Interview mit Dávid Makó von The Devil’s Trade

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Mit ihrem neuen Album „Nincs Szennyezetlen Szép“ sind THE DEVIL’S TRADE nicht nur endgültig im Post-(Sludge-)Metal angekommen, sondern legen vielmehr ein Meisterwerk dieses Genres vor. Wie es zu diesem schrittweisen Stilwechsel kam, welche Geschichte über Leben und Tod hinter dem Album steht und wieso er sich mitunter zu Unrecht als „dunkle Seele“ etikettiert sieht, verrät Mastermind Dávid Makó im Interview.

Lange Zeit galt THE DEVIL’S TRADE als „dieses düstere Ein-Mann-Projekt mit dem Banjo“ – mit dem letzten Album hat sich das geändert. Was hat dich zu diesem Schritt gebracht?
Ich habe nie versucht, etwas anderes zu erschaffen als das, was ganz natürlich aus mir herauskommt. Und so wie ich mich Jahr für Jahr verändert habe, hat sich auch meine Musik verändert. Die meisten Songs auf „What Happened To The Little Blind Crow“ sind mit dem Gedanken entstanden, dass es, wenn ich gewollt hätte, auch Drums, Synthesizer und noch mehr verzerrte Gitarren hätte geben können – das Ziel war damals aber, nur so viel auf die Platte zu packen, wie ich alleine live spielen kann. 2022 kam ich dann an einen Punkt, an dem ich mich mit diesem Ansatz nicht mehr ausdrücken konnte. In dem Jahr durfte ich drei Konzerte auf dem ROADBURN spielen. Ich betrachte diesen Höhepunkt zugleich als das Ende der Ein‑Mann‑Band‑Ära.

Der stilistische Wandel – vor allem mit Blick auf das neue Album – ist so drastisch, dass nicht garantiert ist, dass Fans der frühen Platten dich auf dieser Reise mitnehmen. Hast du je darüber nachgedacht, die schwerere Gitarrenmusik unter einem anderen Namen zu veröffentlichen?
Es mag drastisch wirken für diejenigen, die mein vorheriges Album „Vidékek Vannak Idebenn“ nicht gehört haben. Das war ebenfalls ein natürlicher Schritt nach „The Call Of The Iron Peak“. Wenn ich mich darauf konzentriert hätte, was strategisch garantiert gut gewesen wäre, hätte ich mir wohl eine Maske aufsetzen und eine Art heidnisch‑tribalen Neofolk machen müssen, oder irgendwelche generische Stoner‑Musik. Realistisch gesehen hören so wenige Menschen das, was ich mache, oder verfolgen es, dass die Menge derer, die ich mit dem neuen Album verlieren könnte, ungefähr der Menge an Fans entspricht, die dadurch dazukommen könnte. Solche Aspekte im Hinterkopf zu behalten, wenn ich ein Album schreibe, ist jedoch komplett konträr zu der Art, wie ich mich mit Musik auseinandersetze.

THE DEVIL’S TRADE live (2019)

Auf deinen letzten Alben kam das Banjo jedenfalls nicht mehr vor – hast du es endgültig weggelegt?
Ich muss das klarstellen: Eine Zeit lang habe ich meine Konzerte damit eröffnet, dass ich durch den Korpus des Banjos gesungen habe. Im restlichen 45‑Minuten‑Set gab es aber nur einen weiteren Song auf dem Banjo! Um die Frage zu beantworten: Ich trete weiterhin solo auf, wenn ich entsprechend eingeladen werde. Dieses Jahr hatte ich zwei Touren, die ich leider solo machen musste. Wenn ich kann, nehme ich das Banjo aber nicht mehr mit. Heutzutage spielt mein zweijähriger Sohn öfter darauf als ich.

Fokussierst du dich live jetzt ausschließlich auf Songs der letzten beiden Alben, oder arbeitest du alte Stücke auf die volle Bandbesetzung um?
Das hängt meistens davon ab, ob ich solo oder mit Band spiele. Solo gehe ich normalerweise bis „The Iron Peak“ zurück. Mit der Band haben wir letztes Jahr noch Songs von „What Happened To The Little Blind Crow“ gespielt, aber inzwischen spielen wir nur noch Stücke von „Vidékek Vannak Idebenn“ und dem neuen Album.

Musikalisch ist die neue Platte für mich ein großer Schritt nach vorn. In meiner Rezension habe ich geschrieben: „War „Vidékek Vannak Idebenn“ noch unüberhörbar eine Vision in Transition, wirken THE DEVIL’S TRADE nun angekommen.“ Würdest du zustimmen?
Ja, im Moment fühle ich mich in dem, was ich geschaffen habe, zu Hause. Wir werden sehen, wo ich in zwei Jahren bin.

Ich finde, die Songs sind vielschichtiger als auf dem letzten Album, aber auch kraftvoller. Was hat dich diesmal inspiriert – oder inwiefern fühlte sich der Songwriting‑Prozess anders an als beim Vorgänger?
Jeder Song auf dem neuen Album verarbeitet einen zweiwöchigen Zeitraum und die längerfristigen Auswirkungen dieser Zeit. Die Geschichte – und das Album – beginnt damit, dass ich miterleben musste, wie meine Mutter nach einer zehnjährigen Krankheit gestorben ist, und zwei Wochen später wurde mein Sohn geboren. Ich werde diese Zeit wahrscheinlich nie vollständig verarbeiten, aber diese Songs helfen mir sehr dabei. Vor allem, wenn ich sie live spielen kann. Der Songwriting‑Zeitraum war technisch nicht anders als zuvor, aber emotional viel intensiver. Es gab mehr Zweifel und Kämpfe, und zeitweise war die Option, ganz aufzugeben, Teil davon.

Du hast wieder alles selbst aufgenommen – außer den Drums –, obwohl das Album wie eine volle Band klingt. Warum arbeitest du sowohl beim Schreiben als auch beim Recording lieber alleine?
Wenn ich könnte, würde ich auch die Drums selbst schreiben und aufnehmen, aber ich kann nicht Schlagzeugspielen. Zum Glück kann ich mir niemanden besseren und keinen besseren Drummer als Gáspár vorstellen. Ich arbeite alleine, weil das hier strikt und vollständig ein Abbild meiner Welt ist. Gáspár hilft mir perfekt mit seiner Welt, aber darüber hinaus ist für andere kein Platz. Allerdings arbeite ich nicht völlig allein: Der Toningenieur, der die Aufnahmen geleitet hat, Szabolcs Szűcs, ist auch ein sehr guter Freund von mir. Bei diesem Album war Márton Szabó der Produzent. Er ist mein engster Freund und spielt in der Band den Bass‑Synthesizer und kümmert sich auch um die anderen Layer.

THE DEVIL'S TRADE live auf dem Brutal Assault 2022
THE DEVIL’S TRADE live auf dem Brutal Assault 2022

Der Albumtitel „Nincs Szennyezetlen Szép“ bedeutet „Es gibt keine unbefleckte Schönheit“. Ist das als Konzept für die Platte gemeint, oder was bedeutet diese Aussage dir persönlich?
Ja, auch wenn es eine extreme Aussage ist, glaube ich, dass alles, was verdorben, herabgewürdigt und entwertet werden konnte, auch verdorben, herabgewürdigt und entwertet wurde. Es ist furchtbar schwer, einen Moment, einen Raum oder ein Material zu finden, das das System, oder diejenigen, die es betreiben, nicht in irgendeiner Weise angefault haben. Man kann für Momente frische Luft und Stille finden, aber das ist sehr schwer zu schützen. Dennoch gibt es im Titelsong des Albums unbefleckte Schönheit. Diese Zeilen singe ich meinem Sohn. Er ist pures Leuchten. Es ist die wichtigste Aufgabe von Eltern, diese Reinheit so lange wie möglich zu bewahren und zu stärken.

Für Westeuropäer ist dieser Titel ganz schön sperrig. Warum war es dir wichtig, ihn trotz mangelnder Eingängigkeit in deiner Muttersprache zu belassen?
Was das angeht, messe ich Eingängigkeit keinen Wert bei. Außerdem ist dieser Song der wichtigste auf dem Album.

Umso überraschender, dass der zweite Song der Platte einen deutschen Titel hat – „Weltschmerz“. Angesichts des Zustands der Welt ist das Gefühl leicht nachzuvollziehen, aber was hat dich an genau diesem deutschen Wort fasziniert?
Leider weiß ich nicht mehr, wo ich auf das Wort gestoßen bin, aber ich war von seiner Vielschichtigkeit fasziniert und davon, dass es praktisch unmöglich ist, es so zu übersetzen, dass die Übersetzung alles ausdrückt, was es ursprünglich bedeutet. Ich bewundere Menschen, die ihr Leben nicht in diesem Zustand leben – und zugleich fürchte ich mich vor solchen Leuten.

THE DEVIL'S TRADE live auf dem Brutal Assault 2022
THE DEVIL’S TRADE live auf dem Brutal Assault 2022

Ist es eher das große Ganze, oder sind es die kleinen, persönlichen Erfahrungen, die deine Vision für THE DEVIL’S TRADE prägen?
Ich habe den Großteil meines Lebens in einer sehr dunklen Blase verbracht. In dieser Blase wurde alles von meinen eigenen Traumata und dem Leid anderer Menschen geformt. Dann, mit der Zeit und je dünner die Wände der Blase wurden, legte sich die Hoffnungslosigkeit der Außenwelt über meine Innenwelt. Heute sind diese beiden Dinge untrennbar. Aber lass mich das klarstellen, da ich oft als „dunkle Seele“ etikettiert werde – und das stimmt nicht ganz. Trotz all dieser Traurigkeit in mir lache ich viel, und unter den richtigen Umständen bin ich ein glücklicher Mensch.

Der Sound des neuen Albums ist beeindruckend – kannst du die Schlüsselfaktoren nennen, die ihn möglich gemacht haben, sowohl technisch als auch personell?
Wie gesagt, der Engineer war wieder Szabolcs Szűcs, eine legendäre Figur im ungarischen Underground und ein genialer Toningenieur. Er ist jemand, der meine musikalische Vision versteht und nicht versucht, seine eigene Welt über meine zu stülpen. Außerdem ist er einer der lustigsten Menschen, die ich kenne – und es ist sehr wichtig, bei etwas so Herzzerreißendem so viel wie möglich zu lachen. Márton Szabó war als Produzent der klare Kopf und die klaren Ohren sowie mein musikalisches Gewissen. Ein wirklich ehrlicher Mensch, der über Musik weit mehr weiß als ich. Das Tüpfelchen auf dem i war mein Freund, der wohl keiner Vorstellung bedarf: Nikita Kampard (DER WEG EINER FREIHEIT), ebenfalls ein Genie, der das Mastering übernommen hat. Das Ziel war wie immer, den echten Sound der Instrumenten‑Amps einzufangen und ihn in Richtung einer noch lebendigeren Klanglandschaft zu rücken. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Das Einzige, was ich persönlich – zumindest ohne die Geschichte dazu zu kennen – an dem Album etwas unspektakulär finde, ist das Cover. Warum war dieses Foto das perfekte Artwork für diese Platte?
Das Bild, das man auf den Streaming‑Plattformen sieht, ist nur die Hälfte des ganzen Fotos. Meine Frau hat alle Fotos für das Booklet und das „Weltschmerz“‑Video gemacht. Alle diese Orte liegen in unserer Gegend, und ich finde, diese Aufnahmen sind atemberaubend schön und unterstützen die Stimmung des Albums perfekt.

Was sind die Tourpläne – wann sehen wir dich wieder im deutschsprachigen Raum, und in welcher Besetzung finden die nächsten Shows statt?
Im Moment bin ich nicht allzu optimistisch, was meine Zukunft angeht. Touren zu buchen, war für mich noch nie so schwer. Ich kann nur hoffen.

Zum Abschluss edes Interviews noch ein kurzes Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen ein:
NEUROSIS: Die wichtigste Heavy‑Band meines Lebens – und eines der tragischsten Enden.
Black Metal: Ich liebe ihn, solange er nicht nazistisch ist.
Pelagic: Hoffnung.
Klimawandel: Die Zukunft meines Sohnes.
Roadburn: Dankbarkeit dafür, dass ich einmal Teil davon sein durfte.
Wald: Frieden.
THE DEVIL’S TRADE in zehn Jahren: Ich fürchte, in zehn Jahren wird diese Frage einfach keine Rolle mehr spielen.

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