Review The Hirsch Effekt – Holon:Hiberno

Alles begann mit einer Enttäuschung. Im kleinen und feinen Frankfurter Elfer wollten sich Anfang des Jahres Dioramic die Ehre geben. Unterstützt wurden sie dabei von den Lokalmatadoren von Like Chasing Ghosts und von THE HIRSCH EFFEKT. Die Show war gut besucht, der Auftritt von Dioramic erfüllt jedoch ganz und gar nicht meine Erwartungen, so dass ich nach der Hälfte ihres Sets (irritiert vom arroganten Auftreten der Herrschaften) das Weite suchte – mit dem Gefühl einen wunderbaren Abend erlebt zu haben.
Schuld daran war das Hannoveraner Trio THE HIRSCH EFFEKT. Die Stücke auf Myspace verrieten schon einen wilden und ausgefallenen Stilmix, was dann allerdings im Laufe des Abends an Intensität, spielerischem Können und Charisma versprüht wurde, habe ich in diesem Ausmaß bisher nur ganz selten auf Konzerten erlebt. Dass ich dann direkt das hier besprochene neue Album „Holon:Hiberno“ abgegriffen habe, verwundert nicht weiter…

Die Musik von THE HIRSCH EFFEKT ist eine bunte Mischung aus Screamo, Indie und Elektro. Dabei agieren die drei Herren völlig verrückt und abgedreht. So abgedreht, das sie sich selbst sogar als Metalband bezeichnen. Tiefsinnige, intelligente und mal verträumte mal politische deutsche Texte werden völlig ruhig in Singer/Songwriter-Manier, dann wieder mit wilden Screams vorgetragen. Das Ganze wechselt meist absolut abrupt und auf spielerisch höchstem Niveau. Gehetzte Läufe, wilde Breaks, Blastbeat, Dissonanz und große Emotionen sind das Wechselbad in welches uns THE HIRSCH EFFEKT mit „Holon:Hiberno“ katapultieren. Zusätzlich sorgen viel elektronische Einsprengsel nicht nur in den Stücken sondern auch als Zwischenteile für noch mehr Abwechslung. Ebenso wie der großzügige Einsatz von Gitarren- und Bass-Effekten, die übrigens auch live so zum Einsatz kommen… ganz großes Kino!

Zugegeben das Album braucht ein paar Durchläufe um zu zünden. Zu abgefahren ist teilweise das Material. Trotzdem finden sich auf „Holon:Hiberno“ mit bspw. „Zoetrop“ auch Stücke die schon beim ersten hören live bestens funktioniert haben. Erstaunlich eigentlich, denn während ich diese Zeilen schreibe und das Lied in den letzten Wochen und Monaten schon unzählige Male gehört habe, bin ich begeistert wie beim ersten Mal (das in diesem Fall nicht mal weh tat).

Einziger Kritikpunkt könnte der Gesang von Nils Wittrock sein. Zugegeben, ich störe mich nicht daran – hatte aber das Glück ihn das erste Mal auf der Bühne zu hören und habe deshalb beim Hören ein Bild von den Jungs die hinter der Musik stehen im Kopf. Beim begeisterten Vorspielen als Nachwirkung des Konzertes durfte ich mich allerdings auch mit Adjektiven wie „schrill“ und „dünn“ auseinandersetzten. Beim etwas distanzierten Hören muss ich zugeben, dass dies teilweise nicht mal ungerechtfertigt ist. Genauso könnte man aber auch sagen, die ungewöhnliche Stimme von Nils passt sich der außergewöhnlichen Musik der Hirsche an – letztendlich wird es Geschmackssache bleiben, ob man sich daran stört.

Jedem Freund abgedrehter und tiefsinniger Musik kann ich „Holon:Hiberno“ nur wärmstens ans Herz legen. Wer anspruchsvolle und technische Musik liebt, wird an THE HIRSCH EFFEKT nicht vorbei kommen. Midsummer Records halten hier einen liebevoll gestalteten und musikalisch begeisternden Anwärter auf mein Album des Jahres bereit. Abwechslungsreicher und mutiger geht es kaum und besser auch nicht: Kaufen!

Wertung: 9.5 / 10

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