Review Kultist – Aurora

Wer in den letzten Jahren in München Shows von Oathbreaker, Celeste oder Der Weg einer Freiheit besuchte, könnte auch kvltyst begegnet sein, die unter anderem diese Bands supporten durften. 2014 veröffentlichte die Formation, der auch King-Apathy-Gitarrist (ehemals Thränenkind) Flo angehört, ihre erste EP mit dem Namen „Zweifel“ – ganz stilecht auf Kassette. Vier Jahre später und nach vergeblicher Labelsuche, entschied sich die Band nun dazu, ihr Debütalbum „Aurora“ in Eigenregie auf den Markt zu bringen. Nicht nur vollzog die Band in der Zwischenzeit einen kleinen Imagewechsel, indem sie ihren Namen zum normal geschriebenen KULTIST änderten. Auch das stilvolle Blumen-Albumcover hat nur noch wenig mit dem schwarz-weiß-gezeichneten Cover ihrer EP zu tun.

Dass sich diese Stilanpassung möglicherweise auch in der Musik manifestieren würde, deutete sich in der Optik also bereits an. Tatsächlich hat „Aurora“ nur noch stellenweise mit jener rauhen Mischung aus Crust, Black Metal und Sludge zu tun, die sie damals auf „Zweifel“ präsentierten. Bereits das Intro „In Sphären“ erinnert mit seinen sanften, verhallten Tremolo-Gitarren eher an Post-Rock-Bands wie Mono. „Pulsar“ macht dann deutlich, wohin die Reise gehen soll. Über zehn Minuten hinweg verarbeiten KULTIST ein wundervoll melancholisches, aber gleichzeitig auch hoffnungsvolles Hauptthema, indem sie es in wechselnden Dynamikstufen durch verschiedene Arrangements hindurch variieren.

Ganz haben die Münchner die düstere Komponente zwar nicht aufgegeben. Etwa im Titeltrack, vor allem aber im abschließenden „Supernova“ kehren die Musiker zu bedrückenderen Klängen zurück. Wesentlich häufiger aber gesellt sich die Musik auf „Aurora“ zum sphärischen, harmonischen Post-(Black-)Metal musikalischer Vorbilder wie Deafheaven, Alcest oder Heaven In Her Arms. Einen zusätzlichen Vorteil verschaffen sich KULTIST durch den Einsatz von drei Gitarren: Häufig erlaubt es ihnen, zweistimme Parts von einer rhythmischen Komponente aus der Saitenfraktion begleiten zu lassen, oder sogar abgefahrenere Kompositionen zu kreieren, bei denen sich die drei Gitarren gegenseitig umspielen.

Dass letztlich dann aber doch noch ein gewisser Abstand in Sachen Professionalität zu jenen Vorbildern besteht, macht sich – neben dem manchmal noch etwas planlosen Songwriting mit wenig passenden Übergängen – vor allem in der Produktion des Albums bemerkbar. Trotz eines schön präsenten Basses klingt alles arg kraftlos abgemischt, vor allem das Schlagzeug leidet sehr unter einem ungleichmäßigen Mix: Der Bassdrum, vor allem aber der dünnen Snare fehlt die Durchschlagskraft. Die Becken dagegen schwanken untereinander enorm in der Lautstärke. Dass die Instrumente stellenweise auch etwas holprig eingespielt sind und dadurch ein wenig auseinanderschwimmen, untermauert jenen Eindruck, dass KULTIST bei ihrer Vorgehensweise durchaus noch Luft nach oben haben.

Ein weiteres Manko, das aber sicherlich auch in die Kategorie „Geschmacksfrage“ fällt, ist Fronter Felix‘ Gesang. Wahrscheinlich im Versuch, die hohen, oft verzweifelten Screams jener Vorbilder zu erreichen, schreit – oder besser gesagt: presst – er mit aller Kraft ein unkontrolliert monoton-nerviges Heulen heraus. Mit Emotionen hat das nur noch wenig, mit tatsächlicher Gesangstechnik hingegen wirklich gar nichts mehr zu tun. Ob das wirklich genau der Wunschgesang der Band ist, darüber kann nur spekuliert werden. Wenn Felix sich eine saubere Gesangstechnik aneignen oder den Job an einen geübten Sänger abtreten würde, könnte der Sound der Band sehr davon profitieren.

Mit den Größen ihres Genres können KULTIST auf ihrem Debüt „Aurora“ ganz klar noch nicht mithalten. An zu vielen Stellen steckt die Musik und deren Ausführung noch in den Kinderschuhen. Klar ist aber auch, dass man es hier mit einer unterstützenswerten Band zu tun hat, deren überdurchschnittlicher Post-Black-Metal sich qualitativ von der unüberschaubaren Masse an Schrott-Veröffentlichungen und unsäglichen Ein-Mann-Youtube-Projekten abhebt. Wenn KULTIST nächstes Mal mit etwas mehr Sorgfalt (und vielleicht auch einem größeren Budget) an die Produktion herangehen und noch bestehende Songwritingschwächen ausbügeln, vielleicht sogar noch weiter zu ihrem eigenen Sound finden, dann kann die Formation in Zukunft durchaus noch Einiges erreichen. Talent und Gespür für ihr Genre haben die Musiker auf jeden Fall.

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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