Interview mit Sascha Blach von Transit Poetry (Teil 1/2)

Mit „Pedestrians In The Sky“ schließen die Berliner Electro-Goth-Pop-Rocker TRANSIT POETRY ihre 2002 gestartete Quartologie zu den vier Elementen ab. Wie immer ausgesprochen auskunftsfreudig gab sich Bandkopf Sascha Blach, weswegen das Interview in zwei Teile gesplittet wurde. Lest hier, welche Lebenseinstellung Sascha vertritt, dabei jeden Angriff geschmeidig pariert und den Redakteur am Ende zum unerschrockenen Selbstversuch bringt.

Hy Sascha, schön, dass wir mal wieder die Gelegenheit haben, im Vorfeld Eures vierten Albums „Pedestrians In The Sky“ über allerlei interessante Dinge zu plaudern. Um die Musik soll es vornehmlich im zweiten Teil des Interviews gehen, aber ich denke, auch eher „allgemeine“ Fragen wirst Du inhaltsreich beantworten ;-)

TRANSIT POETRY haben sich über die Jahre einen besonderen Ruf erworben. Dieser liegt in Eurer Lebenseinstellung begründet. Kannst Du dem bislang uninformierten Leser kurz beschreiben, worin dies besteht?
Ich weiß nicht, ob wir einen ‚besonderen Ruf‘ haben. Das würde ich selbst nicht so sagen, weil es aus meinem Munde einfach vermessen klänge. Ich mache letzten Endes die Musik, die mir am Herzen liegt und versuche darin natürlich Themen aufzuarbeiten, die mich interessieren und mir wichtig sind. Bei Transit Poetry war dies vor allem die Spiritualität und Selbstfindung. Wir hatten seinerzeit ein vier Alben umspannendes Konzept in Angriff genommen, wobei jedes Album einem der vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft zugeordnet sein sollte und der Geist als quasi fünftes Element alle Alben durchzieht. Mein Versuch war es, so Materielles und Spirituelles zu vereinen und eine größere Einheit zu erschaffen. Natürlich kamen dabei auch Weltanschauungen und Kritik an der Gesellschaft und der mangelnden Respekt gegenüber der Natur zur Sprache; und ich habe auch offen den Veganismus thematisiert. Nun sind wir mit ‚Pedestrians In The Sky‘ jedenfalls am Ende dieses Zyklus‘ angekommen und das Gesamtwerk ist gewissermaßen vollendet.

Ich hoffe, es ist ok, wenn meine Fragen in diese Richtung teilweise auch etwas kritischer ausfallen, ich habe Dich ja als eloquenten Gesprächspartner kennen gelernt, so dass Du der Kritik sicher gewandt begegnen wirst ;-)
Sicher, ich versuche mein Bestes.

Wie lange bist Du schon Veganer? Bei vielen Vegetariern, die ich kenne, war dies zunächst eine Art „Protestentscheidung“ während der schwierigen Jahre des Heranwachsens, ich selber habe mir das eine ganze Weile überlegt und bin erst als Erwachsener Vegetarier geworden. Siehst Du in einem solchen Protest vielleicht auch eine Gefahr in dem Sinne, dass man die Entscheidung vielleicht nicht weit genug durchdacht hat?
Ich bin nun seit etwa fünf Jahren Veganer und habe zuvor zehn Jahre vegetarisch gelebt. Für mich war Veganismus früher immer etwas Krasses und ich habe es mit Verzicht gleichgesetzt, aber irgendwie war es doch auch immer ein Ideal für mich, da es eine sehr viel konsequentere Form des ethischen Vegetarismus ist. Schließlich hängen Eier und Milchprodukte an derselben Industrie wie das Fleisch. Bei mir ist das gewiss auch eine Protestentscheidung, denn ich protestiere damit gegen die Art und Weise, wie der Mensch mit anderen Lebewesen umgeht, wie er sie nicht als Lebewesen behandelt, sondern wie Waren ohne Seele, die einzig der Profitmaximierung dienen. Aber es ist für mich keine Protest im Sinne von ‚ich färbe mir die Haare grün, um anders zu sein‘, also nichts das man mit dem Erwachsenwerden ablegt. Da ich davon überzeugt bin, dass eine sorgsam zusammengestellte, ausgewogene vegetarische bzw. besser noch vegane Ernährung die gesündeste ist, vertrete ich auch die Ansicht, dass es nie zu früh ist, damit anzufangen. Das ist für mich keine Entscheidung, die man jahrelang überdenken muss, man kann jeden Tag damit anfangen – und informieren kann man sich doch heutzutage auch recht schnell, wie man es richtig macht.

Wie hat eigentlich Dein persönliches Umfeld darauf reagiert? Ich kann mir vorstellen, dass es erstens für Deine unmittelbaren Mitmenschen nicht ganz leicht ist, z.B., wenn mal ein gemeinsames Kochen ansteht, andererseits bietet veganer Lebensstil ja auch eine Menge Angriffspunkte, selbst als Vegetarier wird man ja schon als Softie bezeichnet (auch wenn einem das herzlich egal sein kann).
Ja, es ist schade, dass einem andere Menschen so oft mit Unverständnis begegnen und man sich als Veganer immer wieder rechtfertigen muss. Wie oft habe ich schon gehört, wie ungesund ich mich doch ernähren würde :-) Da braucht man schon ein dickes Fell und ich habe immer öfter auch gar keine Lust mehr, über das Thema zu reden, weil solche Diskussionen meist aufreibend sind und zu nichts führen, außer schlechter Laune meinerseits. Wer das sagt, ist einfach nicht richtig informiert. Und genau das ist das Problem – ich habe eigentlich noch nie mit Leuten kritisch diskutieren können, die sich wirklich ausführlich mit der Materie befasst hatten und genau wissen, wovon sie reden. Das meiste ist Halbwissen und ein nicht von den eigenen Konventionen abweichen wollen. Glücklicherweise sind meine Freunde und Familie da recht tolerant bzw. einige auch selbst der pflanzlichen Kost zugetan. Und wer schon mal mit mir gekocht hat, weiß, dass meine Kost keineswegs öde ist. Im Grunde esse ich fast dasselbe wie vermeintlich normale Leute, nur dass die Zutaten anders geartet sind, denn es geht um das Ersetzen, nicht um das Verzichten.

Wie begegnest Du Vorwürfen/Tatsachen, dass als Veganer Nahrungsergänzungsmittel (die ja gerne verpönt sind) nötig werden? Stichwort ist zum Beispiel das Vitamin B12.
B12 ist ja eigentlich das einzige Nahrungsergänzungsmittel, das Veganer unbedingt zu sich nehmen sollten – alle anderen Vitamine, Eisweiße und Aminosäuren gibt es in pflanzlicher Kost genauso. Manche werde schlechter aufgenommen als bei Fleisch, was man aber durch die Menge kompensieren kann, und dafür hat die vegane Nahrung andere gesundheitliche Vorteile, da sie einem viele der typischen Volkskrankheiten erspart und Veganer deutlich weniger Giftstoffe zu sich nehmen. Mit dem B12 ist es so, dass es von Bakterien in den Därmen von Tieren produziert wird und früher scheinbar auch noch in den Menschen selbst. Es gibt verschiedene Theorien und eine lautet, dass es durch den immer höheren Fleischkonsum irgendwann nicht mehr nötig war, dass der Körper sein B12 selbst produzieren lässt. Für mich ist es das geringere Übel, ein Ergänzungsmittel zu nehmen, als nur wegen ein paar Mikrogramm B12 Tiere fürchterlich leiden zu lassen und abzuschlachten. Zumal das Argument mit der dann nicht mehr natürlichen Nahrung eh nicht stichhaltig ist, denn die gesamte Nahrungsmittelproduktion ist mittlerweile komplett technisiert, teilweise sogar gentechnisch manipuliert und meist einfach nicht mehr wirklich natürlich. Da finde ich, sind B12-Präparate noch das geringste Übel.

Denkst Du, dass Eurer Sache geschadet wird, wenn als Argument zum Beispiel herangezogen wird, dass der Mensch sich rein pflanzlich ernähren sollte, weil eine (weltweit) etwa 30 %ige Lactoseintoleranz in der Bevölkerung ja eindeutig dafür sprechen? Andererseits wird dann aber gerne verschwiegen, dass die Fructoseintoleranz in etwa genau so hoch liegt.
Ich glaube, dass diese ganzen Allergien durch unsere ungesunde, unnatürliche Nahrung kommen – ob gegen Fruktose oder Laktose. Der Mensch nimmt heutzutage so viele künstliche E- und Giftstoffe zu sich, dass das kein Wunder ist. Aber man lernt in der Schule zwar allen möglichen unwichtigen Kram, den man nie wieder braucht, wie man sich wirklich gesund ernährt und sich so viele Krankheiten erspart, lernt man jedoch nicht. Unabhängig davon, ob in manchen Ländern die Laktoseintoleranz 30 oder sogar 50% groß ist, viel überzeugender finde ich folgendes Argument: eine Kuh gibt keineswegs Milch, weil ihre Berufung das Milchkuhdasein ist, sondern nur wenn sie schwanger war – und zwar für ihr Kälbchen. Dieses wird der Mutterkuh nach der Geburt meistens weggenommen, damit der Mensch die Milch für sich entwenden kann. Menschlichen Frauen geben bekanntlich auch nur nach der Geburt Milch – daraus schließe ich, die ersten Monate sind der einzige Zeitraum, in dem ein Mensch wirklich Milch braucht (menschliche Milch!), danach nicht mehr. Die Weisheiten von der lebenswichtigen Kuhmilch sind alles nur Märchen, die von einer großen Industrie verbreitet werden, damit sie ihre Produkte verkaufen kann. Wenn sie wirklich lebenswichtig wäre, hätte die Natur das doch sicher anders eingerichtet, als dieses ‚Lebenselixier‘ bei der Kuh im Euter zu verstecken, oder? Alle Inhaltsstoffe der Milch finden sich auch in pflanzlicher Nahrung (die Kuh frisst schließlich auch nur Pflanzen!) und man kann zudem alle Milchprodukte auch rein pflanzlich herstellen. Die Industrie müsste nur umdenken bzw. umstellen.

Welches Pro-Vegan-Argument (Ethik, Tierrechte, Ökologische Aspekte, Kulturelle und spirituell-religiöse Aspekte) ist für Dich eigentlich das wichtigste oder auch anders herum: welches Argument hätte für Dich nicht ausgereicht, um Dich für ein solches Leben zu entscheiden?
Das kann ich so nicht sagen, weil diese Themenkomplexe für mich zusammen hängen. Ich möchte möglichst wenig Schaden auf diesem Planeten anrichten, wenngleich ich weiß, dass jeder Mensch seine ‚Spuren‘ hinterlässt. Und ich möchte mich zugleich selbst gesund ernähren. Fragen wie ‚für was würdest du dich entscheiden‘ stellen sich mir nicht, weil sie rein hypothetisch sind. Der Punkt ist, wir Menschen sind nicht darauf angewiesen zu töten, um zu überleben. Das war vor vielen Jahren in der freien Natur vielleicht etwas anderes, aber in unserer Gesellschaft könnten wir uns rein pflanzlich ernähren, wenn wir nur wollen, und könnten damit ganz nebenbei auch das Welthungerproblem lösen. Dieses ist zum einen eine Frage der Verteilung, aber auch ein Problem der Verschwendung, denn es werden erst einmal Unmengen an Rohstoffen wie Getreide, Soja und Kartoffeln sowie Wasser an Tiere verfüttert, um dann ein paar Kilo Fleisch für die westliche Welt zu bekommen, wohingegen mit diesen Nahrungsmitteln auf direktem Wege viel mehr Menschen satt werden können. Mal davon abgesehen, dass die Umwelt entlastet würde, da viel Verschmutzung auch auf Massentierhaltung zurückzuführen ist. All dies sind bekannte Fakten, die aber aus Bequemlichkeit und Profitgier von großen Teilen der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ignoriert werden. Außerdem impliziert die obige Frage, dass vegane Ernährung Verzicht und Einschnitte bedeutet, die man notgedrungen in Kauf nimmt. Das empfinde ich aber gar nicht so. In meinem Alltag fühlt sich alles ganz normal an, mir fehlt nichts und es geht mir gut. Ich habe schlichtweg kein Verlangen nach all den Dingen, von denen ich früher dachte, dass ich nicht ohne könnte. Das vergeht nach einer gewissen Zeit.

Ist eine vegane Lebensweise gerade für ökologische Aspekte nicht teilweise auch hinderlich? Vor allem im Winter müssen viele Produkte von weit her importiert werden, wäre es da nicht günstiger, tierische Produkte aus heimischer Produktion zu verwenden?
Das hat ja nichts mit vegan und nicht-vegan zu tun, denn man könnte statt des Fleisches auch einfach Gemüse und Getreide aus der Region nehmen bzw. auf eingelagerte Produkte zurückgreifen, wie man das früher tat. Und dass Nahrung heute um die ganze Welt geschippert wird, ist ein generelles Problem, denn es wird ja nicht nur die Nahrung der Veganer so weit durch die Gegend gekarrt. Aber ich gebe zu, dass ich in diesem Punkt noch nicht ganz so konsequent bin, wie bei der Frage, ob das Essen mal gelebt hat, denn ich kaufe leider nicht nur regionale Sachen, obwohl ich weiß, dass es besser wäre. Ich glaube, regionale Wirtschaft und Versorgung ist in vieler Hinsicht effektiver und würde weniger Probleme bedeuten als die ganze Globalisierung, die ich auch kritisch sehe. Frag mich im nächsten Interview doch mal, ob ich dann schon konsequenter geworden bin ;-)

Heutzutage gibt es für praktisch jedes tierische Nahrungsmittel ein pflanzliches Pendant, welches teilweise sogar sehr ähnlich schmeckt. Vor einigen Jahren war es sicher „härter“, vegan zu leben als heute. Wäre Sascha Blach 1950 zu der gleichen Überzeugung gekommen?
Interessante Querdenkerfrage, die ich aber so nicht beantworten kann, da ich nicht beurteilen kann, wie einfach es 1950 gewesen wäre, an rein pflanzliche Nahrung zu kommen und wie ausgeprägt die Massentierhaltung damals war. Ich vermute, heute ist es dank Biosupermärkten und Veganversandhändlern im Internet auf jeden Fall viel einfacher, sich ausgewogen pflanzlich zu ernähren. Aber es ist auch nötiger, da die Methoden der Tierhaltung in den letzten 61 Jahren noch um ein Vielfaches grausamer geworden sind. In den Nachkriegsjahren hingegen waren bekanntlich viele froh, wenn sie überhaupt etwas zu essen hatten. Und ich gebe zu, ich würde wohl auch eher ein Stück Fleisch essen, als zu verhungern. Doch diese elementare Frage stellt sich glücklicherweise in unserer heutigen Gesellschaft nicht. Ich denke aber zumindest, dass mein ethisches Bewusstsein und meine Liebe für Tiere auch schon 1950 derart ausgeprägt gewesen wäre :-)

Siehst Du Dich durch Lebensmittelskandale (aktuell: Dioxin in Eiern und Fleisch) zusätzlich in Deiner Lebensweise bestätigt?
Klar, aber eigentlich habe ich diese Skandale gar nicht wirklich verfolgt. Da merkt man wieder, wie scheinheilig die Gesellschaft und Politik ist. Solange es keine derartigen Skandale gibt, schlemmen alle genüsslich vor sich hin und nehmen die fragwürdigen Methoden in Kauf, doch wehe die schöne heile Welt gerät mal ins Wanken. Dann beginnen sie alle zu schimpfen und zu fordern – zumindest bis 2 Wochen später das nächste Thema die Medien regiert. Aber Grundsätzliches stellt dabei kaum jemand in Frage. Die Tiere werden es auch nach den Skandalen nicht besser haben, denn es geht immer nur um die Menschen. In meiner idealen Welt hätten Tiere die gleichen Rechte wie Menschen und wären keine Lebewesen zweiter Klasse. Aber vielleicht bedarf es auch einfach noch ein paar Jahre und einer geistigen Weiterentwicklung, bis nach Frauen und Menschen anderer Hautfarbe auch die Tiere noch zu ihrer Gleichberechtigung kommen. Ich würde es mir sehr wünschen, denn letzten Endes wollen doch alle Lebewesen dasselbe: ein glückliches und zufriedenes Leben ohne Leid führen.

Kaufst Du Lebensmittel eigentlich in speziellen Veganer-Läden? Im Supermarkt kommt man als Vegetarier ja noch einigermaßen klar, vegane Lebensmittel findet man aber doch eher selten.
Hin und wieder nur. Ich werde in den Berliner Supermärkten eigentlich fast immer fündig, was aber daran liegen mag, dass ich mir fast alles selbst zubereite, z.B. Brotaufstriche, vegane Würste und jüngst auch mal eigenes Brot (dafür fehlt mir aber leider oft die Zeit). Daher kaufe ich hauptsächlich Grundzutaten. Und ich muss sagen, dass das vegane Sortiment immer größer wird. Das ist eine schöne Entwicklung, die mir Hoffnung gibt.

Verrätst Du uns Dein Lieblingsrezept?
Schwer, da ich fast nie nach Rezept koche, sondern alle Zutaten zusammen schmeiße, die ich gerade finde. Aber was bei mir häufig als Brotaufstrich zum Einsatz kommt, ist veganes Mett – sieht täuschend echt aus, ist fettarm, billig und herzhaft im Geschmack. Dazu muss man 1 Packung Reiswaffeln in einer großen Schüssel kleinbröseln und eine Zwiebeln in kleine Würfel schneiden, lieber zu klein als zu groß. Die zerbröselten Reiswaffeln mit ein paar Schluck kaltem Wasser mischen und schön durchkneten, sodass ein weiche Masse entsteht. Dann die Zwiebeln, 2-3 Esslöffel Tomatenmark, Kräuter sowie Pfeffer, Salz und Paprikapulver je nach Geschmack dazu geben und noch mal durchkneten. Das Ganze wird kalt aufs Brot oder Brötchen gegessen und ist echt lecker.

Sicher ist Dir der Name Peter Singer ein Begriff. Einerseits ist es erfreulich, dass er sich für Tierrechte einsetzt, andererseits hat er sich – um es mal vornehm zu formulieren – in der deutschen „(Sonder-) Pädagogen-Szene“ durch seine Vorschläge zum Umgang mit Menschen mit Behinderung nicht gerade Freunde gemacht. Wie stehst Du zu seinem Ansatz des Präferenz-Utilitarismus und seinen bioethischen Ideale [im Kern nimmt Singer eine Einteilung von Lebewesen vor, bei denen er grob gesagt in lebenswert und lebensunwert unterteilt; Lebewesen, die seiner Ansicht nach kein Glück empfinden können – beispielsweise Menschen mit schwersten geistigen Behinderungen, Patienten mit apallischem Syndrom… – müssen seiner Meinung nach nicht auf Kosten der Gesellschaft am Leben gehalten werden, er spricht diesen Menschen sogar ab, eine Person zu sein, weil sie sich beispielsweise nicht selbst bewusst werden, empfindungsunfähig, nicht autonom sind oder „kein Interesse an etwas habe“ – Literaturhinweis: Singer, Peter: Praktische Ethik, 2. Auflage. Reclam, Stuttgart 1993,]?
Da ich mich nicht mit seinen Schriften beschäftigt habe, kann ich dazu kein ernsthaftes Urteil abgeben. Was Tiere angeht, ich sehe es so, dass jedes Lebewesen das gleiche Recht zu leben hat und der Mensch nicht über allen anderen steht und das Recht hat, diese auszubeuten. Dem wird oft das Argument entgegen gesetzt, dass sich Tiere in der freien Natur doch auch töten und es eben eine Nahrungskette gibt. Da der Mensch sich jedoch auch in fast sämtlicher anderer Hinsicht aus den Kreisläufen ausnimmt und seine Handlungen rational hinterfragen kann, überzeugt mich dieses Argument nicht, zumal wir anatomisch nicht dazu gemacht sind, Schweine oder Kühe zu jagen und zu reißen. Was Singers Einstellung zum Lebensrecht von Behinderten angeht: soweit ich weiß, geht es ihm ja nur um Ungeborene, nicht um Erwachsene. Da niemand in einen Behinderten hineingucken kann, weiß auch niemand, was dieser Mensch tatsächlich empfindet und ob er Glück fühlt und sein Leben als lebenswert erachtet. Daher wäre ich im Zweifel eher gegen die Abtreibung, aber in der Praxis ist das sicher weitaus komplexer und keine Frage, die man eindeutig in ein paar Sätzen mit ja oder nein beantworten kann.

Die Person Peter Singer ist sicher ein Punkt, über den man alleine ein seitenfüllendes Interview machen könnte, aber das Stichwort „Buch“ führt mich gleich zur nächsten Frage: im letzten Interview sprachst Du davon, dass Du gerade an einem Buch zum Thema „Veganismus“ schreibst. Wie sieht es in dieser Hinsicht aus?
Oh, mir war gar nicht mehr bewusst, dass ich das bereits öffentlich kundgetan hatte. Das Projekt hat sich leider zerschlagen. Ich wollte dafür Interviews mit veganen Bands führen und vegane Musiker Essays verfassen lassen, aber das Feedback war insgesamt ernüchternd gering, sodass ich es schnell wieder habe bleiben lassen. Zumal mir auch selbst wieder andere Dinge dazwischen gekommen sind. Daher wird die Welt wohl ohne dieses Buch auskommen müssen.

Hand aufs Herz, bist Du froh, dass Bier und Wein keine tierischen Produkte enthalten ;-)
Bei Wein kann man sich da ja nicht immer wirklich sicher sein :-) Aber ich denke mal, die Frage zielt auf meinen Alkoholkonsum ab (eigentlich nicht, aber mach mal ;-) Anm. d. Red.). Ich würde auch ohne auskommen. Ich hatte gerade erst ein halbes Jahr gar keinen Alkohol getrunken. Nun trinke ich wieder hin und wieder, aber nicht allzu viel. Denn ich habe mir sagen lassen, zuviel Alkohol ist ungesund :-)

Wie beurteilst Du die Protestbewegungen in Teilen der muslimischen Welt zur Zeit?
Positiv. Ich finde es gut, wenn sich Menschen nicht unterdrücken und entmündigen lassen, sondern ihre demokratischen Rechte einfordern. Auch in Deutschland sollten dies die Menschen wieder mehr tun. Es steht sogar in unserer Verfassung, dass wir uns auflehnen müssen, wenn unsere demokratischen Rechte in Gefahr sind – und das sind sie angesichts der sich anbahnenden Wirtschaftsdiktatur von Seiten der EU!

Ärgert es Dich, wenn Du ein Interview mit einer Band führst und die Antworten sind relativ inhaltsleer. Du selber gehst ja mit gutem Beispiel voran, was die Ausführlichkeit und den Informationsgehalt angeht, ich hatte allerdings schon Interviews mit Death-Metal-Demo-Bands, wo meine Fragen dann mehr Raum als die Antworten einnahmen.
Naja, im Printbereich haben wir eh meistens ein massives Platzproblem, sodass ich rein aus pragmatischen Gründen manchmal froh bin, wenn eine Band wenig antwortet, dann muss ich nicht so viel kürzen – denn gerade bei ausführlichen, gehaltvollen Antworten tut das oft sehr weh, haha. Aber wenn eine Band gar nichts zu sagen hat, ist das natürlich auch Banane. Was soll’s, Menschen sind halt verschieden und man trifft ja auch im normalen Leben nicht ständig auf Leute, die wirklich viel (Gehaltvolles) zu sagen haben …

Was ist eigentlich aus Deinem Joggen geworden, würdest Du es inzwischen als Langstreckenlauf bezeichnen ;-)
Eher als Kurzstreckengehen, haha. Die viele Arbeit auf meinem Schreibtisch, die irgendwie nie weniger wird, und momentan auch das kalte Wetter machen mir leider öfter einen Strich durch die Rechnung, als mir lieb ist (schlechtes Wetter gibt es doch gar nicht, nur die falsche Kleidung ;-) Anm. d. Red.). Aber das ist irgendwie auch ein sehr modernes Problem, dass man die ganze Zeit im Hamsterrad strampelt, um Geld für das Wesentliche zu verdienen (für mehr reicht es ja selten) und dafür der Großteil der Zeit drauf geht, sodass ich mich dann oft zwischen Musik und Sport entscheiden muss.

So, auch wenn es hier nicht wirklich um Musik ging, darf das Wortspiel natürlich nicht fehlen:
Hieronymus Bosch: ein Maler – soweit ich mich erinnere ein sehr interessanter, aber nicht mein Metier …
Tiefseebohrungen: Komplexes Thema. Die perfekte Energieform gibt es noch nicht. Ich hoffe ja immer noch auf freie Energie aus dem Äther :-)
Zölibat: widernatürlich, denn der Sexualtrieb ist doch Teil unserer Natur.
Priesteramt für Frauen: ja nur zu, jeder nach seiner Façon. Hauptsache, es werden nicht auch noch in den Kirchen Frauenquoten eingeführt …
TKKG: Ist an mir vorbeigegangen. Ich habe als Kind Benjamin Blümchen gehört, das nächste, an das ich mich erinnere, sind Iron Maiden, Judas Priest, Scorpions und AC/DC, hehe …

Zum zweiten Teil des Interviews

Publiziert am von Jan Müller

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