corvus corax era metallum

Review Corvus Corax – Era Metallum

Es gibt diese Bands, die musikalisch mit Metal in etwa so viel zu tun haben wie soeben benutzte Sportsocken mit Lavendelduft, sich dennoch gerade aus dem Dunstkreis des Metal einer breiten Hörerschaft erfreuen. Dazu gehören etwa Wardruna, Skáld, Heilung oder aber die Spielleute von CORVUS CORAX. Bereits seit 1988 gibt die aktuell siebenköpfige Gruppe aus der ehemaligen DDR mittelalterliche Musik in Form von Eigenkompositionen und traditionellen Stücken zum Besten, und das ganz ohne den Einsatz etwa von E-Gitarren. Zweifellos aber sind sich CORVUS CORAX ihrer Querverbindungen in die Metal-Szene hinein bewusst – etwa in der Form von Tanzwut, die einst als Nebenprojekt aus CORVUS CORAX hervorgingen – und halten diese in Ehren. So trägt ihr aktuelles Studioalbum den vielsagenden Titel „Era Metallum“ und bietet Neuinterpretationen bisheriger CORVUS-CORAX-Songs.

Konkret ist es eine Auswahl von Stücken aus den aktuelleren Alben „Sverker“ (2011), „Gimlie“ (2013) und „Skál“ (2018), welche die Gruppe in metallischer Form darbietet. Und hierfür engagierte sie tatkräftige Unterstützung, wird die E-Gitarre doch von keinem Geringeren beigesteuert als Sami Yli-Sirniö, seines Zeichens Gitarrist bei Kreator seit 2001. Wie bei den Kollegen aus dem Thrash-Bereich stellt Yli-Sirniö auch hier die Expertise seines Handwerks vollends unter Beweis und veredelt die neu aufgenommenen CORVUS-CORAX-Nummern mit Riffs und hie und da auch Soli, die es in sich haben. So lädt bereits das eröffnende „Gjallarhorni“ (nach dem gleichnamigen Intro), im Original auf „Sverker“ zu finden, zum leidenschaftlichen Headbangen ein – ohne dabei jemals den Sinn für die großartigen Mittelalter-Melodien zu verlieren, welche die Musik von CORVUS CORAX eben im puren Original ausmachen. Es ist beeindruckend, wie organisch die Symbiose aus traditionellem Mittelalter-Sound und für die Band neuartigen Metal-Elementen gelingt. In der Tat klingt „Era Metallum“ so, als hätten CORVUS CORAX nie etwas anderes gemacht als Mittelalter-Metal.

Und wo wir schon beim Schlagwort sind: Nein, etwas in der Art von In Extremo, Saltatio Mortis oder Tanzwut ist von „Era Metallum“ nicht zu erwarten. Dafür bleiben CORVUS CORAX ihrem Stil glücklicherweise zu sehr verschrieben, und dieser schließt eben auch beziehungsweise größtenteils fremdsprachige Songs und eigenwillige Songstrukturen mit ein.

Als würde das eigentliche Album nicht reichen, liegt „Era Metallum“ auch noch eine Bonus-CD bei. Diese umfasst sieben Stücke des Hauptalbums, die nochmal mit zusätzlichen Gastbeiträgen ausgestattet sind. So geben sich etwa Hansi Kürsch von Blind Guardian oder Sabina Classen von Holy Moses die Ehre – Namen, die den Metal-Faktor des Albums zusätzlich erhöhen. Ob es sieben der „Era Metallum“-Songs nun doppelt gebraucht hätte oder man nicht gleich die durch Gastbeiträge aufgewerteten Versionen ins eigentliche Album hätte übernehmen sollen, steht auf einem anderen Blatt. So aber hat man immerhin die Auswahl, welche Version den eigenen Präferenzen entspricht.

Über ein paar Schwächen müssen wir bei „Era Metallum“ dennoch reden. Wie bereits angedeutet, wurde neben gekonnt neu vertontem Liedgut auch eine Untugend des Albums „Sverker“ übernommen, nämlich das vollends überflüssige „Intro Gjallarhorni“, das weder in der originalen noch in der Metal-Version jemand benötigt. Geschenkt. Doch darüber hinaus muss sich das Album die Frage gefallen lassen, was es, vom eigens dafür entstandenen und damit CORVUS CORAX‘ erstem wirklich eigenen Metal-Song „Vikingar“ einmal abgesehen, an Neuem zu bieten hat. Songs wie der große Hit „Sverker“ oder das majestätische, vielschichtige „Ragnarök“ wissen in den Metal-Versionen absolut zu gefallen, begeistern in ihrer ursprünglichen Form aber auch. Ein Fragezeichen hinterlässt zudem die Songauswahl. Gut, man wollte sich offenbar auf die vorgenannten Alben kaprizieren. Dann wäre es aber schlechterdings verpflichtend gewesen, beispielsweise auch den Knaller „Sauf noch ein“ vom „Skál“-Album, eine vergleichsweise geradlinige und spaßige Nummer der Band, in eine Metal-Version umzuwandeln. Auch stellt sich im Kontext der Songauswahl die Frage, ob sich CORVUS CORAX mit der Beschränkung auf Material dieser drei Alben nicht zu sehr eingeschränkt haben. Man stelle sich nur einmal eine Neuinterpretation des wunderschönen Klassikers „Mille Anni Passi Sunt“ vom gleichnamigen Album auf „Era Metallum“ vor und möchte bei der bloßen Vorstellung dahinschmelzen.

Bei einer derart umfangreichen Song- und Albenauswahl, wie CORVUS CORAX sie verzeichnen, ist es jedoch freilich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, alle Wünsche zu erfüllen. Nimmt man „Era Metallum“ als genau das, was es ist, lässt sich das Projekt als vollauf gelungen bezeichnen. Die vorhandenen Songs sind bereits in ihren eigentlichen Fassungen zwar gut genug, sodass man die jeweiligen Metal-Pendants nicht immer präferieren wird, aber bei Bedarf etwas mehr „Wumms“ dahinter schadet ja keineswegs. Idee und Ausführung des Projekts sind jedenfalls interessant, ambitioniert und ansprechend genug, dass eventuell ja ein „Era Metallum II“, oder ähnlich betitelt, folgen könnte. Dieses wäre mehr als willkommen.

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Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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