verglichen werden kann, und davon abgesehen können die Leute sagen, was sie wollen. Es wird in keiner Form weder unsere musikalische Richtung noch das, was wir tun, beeinflussen.

Um noch etwas auf den Melodic-Death-Metal einzugehen, ich denke, dass er in eurem Heimatland Schweden einen sehr hohen Status genießt, angesichts der populären Bands aus dieser Richtung, die aus dem Land kommen. Wie denkst du über die schwedische Melodic-Death-Szene und über schwedischen Metal im Allgemeinen?
Die schwedische Melodic-Death-Metal-Szene ist das, was HYPERION in seinen Kinderschuhen geformt hat und es ist auch heute noch ein vorherrschender Einfluss. Meiner Meinung nach gehören Klassiker-Alben dieses Genres, die in den 90ern veröffentlicht worden sind, zu den besten musikalischen Werken aller Zeiten. Wir Schweden verfügen über ein gewaltiges musikalisches Erbe, und vor dieser Tatsache ziehen wir den Kopf nicht ein. Die meisten von uns in der Band respektieren die klassischen Bands der 90er sehr und das kann man in unserer Musik deutlich hören. Aber auch andere schwedische Gruppen als die, die Melodic Death Metal spielen, zum Beispiel Malign, Dissection, Ofermod, Funeral Mist, Marduk, Dawn, Vintersorg, Falconer, Mithotyn und noch einige 100 mehr sind überaus respektable Bands, die zu hören ich über die Jahre hinweg sicher schon unzählbar viele Stunden verbracht habe. Unnötig zu erwähnen, dass auch der Respekt vor vielen unserer schwedischen Landsleute in der Tat sehr groß ist.

Noch eine Schweden-bezogene Frage, die allerdings nichts mit Musik zu tun hat: Ich habe schon einige Male gehört, dass in Bezug auf Eishockey Schweden und Finnland erbitterte Rivalen seien. Bist du Eishockey-Fan? Und falls ja, was sagst du zu diesem Verhältnis?

Meiner Ansicht nach gehört Sport zu den am meisten uninteressanten Themen. Ich weiß den Prozess des Trainings und der Sorge um die Gesundheit zu schätzen, aber einen Ball, einen Puck oder was auch immer zu jagen und dann eine andere Person anzuschreien, weil sie nicht das gleiche Team bejubelt wie du, das ist reine Zurückgebliebenheit, wenn du mich fragst. Zwei von uns in der Band sind finnischer Abstammung, eigentlich vier, wenn man Finnland-Schweden dazuzählt, die Schwedisch sprechende Minderheit, deren Zugehörigkeit hinsichtlich Sport variieren könnte. Und wie das mit allen Nachbarländern so ist, Vorurteile sind ziemlich verbreitet auf beiden Seiten. Man muss auch die Tatsache berücksichtigen, dass Finnland mehrere hundert Jahre lang unter schwedischer Herrschaft stand, was natürlich seine Spuren bei der finnischen Bevölkerung hinterlassen hat. In Bezug auf die Hockey-Beziehung aber musst du jemanden fragen, der dieser Art von Beschäftigung mehr frönt. Harry (Harry Lauraéus, Vokalist, Anm. d. Red.) mag das gerne, glaube ich.

Dann widmen wir uns mit der Musik wieder eher deinem Metier und kommen auf euer Debüt-Album „Seraphical Euphony“ zu sprechen. Ich stelle mir vor, dass man, wenn man am Beginn des Entstehungsprozesses eines Albums ist, eine gewisse Vision davon hat, wie es sich am Ende anhören soll. Wenn du die Platte also mit deinen Erwartungshaltungen vergleichst, erfüllt sie diese und klingt sie so, wie du es dir gewünscht hast?
Ich denke, dass wir ziemlich klar das erreicht haben, was wir uns mit dem Album vorgenommen haben. Ich war zunächst besorgt, dass die Klangqualität die epische Atmosphäre nicht widerspiegeln und unserem Material nicht gerecht werden würde, aber unter der Handwerkskunst von Sverker Widgren in den Wing Studios und unter der Führung unserer Vision übertrifft die Qualität des Sounds unsere ursprünglichen erwartungen um das Hundertfache. Es gibt ein paar Kleinigkeiten hie und da, die besser hätten sein können, natürlich, aber alles in allem sind wir mit dem Endergebnis sehr glücklich.

Wie darf man sich den Songwriting-Prozess vorstellen? Habt ihr die Bestandteile, die zu schreiben sind, auf die gesamte Band verteilt oder habt ihr ein paar Mitglieder, die für das gesamte Songwriting zuständig sind?
Der Songwriting-Prozess kan am besten als chaotisch, gründlich und unvoreingenommen beschrieben werden. Einige der Bandmitglieder komponieren deutlich mehr Musik als andere, aber jeder ist willkommen, mit seinen Einfällen einen Beitrag zu leisten, so lange das Endergebnis gut genug ist, um als HYPERION-Material durchzugehen. Und wir arbeiten da ohnehin sehr stark als Band zusammen. Die Erfahrung, Musik zu erschaffen, teilen die meisten Mitglieder. Normalerweise komponieren wir reichliche Mengen an Material, spielen mit den Ideen der anderen in unserem Dropbox-Ordner herum und am Ende verwenden wir einfach die Ideen, die am besten sind. Manchmal treffen Mikael (Mikael Malm, Gitarrist, Anm. d. Red.) und ich uns und arrangieren und komponieren zusammen im selben Raum, aber oftmals komponieren wir in unserer jeweils eigenen Umgebung. Der Prozess ist normalerweise ein langer und oftmals auch beschwerlicher, aber das gehört dazu, die Musik wertig zu machen.

Einige Songs, der Titeltrack zum Beispiel, beinhalten auch symphonische Elemente. Wie entstanden diese Einflüsse? Habt ihr mit einem echten Orchester und Chören zusammengearbeitet?
Die epische Grundausrichtung der Songs verlangt nach einem gewissen Maß an Orchestrierung, um die allgemein grandiose Atmosphäre noch weiter anzuheben. Im Falle des Titelsongs fühlte es sich nur natürlich an, viel Orchestrierung anzuwenden und es wirkte zu jedem Bestandteil des Songs passend. Viel Musik, die wir hören, ist sehr dramatisch und viel davon beinhaltet orchestrale oder klassische Elemente und ich bin sicher, dass das auch auf uns abgefärbt hat. Alle symphonischen Parts, Pads und Chöre wurden entweder von uns mit VSTS programmiert oder von unserem Schlagzeuger aufgenommen, der dafür Plug-Ins verwendet hat, um die Bestandteile zu Hause von seinem Keyboard aus aufzunehmen.

Besteht die Möglichkeit, dass ihr in Zukunft mehr Symphonic-Parts in eure Musik aufnehmen werdet?
Das ist sicherlich eine Möglichkeit. HYPERION war jedoch schon immer eine sehr gitarrenlastige Band und ich halte es nicht für absehbar, dass wir uns in eine härtere Version von Nightwish verwandeln (obwohl ich persönlich Nightwish liebe, fürs Protokoll). Nur die Zeit wird sagen können, welche Richtung unser künftiges Material einschlagen wird. Ich persönlich liebe viele Symphonic-Metal-Bands und orchestrale Musik im Allgemeinen, also hätte ich definitiv nichts dagegen, aber man wird sehen.

Euer Sänger Harry Lauraéus verwendet in erster Linie typische Black-Metal-Screams, der letzte Song „Blood Of The Ancients“ beinhaltet jedoch zusätzlichen Klargesang. Stammt der auch von ihm und könntet ihr euch vorstellen, in Zukunft mehr Cleans zu verwenden?
Das stimmt. Harry ist verantwortlich für die cleanen Vocals und es war genau genommen auch seine Idee, damit anzufangen. Als die Lyrics für diesen Song fertig waren, bestand ich darauf, statt diesen cleanen Passagen Growl- oder Scream-Vocals zu haben, aber er schaffte es, mich davon zu überzeugen, etwas anderes in Betracht zu ziehen. Ich könnte mir vorstellen, in der Zukunft mehr Cleans einzusetzen, obwohl ich finde, dass die Musik von HYPERION die Kraft und Aggression verlangt, die man nur durch die gutturale, raue und expressive Natur der Extreme-Metal-Vocals bekommt. Wir setzen uns nie hin und planen oder versuchen zu berechnen, was als nächstes in Bezug auf unser Material kommen sollte. Wir machen lediglich, was sich richtig anfühlt.

Wie würdest du denn die Lyrics beschreiben? Um welche Themen geht es in ihnen und was hat euch inspiriert, diese Themen auszusuchen?
Die Texte auf „Seraphical Euphony“ decken mannigfaltige Themen ab, und die meisten von ihnen stehen in gewisser Weise zueinander in Beziehung. Es ist jedoch definitiv kein Konzeptalbum. Die Themen der Wahl drehen sich oftmals um alte Legenden, Mythologie, Geschichten über alte Kriegsherren, und vielfach werden diese Themen als Abstraktion genutzt, um eine spezifische Botschaft oder einen philosophischen Standpunkt zu vermitteln. Wir wenden viel Zeit und Energie auf, um die Lyrics so repräsentativ und kraftvoll wie möglich zu machen, sie sind also keineswegs nur „zufällig coole Wörter“, die wir einfach nur so aus Spaß an der Freud zusammensetzen. Viele persönliche Ansichten zu wichtigen, allumfassenden Konzepten des Lebens finden in den Texten ebenfalls Ausdruck. Das lyrische Thema, das wir wählen, hängt im Normalfall von der allgemeinen Stimmung in der Musik ab und davon, was wir in diesem Moment aussagen wollen.
Ich könnte ein ganzes Buch über jedes lyrische Thema auf „Seraphical Euphony“ verfassen, aber ich werde dir nur mal ein paar kurze Themenzusammenfassungen als Beispiele nennen, um es kurz zu halten. „Flagellum Dei“ etwa beschäftigt sich mit der Geschichte von Attila dem Hunnenkönig, während „Empyrean Yearning (Flagellum Dei Part II)“ die Geschichte von Dschingis Khan thematisiert. Der Song „Seraphical Euphony“ ist grundsätzlich eine Geschichte, die von der Legende von Orpheus und Eurydice beeinflusst ist, welche eine Metapher darstellt für etwas, das wir ausdrücken wollen, das die generelle Richtung der lyrischen Konzepte des Albums zusammenfasst.

Blicken wir noch in die Zukunft. Das Album ist draußen, wie sieht es damit aus, die Songs auf die Bühne zu bringen? Gibt es konkrete Live-Pläne?
Oh ja. Wir haben mehr und mehr live gespielt, seit das Album veröffentlicht wurde. Ich denke, dass das eine wichtige Sache für die Band ist. Wir müssen da rauskommen, das Album promoten und den Leuten das volle Live-Erlebnis von HYPERION näherbringen. Unser Label hat dafür gesorgt, dass wir uns auf unsere erste Europatour in diesem Herbst begeben und es gibt noch einige weitere Pläne, so viel wie möglich in anderen Städten und Ländern zu spielen. Zwei Shows im Herbst wurden schon gebucht und mehr werden folgen. Ihr werdet auf jeden Fall mehr davon in Zukunft hören!

Stell dir einen Nachfolger zu „Seraphical Euphony“ vor. Wie würdest du wollen, dass er klingt, was sollte anders oder vielleicht sogar besser sein als auf dem Erstlingswerk?
Ich will, dass es sich wie HYPERION anhört. Es wird wahrscheinlich alle musikalischen Elemente von „Seraphical Euphony“ beinhalten, aber auf eine ganz andere Stufe gehoben. Ich hätte es gern grandios, super melodisch, intensiv und brutal und ich würde mir wünschen, dass es sich in einige musikalische Richtungen vorwagt, die wir noch nicht durchkreuzt haben bisher. Ich selbst versuche, auf die eine oder andere Art fast jeden Tag an neuer Musik zu arbeiten und wir haben schon einiges an Material herumliegen, aber es ist noch viel zu früh, um über einen Nachfolger zu „Seraphical Euphony“ nachzudenken. Das Material wird sich weiterhin entwickeln und wachsen, und wenn wir das Gefühl haben, dass wir genug qualitativ hochwertiges Material haben, um ein weiteres Album aufzunehmen, dann werden wir das höchstwahrscheinlich auch tun.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast und ich würde das Interview gerne mit unserem traditionellen Metal1-Brainstorming beschließen. Was kommt dir zu diesen Themen in den Sinn?
Amon Amarth: Tremolo-Picking und die unverwechselbaren Viking-Growls von Johan Hegg.
Jon Nödtveidt: Meistens kommt mir ein Song oder ein Cover-Artwork von Dissection in den Sinn, wenn ich seinen Namen lese. Er war meiner Meinung nach einer der einzigartigsten und talentiertesten künstlerischen Geister, der je auf dieser Erde gewandelt ist.
Depressive Suicidal Black Metal: Ich denke aus irgendeinem Grund normalerweise an meine andere Band Mist Of Misery oder an meinen Freund Mortuz Denatus, wenn ich diese Bezeichnung lese. Es ist kein Genre, in das ich weit vorgedrungen wäre, aber es gibt einige Bands wie Coldworld, die dieses Genre wirklich wert machen, beachtet zu werden.
Schwedisches Essen: Schwedisches Weihnachtsessen, Eier mit saurer Sahne und Kaviar, Fleischbällchen und Kartoffeln. Das ist vielleicht nicht alles ganz typisch schwedisch, aber für mich in jedem Fall ein Gaumenschmaus.
Deutschland: Das Land vieler stolzer Menschen nach meinem Eindruck. Vielleicht in mancherlei Hinsicht nicht immer stolz, aber viele Deutsche haben wohl eine sehr genau festgelegte Art und Weise, so zu kommunizieren, dass sie ihren Standpunkt klarmachen, und natürlich… Blind Guardian!
Facebook: Das Facebook-Logo und irgendeine zufällige Facebook-Seite im Google-Chrome-Browser kommt mir normalerweise in den Sinn, wenn ich das Wort lese.

Das wärs! Ich überlasse es dir, das Gespräch zu beenden. Wenn du irgendetwas hinzufügen möchtest, fühl dich frei.
Nochmals danke für die Zeit, dieses Interview zu führen und mit einigen interessanten Fragen aufzukreuzen. Nicht alle Interviewer recherchieren wirklich und versuchen, Fragen zu stellen, die genau zu der Band passen, die interviewt wird. Auch möchte ich allen danken, die uns bisher unterstützt haben. Ihr wart nichts anderes als großartig! Eonian zeal recites in Euphony!

Publiziert am von Pascal Weber

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