Review Klabautamann – Merkur

  • Label: Zeitgeister
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Was noch vor ein paar Jahren undenkbar schien, als das Genre weltweit noch Rockzipfel der Skandinavier hing, ist heute endlich Realität: Die der deutsche Black-Metal-Szene hat zur Eigenständigkeit gefunden. Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil die Skandinavier in diesem Genre bis Dato eigentlich ungeschlagen waren, hat sich hierzulande eine Szene entwickelt, die sich nicht nur soweit von den traditionellen Wurzeln emanzipiert hat, dass man dadurch leidigen Vergleichen zu entrinnen vermochte, sondern beinahe schon so weit, dass sich die Frage stellt, ob man das Ergebnis überhaupt noch als Black Metal bezeichnen muss, kann, soll oder darf, und was Black Metal im Allgemeinen eigentlich ist.

Dass das szenetypische Corpsepaint bei vielen längst abgelegt ist, ist nur ein kleines, aber nicht gänzlich unwichtiges Indiz, war dies doch über viel Jahre hinweg die offensichtlichste Abgrenzung des Black Metal von anderen Genres. Doch nicht nur optisch, vor allem inhaltlich hat sich einiges gewandelt: Hört man aus Norwegen auch 2009 noch größtenteils antichristliche Texte mit dem Tiefgang einer Luftmatratze, werden hierzulande gänzlich andere Ansprüche an die oftmals auch in deutsch verfassten Texte gestellt. Vielschichtig, mehrdeutig und in schöne Spache verpackt wird hier, man kann es kaum anders sagen: philosophiert. Auch musikalisch hat sich einiges getan und so ergibt sich alles in allem eine einzigartige und extrem authentische Mischung.

In diese Kerbe schlägt auch das mittlerweile dritte Album in der bereits zehnjährigen Geschichte von KLABAUTAMANN. Wurde das Duo aus Nordrhein-Westphalen jahrelang als Geheimtipp für Liebhaber extravaganten deutschen Black Metals gehandelt, steckt in „Merkur“ mehr als nur das Potential, die Band aus dieser Niesche ins verdiente Licht zu rücken und so einer etwas breiteren „Masse“ nahezubringen – ist das Album doch ein in sich geschlossenes Kunstwerk, wie man es schon lange nicht mehr in Händen hielt.

Fangen wir beim ersten Eindruck an, dem optischen. Sollte nicht noch etwas Weltbewegendes kommen, ist das Artwork aus der Feder des Illustratoren Jan Buckard definitiv das Artwork des Jahres: Mystisch, geheimnisvoll und für ein Black-Metal-Artwork auf eine Art auch modern. Wenn dieses Wort auf das Gemälde nicht richtig passen will, hat man es doch mit Kunst zu tun, nicht mit einem pseudomodernen Stück Design, wie dies nur all zu oft der Fall ist.

Und wie so oft kann man aus dem Artwork auch hier schon einiges über das Album herauslesen – denn wer halbgare Musik veröffentlicht, macht sich nicht die Mühe, sie so stimmig zu verpacken. „Merkur“ bestätigt diese These zu 100 Prozent: Knapp 50 Minuten lang ist der Nachfolger von „Der Ort“ geworden, von welchem es sich in mehreren Punkten deutlich unterscheidet. Zum einen ist da der Sound, den (hinsichtlich des Masterings) Tom Kvalsvoll verantwortet, welcher bereits mit Genregrößen wie 1349, Keep Of Kalessin, Arcturus oder Emperor gearbeitet hat. Die Leistung besteht darin, dass der Sound weich und voll klingt, dabei aber den nötigen Biss nicht vermissen lässt. So klingt „Merkur“ um einiges düsterer und dichter als noch der Vorgänger. Zum anderen hat man sich von den sehr naturmystisch behafteten Akustik-Gitarren-Arrangements der ersten beiden Alben etwas befreit und sowohl textlich als auch musikalisch mehr Raum für Abwechslungsreichtum gelassen.

So ist man auch musikalisch nicht als stehen geblieben: Zwar hört man zu jeder Zeit den typischen KLABAUTAMANN-Stil heraus, sei es nun am Gesang oder an den charakteristischen Cleanteilen, hat das Album dennoch unzählige Momente, die von Innovation strotzen und gänzlich unbeirrt Genregrenzen einreißen. Ob nun die progressiven Zwischenspiele in „Unter Bäumen“ und dem Titeltrack „Merkur“ oder aber der mehr als gelungene Cleangesang in „Der Wald ist ein Meer“ – stets versteht man es, diese Elemente so mit dem Grundgerüst verschmelzen zu lassen, dass am Ende ein kohärentes Gesantbild entsteht, so dass das Album leichter zugänglich ist als das teilweise doch etwas sperrige „Der Ort“. Dass der Sänger der nicht minder genialen Valborg, Christian Kolf, bei zwei Liedern („Der Wald ist ein Meer“ und „Noatun“) noch einige Strophen beisteuert, könnte man, ob der Einzigartigkeit seiner Stimme, als das i-Tüpfelchen bei diesem genialen Werk ansehen.

Mit ihrem dritten Album schaffen es KLABAUTAMANN, über knappe 50 Minuten zu begeistern, zu fesseln und dabei immer wieder auch zu überraschen: „Merkur“ ist eine in jeder Hinsicht gelungene Scheibe – vom Artwork bis zum letzten Ton stimmt hier so ziemlich alles. Eigenständiger, anspruchsvoller Black Metal, der zwar durchaus progressiv ist, dies aber dem Hörer nicht mit dem sprichwörtlichen Holzhammer einbläut, sondern ihm viel mehr die Gelegenheit gibt, dies selbst herauszufinden und zu erfahren. Warum diese Band nach über zehn Jahren immernoch zu den Geheimtipps der Szene zählt, während andere Bands bereits für ihre mittelmäßigen Debüt-Werke abgefeiert werden, will sich mir nicht erschließen – man kann nur hoffen, dass sich das mit „Merkur“ nun endlich ein für allemal ändern wird.

Wertung: 9 / 10

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