Review Das Kammerspiel – Der Einkehr später Gast

Entmetallisiert / Ambient, Genreübergreifend „Warum wollte ich diese Promo überhaupt besprechen?“, schießt es mir im Augenblick mal wieder durch den Kopf, während die letzten Augenblicke von „Der Einkehr später Gast“, der zweiten CD von DAS KAMMERSPIEL, in meiner Stereoanlage verhallen. Eine Antwort darauf zu finden ist nicht leicht. Vielleicht, weil ich die Grabnebelfürsten ganz gut finde und dementsprechend mal hören wollte, was Dirk Rehfus, seinerseits unter dem Namen Sturm Deiner Winter/SeelenSchlachten als Sänger bei den bergischen Avantgarde-Schwarzwurzeln aktiv, sonst noch so treibt. Kann’s aber eigentlich auch nicht sein, ich hab‘ zwar die „Von Schemen und Trugbildern“ im Regal stehen, aber das war ein Blindkauf und ich hab ihn bis heute auch zu einem gewissen Grad bereut. Vielleicht war der Grund viel mehr, dass ich durchaus positive Reviews zum Vorgänger (schlicht „Das Kammerspiel“ betitelt) gelesen habe und die Scheibe mich irgendwie reizte, zumal ich in letzter Zeit irgendwie mein Herz für Ambient, Neoklassik und vor Allem auch Nicht-Metal-Musik von Metal-Künstlern entdeckt habe. Als ich dann die Gelegenheit hatte, das Ding für Umme zu kriegen, da griff ich nun mal zu.

Naja… und dann sitzt man halt da mit diesem Zwang im Nacken, da jetzt ein Review drüber verfassen zu müssen. Ich hab’s lange vor mir her geschoben, hab den Langspieler dutzende von Malen rotieren lassen, hab ein ums andere Ohr riskiert in der Hoffnung, doch noch auf was zu stoßen, was sich da irgendwo auf dem kleinen Silberling versteckt, vielleicht irgend was zwischen den Zeilen, aber jetzt muss ich so langsam aber sicher kapitulieren und entweder einsehen, dass ich zu blöd für die Musik von DAS KAMMERSPIEL bin, oder das Ding hier einfach scheiße ist. Im Zweifel wohl für den Angeklagten, also gehen wir doch mal lieber etwas objektiver an die Sache ran und halten unsere doch recht negative Meinung hinter dem Berg.

Auf „Der Einkehr später Gast“ werden dem geneigten Hörer knappe 40 Minuten Musik geboten, aufgespalten in sieben Tracks, allerdings ist diese Unterteilung soweit ich das sehe nur mehr oder weniger eine Komfort-Geschichte, denn prinzipiell macht das Ding eher den Eindruck eines einzigen Songs mit heftiger Überlänge (Edge of Sanity lassen grüßen). Bass und Schlagzeug drehen quasi Dauerrunden, wobei der Tieftöner nicht so viel zu tun hat, das Schlagzeug auch nicht zwingend, es aber trotzdem macht, also teilweise überraschend hektische Patterns auffährt (bei aller Liebe, die extrem irritierenden Percussions der CD sind ein wahrer Graus). Dazu gesellen sich komische Ambient-Einsprengsel, Keyboards, sphärische Klänge und irgend welche ethnischen Elemente, der Stilmix ist ziemlich konfus geraten, macht aber überraschenderweise stets einen ziemlich homogenen Eindruck. Wo Rehfus sich auf dem Erslting aber (Gerüchten zufolge, ich hörte das Ding nicht) quasi komplett abseits metallischer Gefilde austobte, da klingt hier hin und wieder mal etwas an, was ich zwar nicht per se „Metal“ nennen würde, aber… Naja, der Track „Der Einkehr später Gast“ hat schon den einen oder anderen runtergeschrubten Powerchord und sogar so was ähnliches wie Kreischgesang zu bieten. Also noch eine Kelle auf die bereits überquellende Zutatenschüssel.

Worin DAS KAMMERSPIEL jetzt in meinen Augen versagt ist aber nicht die Zusammensetzung des musikalischen Potpourris. Okay, die Percussion ist gräslich, das lässt sich nicht wegdiskutieren, auch ist die Produktion etwas… hm… leise, wenn ich das mal so sagen darf. Egal wie laut man aufdreht, der Sound von „Der Einkehr später Gast“ hat irgendwie etwas verhaltenes, was jetzt nicht unbedingt schlecht ist, aber das Soundbild wirkt halt doch hin und wieder etwas leer. Aber ansonsten hätte da viel Potential drin gesteckt, wenn man eine CD mit so unterschiedlichen Stilmitteln zusammengebastelt hätte. Dummerweise hat Rehfus sich bei den tatsächlichen Kompositionen aber zu wenige Gedanken gemacht und ein planloses Etwas gezaubert, oder viel zu viele Gedanken und dabei ein so verkopftes Ding gebastelt, bei dem auch Vielhörer und eher gebildetere Geister (ich wage jetzt mal zu behaupten, dass ich ganz so doof nicht bin) einfach vorne und hinten nicht durchblicken und das Ganze dann für eben ersteres halten. Was genau passierte, ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass „Der Einkehr später Gast“ mich ganz empfindlich nervt.

Es ist nicht mal unbedingt die Musik, die mich so sehr nervt, die erinnert hin und wieder an eine etwas weniger rockige Variante von dem, was Dornenreich auf „Hexenwind“ gespielt haben, ist ansonsten aber so individuell, wie man nur sein kann. Viel mehr ist es wohl der „künstlerische Anspruch“ des Werkes, der mich so sehr ärgert, die eigene Vermystifizierung, die der Stoff auf der CD aufweist. Die CD ist eine recht intime Sache, das merkt man sofort, Rehfus hat hier vieles niedergeschrieben und zusammengestellt, was ihn wirklich beschäftigt, aber er hat es nicht einfach so unverschnörkelt aufgeschrieben, dass der Hörer die CD durchhören könnte, vielleicht noch mal einen Blick auf die Texte werfen muss und dann sagen kann „So so, aha, so ist das also, fein fein“. „Der Einkehr später Gast“ will erarbeitet werden und ich saß Stunde um Stunde da, hab diese „Werk“ gehört, hab die Texte gelesen, die ersten paar Male gerätselt, was diese Scheibe den ausdrücken will, die so sehr auf ihre Gesamtwirkung hin konstruiert ist, dass man die Musik eigentlich gar nicht als solche bewerten kann, sondern als „Teil des Ganzen“ sehen muss. Und die letzten paar Male saß ich nur noch da mit finsterer Miene und fragte mich „Isses das? Das kann’s doch noch nicht sein, da muss doch mehr dahinter stecken“. Und damit kommen wir wieder zur anfangs gegebenen Antwort.

Entweder ich bin zu doof um die Tragweite dessen zu erfassen, was Rehfus mir hier mitteilen will, oder aber was auch immer der Mann zu sagen hat ist für mich und meine Begriffe (pardon my French) „totally fucking useless“. Seine persönlichen intimen Gedanken und Gefühle in Ehren, aber was er hier so krude zusammendoktort sind Einsichten und Weisheiten, die mir (und wahrscheinlich den meisten anderen Menschen auf diesem Planeten) alle schon längst bekannt waren, die so dermaßen trivial und alltäglich sind, dass man quasi gar nicht umhin kommt sich ein „Sag bloß, Keule, das wusste ich schon“ zu denken. Und nach dem „Genuss“ dieser CD fühle ich mich nicht irgendwie erleuchtet, in dem Sinne, dass diese Einsichten sich durch das eigene Erarbeiten bei mir eingeprägt, gefestigt hätten, ich fühle mich einfach ein Stück weit verarscht, dass ein Musiker mir so einen nichtssagenden Blödfug auf’s Brot schmieren wollte und mich dann auch noch Stunden und Tage meines Lebens beraubt hat, damit ich hinter die glänzende Fassade seiner auf Teufel komm raus auf künstlerisch getrimmten Dichtungen und Kompositionen blicken kann und dahinter sehe ich… Nichts. Nada. Niente. Leeren Raum, Antimaterie, nennt es wie ihr wollt. „Der Einkehr später Gast“ ist für mich ein klassischer Fall von Style over Content, nix wichtiges zu sagen aber es so aussehen lassen, als ob’s die Wucht in Tüten wäre, ganz große Klasse. Damit sind wir aber wieder bei meiner subjektiven Empfindung, die da sagt: Die zweite CD von DAS KAMMERSPIEL ist ziemlicher Scheißdreck. Da ich aber wie gesagt vielleicht auch einfach nur zu dumm dafür bin spare ich mir mal eine definitive Punktwertung.

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert