Konzertbericht: Dark Tranquillity w/ Soen, Equilibrium, Iotunn

26.09.2025 München, Backstage (Werk)

Mikael Stanne ist in Deutschland ein gern gesehener Gast – auf deutschen Bühnen allerdings vielleicht auch ein zu oft gesehener: Erst im November 2024 waren DARK TRANQUILLITY auf Tour, Anfang 2025 war der Schwede dann mit THE HALO EFFECT unterwegs, im Frühsommer wieder mit DARK TRANQUILLITY. Und nun also nochmal, im Rahmen der „Ultima Ratio Tour“ – gemeinsam mit SOEN, EQUILIBRIUM und IOTUNN.

Dass die Tickets zum stolzen Preis von rund 55 € nicht eben reißenden Absatz finden, überrascht in diesem Kontext nicht wirklich – sorgt aber dafür, dass DARK TRANQUILLITY nochmal in die Trickkiste greifen und die Tour kurzerhand zur Jubiläumstour umdeklarieren: Praktischerweise sind die Alben „The Gallery“ und „Character“ in einem Jahr mit -5 (1995 und 2005) erschienen.

In München reicht auch dieses Angebot an die Fans nicht aus – kommt hier noch erschwerend das Oktoberfest als „Konkurrenzveranstaltung“ hinzu. Die Show wird vom Veranstalter fallen gelassen und vom Backstage München gerettet, das die Tour kurzerhand von der Tonhalle ins gut ein Drittel kleinere Backstage Werk holt. Trotzdem gibt es noch reichlich Tickets an der Abendkasse – und später viel Platz im Saal.

Den Anfang machen um 18:30 Uhr IOTUNN – am Mikrophon steht allerdings nicht Jón Aldará (HAMFERÐ), der die Tour aussetzt, sondern Morten Bering Bryld (HEIDRA). Das ist ein mutiger Plan, ist der Gesang doch ein prägendes Element im Stil der Band. Doch IOTUNN wussten offenbar, was sie tun: Bryld legt bei den Screams wie auch dem herausfordernden Klargesang eine Performance hin, bei der selbst eingefleischte Fans keinen Qualitätsunterschied zum Original feststellen dürften. Auch sonst begeistern IOTUNN auf ganzer Linie: Obschon komplex arrangiert, verzichten die Dänen auf Samples und Backingtracks und liefern somit eine authentische Live-Show. Umso bedauerlicher ist es, dass die sympathische Truppe ob ihrer ausufernden Kompositionen bei 30 Minuten Spielzeit gerade einmal drei Songs zum Besten geben können. Bleibt zu hoffen, dass IOTUNN spätestens mit dem nächsten Album die Gelegenheit zu einer Headliner-Tour bekommen. Verdient wäre es bei ihren musikalischen wie auch technischen Qualitäten allemal.

  1. Mistland
  2. Kinship Elegiac
  3. The Tower Of Cosmic Nihility

Was mit EQUILIBRIUM folgt, ist mit dem Begriff „Kontrastprogramm“ nicht ansatzweise eingefangen. Es fängt damit an, dass es die Überreste dessen, was dereinst eine angesehene Pagan-Metal-Band war, mit dem „live spielen“ so ernst nicht mehr nehmen: Alle Keyboards sowie der Bass kommen vom Band – ausgerechnet beim Gesang, wo es stellenweise wirklich wünschenswert wäre, verzichten EQUILIBRIUM dafür auf Backingtracks. Doch das sind nur technische Aspekte. Viel schwerer wiegt, wie weit sich EQUILIBRIUM mittlerweile stilistisch verirrt haben: Die Bühnendeko wie vom Sperrmüll, die Outfits wie aus dem Dschungelcamp und musikalisch im wortwörtlichen Sinne ein Potpourri („verfaulter Topf“) aus allem, was mal im Trend lag – Party-Metal, Metalcore und mit dem neuesten Song „Nexus“ sogar Tribal-Vibe à la HEILUNG – wirkt die Darbietung nur noch grotesk. Dass sich Sänger Fabi ausgerechnet zu einem der härteren Songs (und damit atmosphärisch komplett unbegründet) ein Meer aus Handylichtern wünscht, ist nur ein weiteres Puzzleteil im bizarren Bild, das diese Truppe mittlerweile abgibt.

  1. Born To Be Epic
  2. Renegades – A Lost Generation
  3. Bloodwood
  4. Cerulean Skies
  5. Blut im Auge
  6. Shelter
  7. Nexus

Dass SOEN im Anschluss nicht nur wieder ernstzunehmende Musik spielen, sondern auch vergleichsweise entspannte, ist Balsam für die geschundenen Trommelfelle. Wennschon Sänger Joel Ekelöf mit Frack und Sonnenbrille aufopferungsvoll dafür sorgt, dass der Übergang hin zu gelungenen Bühnenoutfits nicht ganz so abrupt ausfällt wie der musikalische: Wie nicht anders zu erwarten, liefern SOEN nämlich eine richtige Live-Show – mit Bassist und (Teilzeit-)Keyboarder, vor allem aber einer Rock-Show, die nur so von Bühnenpräsenz und Leidenschaft strotzt. Einblicke in das für Januar 2026 angekündigte neue Album verwehren SOEN ihren Fans zwar noch – dafür gibt es in rund 50 Minuten ein gelungenes Best-of der letzten drei Alben „Memorial“ (2023), „Imperial“ (2021) und „Lotus“ (2019) zu hören. Während SOEN erkennbar eine beträchtliche Zahl an Fans gezogen haben, macht die Neuausrichtung der DARK-TRANQUILLITY-SHOW auf „oldschool“ aus einer passenden Kombination eine etwas sonderbare – wer sich kurzerhand durch die angekündigte Death-Metal-Show des Headliners noch zum Ticketkauf überzeugen ließ, kann mit dem stellenweise fast an Italo-Rock erinnernden Sound der in Schweden gegründeten, aber international besetzten Band sichtlich eher wenig anfangen.

  1. Sincere
  2. Antagonist
  3. Martyrs
  4. Unbreakable
  5. Modesty
  6. Memorial
  7. Lotus
  8. Violence

Zumindest der Altersdurchschnitt im Publikum legt nahe, dass tatsächlich ein Großteil der Fans vornehmlich gekommen ist, um Jugenderinnerungen aus den 1990er-Jahren aufzufrischen – oder aber Jugendträume aus dieser Zeit zu erfüllen. Denn tatsächlich haben DARK TRANQUILLITY gleich im ersten, „The Gallery“ gewidmeten Showteil neben lange nicht gespielten Songs wie „The Dividing Line“, das 1996 zuletzt auf der Setlist stand, auch Stücke dabei, die auf dieser Tour erstmalig live dargeboten werden („The Emptiness From Which I Fed“). Für Fans dieses Albums ist das natürlich etwas Besonderes – zumal DARK TRANQUILLITY in ihrer heutigen, spielerisch versiertesten Besetzung dem Material absolut gerecht werden.

Dass DARK TRANQUILLITY bereits nach fünf Songs eine kurze Pause einlegen, um danach zu „Character“-Material überzugehen, um fünf weitere Songs später das Special-Set zu beenden, kann nicht nur Komplettisten stören: So spannend die Zeitreise auch ist – ein Anniversary-Set, bei dem es das zelebrierte Album nicht in voller Länge zu hören gibt, ist irgendwie auch nichts Halbes (beziehungsweise eben schon) und nichts Ganzes. Allerdings gibt es neben dem technischen Aspekt eben durchaus auch andere Gründe, warum es manche Songs nie oder eben nur temporär ins Live-Set geschafft haben, während sich andere über die Jahrzehnte gehalten haben.

So kann das gesamte Old-School-Set in Sachen Stimmung nicht wirklich mit einer „normalen“ DARK-TRANQUILLITY-Show mithalten – zumindest bis zum den „Character“-Part abschließenden Hit „Lost To Apathy“, das aber bekanntlich fast immer im Set der Schweden zu finden ist. Dass DARK TRANQUILLITY im letzten Teil der Show noch ihre größten Hits von „Endtime Signals“, „Atoma“ und „Fiction“ nachliefern, sorgt für einen runden Ausklang einer Show, die qualitativ nichts zu wünschen übrig lässt – und doch nicht den Erwartungen gerecht wurde.

  1. Punish My Heaven
  2. Edenspring
  3. Lethe
  4. The Emptiness From Which I Fed
  5. The Dividing Line
  6. The New Build
  7. One Thought
  8. Through Smudged Lenses
  9. My Negation
  10. Lost To Apathy
  11. Not Nothing
  12. Atoma
  13. Unforgivable
  14. Terminus (Where Death Is Most Alive)
  15. Misery’s Crown

Sieht man von einer Band ab, kann das Billing der „Ultima Ratio Tour“ auf dem Papier rundum überzeugen. Und doch sollte sich jede:r Fan gut überlegen, ob ihm das 55 € wert ist: Fans von IOTUNN kommen ob der kurzen Spielzeit (trotz grandioser Darbietung) nur schwerlich auf ihre Kosten. SOEN wiederum dürften 2026 bald mit neuem Album und als Headliner wieder auf Tour gehen – bieten mit einer rundum stimmigen 50-Minuten-Show aber zumindest auch heute eine unterhaltsame Show. Das Anniversary-Set von DARK TRANQUILLITY klingt in der Theorie überzeugender, als es dann tatsächlich ist – daran ändert weder die Spielfreude der Schweden etwas, noch ihr enormer Sympathiewert. Und wer explizit für EQUILIBRIUM in ihrer heutigen Erscheinungsform Geld ausgibt, hat die Kontrolle über seinen Musikgeschmack verloren.

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