Konzertbericht: Dinosaur Jr. w/ Wild Style Lion

03.07.2013 München, Theaterfabrik

dinosaur jr.

Seit knapp acht Jahren stehen die beiden Streithähne J Mascis und Lou Barlow wieder gemeinsam auf der Bühne. Im ersten Anlauf dauerte es nur fünf Jahre bis der schwierige Charakter J Mascis seinen Bassisten aus der Band warf. Doch die Alben seit der überraschenden Wiedervereinigung zeigen, dass die besten DINOSAUR-JR-Scheiben eben beide Musiker brauchen. „I Bet On Sky“ ist die Dritte und Stärkste im neuen alten Lineup. Neun Monate nach dessen Release touren die Alternative-Rock-Veteranen, die nächstes Jahr ihr 30-jähriges Bandjubiläum feiern, immer noch durch die Welt. Heute Abend geht es zum Münchener Ostbahnhof, in die Theaterfabrik.

Wer als Vorband den Abend eröffnet, war vorher nicht herauszufinden. Die drei schlicht gekleideten Männer mittleren Alters stellen sich mit dem Namen WILD STYLE LION vor und freuen sich darüber, mit der Band das zweite Mal überhaupt auf der Bühne zu stehen. Was folgt ist ein halbstündiges Set elektronisch angehauchten Indie-Rocks mit einer Joy-Division-Schlagseite.
Ganz nett, passt aber nicht wirklich zum Abend. Der Sänger (ich kann auch im Nachhinein keine Namen herausfinden) tanzt andauernd lasziv aber leider völlig ungelenk um seinen Mikrofonständer und knutscht ihn dabei beinahe ab. Gesanglich ist die Performance des Frontmanns, der optisch stark an Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan erinnert, aber voll in Ordnung. Die von einem Drumcomputer unterstützten, monotonen Songs plätschern trotzdem nichtssagend dahin und ziehen wirkungslos vorbei. Deswegen sitzt auch der Großteil der Besucher lieber draußen vor der Tür, um noch ein oder zwei Bier in der Sonne zu genießen.DinoPress20121_med

Kurz bevor DINOSAUR JR. dann beginnen, treibt es das bunt gemischte, fast schon generationenübergreifende Publikum in die Halle. Ohne seine dicke Hornbrille muss J. Mascis beinahe blind sein. Am vorderen Bühnenrand liegt deswegen eine gigantische zwei Meter lange, mit zentimeterhohen Buchstaben vollgekritzelte Setlist. Mit gedankenverlorenem Gesichtsausdruck schleift er wortlos auf die Bühne und nimmt seine Gitarre in die Hand. Hinter ihm und Lou Barlow stehen zwei riesige Verstärkerwände aufgebaut. Die Regler sind bis zum Anschlag aufgedreht. Die nächsten knapp 80 Minuten ohne Hörschutz zu verbringen, geht schon fast an die Schmerzgrenze.

Trotzdem schaffen es die Soundmänner, dass Mascis‘ Trauerstimme immer hörbar ist. So verträumt und drollig er aussehen mag – was J. Mascis aus seiner Gitarre rausholt ist der pure Wahnsinn. Mithilfe einer unüberschaubaren Menge an Pedalen und Effekten zaubert er mit seinem von Gebrauchsspuren gezeichneten Instrument einen Cocktail aus brutalem Läibetonsky.textoptions2rm und sanften Melodien. Jede Sekunde der Soli, in denen er seine Gitarre zum Weinen bringt, ist für einen Gänsehautmoment gut. Die Wegbereiter des Grunge vereinen die Leichtigkeit des College-Rock mit purem Krach.

Alle Lieder werden vom Publikum begeistern aufgenommenn. Seien es Hits wie „Watch The Corners“ vom aktuellen Album, der 90er-Jahre-Hymne „Feel The Pain“ oder alten Klassikern wie „Freak Scene“. Die Menschen hüpfen, tanzen, jubeln und singen mit, auch wenn davon wegen der perversen Lautstärke nichts zu hören ist. Sogar einen wütenden Hardcore-Song auf ganz frühen Deep-Wound-Zeiten prügeln DINSOSAUR JR. kompromisslos runter. Dabei übernimmt der Wuschelkopf Lou Barlow den Gesang, aus dem im Gegensatz zum stoischen Mascis die Energie förmlich sprüht, während er seinen knirschenden Bass bearbeitet. Die Intensität ist zu jedem Augenblick greifbar. Zu Schade, dass der Abend mit dem obligatorischen The-Cure-Cover „Just Like Heaven“ sein Ende nimmt.

FAZIT: Die Musik der Band aus Massachusetts mag zwar mit dem letzten Album etwas ruhiger geworden sein, Altersmilde ist der Truppe dennoch genauso fremd, wie jegliche Nähe zum Mainstream. DINSOSAUR JR. zeigen all ihre Erfahrung und Klasse auf der Bühne und schicken ihre Fans mit einem dumpfen Dröhnen, dem Gehörsturz nahe, aber dennoch überglücklich in den Abend. Hoffentlich stirbt der Dinosaurier noch lange nicht aus.

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Publiziert am von Michael

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