HAERESIS bedeutet vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt „Ketzerei“. Da ist es nur konsequent, dass auch der Titel des Debütalbums der Berliner Post-Black-Metal-Combo in dieser toten Sprache gehalten ist. „Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.“ Das ist mal ein Statement. Diese Aussage ist jedoch durch die Übersetzung in Musik und Text weit mehr als plumpe Aufmerksamkeitshascherei.
„Si Vis Pacem Para Bellum“ ist mit seinen vier Tracks und etwas über 41 Minuten Spielzeit ein unglaublich intensives Erlebnis. Dafür brauchen HAERESIS keinen langen Anlauf. Der Opener „Echoes Of Ashes“ legt sofort die größten Stärken der Debütanten offen. Nach einem finsteren Ambient-Einstieg werfen die massiven Riffs das Publikum direkt in einen brachialen Strudel aus Aggression und atmosphärischer Melancholie. Die Instrumente treiben den Song unerbittlich voran, während Sängerin Christin keifend den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine anklagt. Als wolle man die Stille zur Konsequenz des Terrors stilisieren, rundet der cineastisch wirkende Klargesang den Song am Ende hervorragend ab.
Was sich mit „I Who Repel All Light“ anschließt, lässt einen das „Post“ im Black Metal getrost vergessen. Position zwei auf „Si Vis Pacem Para Bellum“ präsentiert sich so wütend wie erhaben. Zu Beginn auf Hochgeschwindigkeit getrimmt, walzen HAERESIS extrem melodisch drauflos, sodass sie Genre-Größen in nichts nachstehen. Im weiteren Verlauf reduziert die Formation das Tempo und tauscht schneidende Gitarren gegen Midtempo-Parts und stimmigen, ruhigen Gesang.
Das Riffing von „Drifting Beyond Times Grasp“ erinnert kurz an WIEGEDOOD und zeigt, dass mächtiger, düsterer Black Metal nicht immer nur gängigen Klischees entsprechen muss, sondern auch sehr vielschichtig sein kann. Allgemein ist dieser Track angenehm treibend und überzeugt mit viel Dynamik. Beeindruckend ist, welche dichte Atmosphäre HAERESIS schaffen, selbst wenn sie – wie hier im letzten Drittel – das Tempo auf mittleres Maß drosseln. Die sanften wie tragischen Melodien ziehen sich dabei wie ein dunkelroter Faden durch „Si Vis Pacem Para Bellum“.
Das abschließende „Eradicate Taciturnity“ setzt dem Debütalbum schließlich ein würdiges Ende – wohl im konventionellsten Sinne. Als hätten DRACONIAN mit CHELSEA WOLFE einen Black-Metal-Song aufgenommen, vermischen sich hier schwebende Post-Rock-Klänge mit rasendem Black Metal. Heraus kommt ein Stück zwischen authentischer Wut und großer Erhabenheit.
Man kann es am Ende nur so zusammenfassen: HAERESIS haben mit ihrem ersten Album fast schon ein Referenzwerk geschaffen. „Si Vis Pacem Para Bellum“ deckt das breite Spektrum zwischen Tradition und eigener Note perfekt ab. Daraus entsteht eine Platte, die größten Respekt verdient. Und ja, hier funktioniert auch ein Track-by-Track, selbst wenn das sonst eher unüblich ist, denn Releases dieser Qualität sind in diesem Genre derweil eher selten. Chapeau.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Wertung: 9 / 10

