Review Nachtgeschrei – Am Rande der Welt

Eines mussten ihnen selbst die größten Kritiker ihres Debüts „Hoffnungsschimmer“ (mich eingeschlossen) lassen: Nachtgeschrei gingen 2008 unbeirrt der polarisierenden Reaktionen auf ihr Erstlingswerk weiter ihren Weg. Und nur ein Jahr später erblickte mit „Am Rande der Welt“ bereits der zweite Silberling der Frankfurter MA-Metaler das Licht der Welt. Und siehe da, es geht doch.

Sind das etwas lange Instrumentalintro „Fiur“ und das vom Titel her seltsam anmutende „Muspilli“ (wer denkt noch an schokoladenhaltigen Brotaufstrich?) mehr eine nette Ein- bzw. Hinleitung zu Nachtgeschrei und ihrem Stilmix aus E-Gitarren, Sackpfeifen und Akkorden/Drehleier, so offenbaren das unglaublich intensive „Herz aus Stein“, das sehnsüchtige „Fernweh“ und das feierwütige „Niob“ ungeahnte Qualitäten der vergleichsweise jungen Formation. Stilistisch schwimmen die Newcomer dabei im Fahrwasser von Szenegrößen wie In Extremo und allen voran Saltatio Mortis, doch besonders durch den merklich verbesserten Gesang von Hotti drücken Nachtgeschrei dem Mittelaltermetal ihren eigenen Stempel auf. Eine Kunst, wie sie besonders in den ersten Jahren nur wenigen neuen Bands gelingt – und wie es die Folkmetaler selbst erst im zweiten Anlauf schafften.

Selbst textlich entpuppen sich die Hessen als eine echte Überraschung: „Nur ein kleines Stück vom Himmel“ ist als Gesamtpaket ein kleines Meisterwerk. Eingängig einfach arrangiert liegt der Fokus hier weniger auf treibenden Riffs und Rhythmen, sondern auf der eindringlichen Textbotschaft des kleinen Glücks.
Leider schaffen es Nachtgeschrei nicht ganz, den Schwung des sehr guten Mittelteils bis zum Ende hin mitzunehmen. Bei „Wahrheit“ und „Der Totmacher“ wirkt es so, als ob ihnen der (Folk-)Wind unter den (Metal-)Flügeln etwas abhandenkam und auch „Glut in euren Augen“ ist als Albenabschluss beileibe kein Meisterwerk, sondern bestenfalls zweckmäßig als ruhiges Ende mit einem gewissen Pathos in Stimme/Text.

Dennoch schaffen es Nachtgeschrei mit „Am Rande der Welt“ durch starke Kompositionen, einen um Lichtjahre verbesserten Frontmann mit weiterem Potential nach oben und drei bis vier absoluten Ausnahmesongs ein erstes Ausrufezeichen in ihrer Vita zu setzen. Das übrige Füllmaterial sieht man der Kombo dabei nach, zumal das Gesamtpaket im Vergleich zu „Hoffnungsschimmer“ immer noch ganz neue Sphären offenbart und Lust auf weitere Alben macht.

Wertung: 8 / 10

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