Konzertbericht: Wintersun „By Request“ w/ Darkest Horizon, Abinchova

24.08.2018 München, Backstage (Halle)

Nach einer kleinen, erfolgreichen „By Request“-Tour in Finnland im April, beschlossen WINTERSUN, das gleiche noch mal in ausgewählten anderen Städten zu machen. Die Idee: Die Fans wählen im Vorfeld in einem Onlinevoting auf Facebook die zehn Songs, die sie an dem Abend hören möchten. Neben Bochum und Aschaffenburg wurde München als eine der deutschen Tourstopps ausgewählt. Im Vorfeld kündigte die Band an, neben ihrem festen Toursupport, der deutschen Melodic-Death-Metal-Formation DARKEST HORIZON, in jeder Stadt einer lokalen Band die Möglichkeit geben zu wollen, den Abend zu eröffnen. Beworben hatten sich daraufhin einige Bands aus München. Ausgewählt wurden aber schließlich die aufstrebenden, nicht mehr wirklich unbekannten Folk-Melodeather ABINCHOVA aus der Schweiz, was den ursprünglichen Gedanken der Lokalszenenförderung dann doch wieder irgendwie ad absurdum führt.

Mag die Entscheidung hinsichtlich der eigentlichen Intention WINTERSUNs frag- und kritikwürdig erscheinen, wird jedoch sogleich immerhin die qualitative Begründung dieser Wahl klar: ABINCHOVA beherrschen ihr Handwerk bestens. Die topfitten Musiker setzen mit ihrer glücklicherweise die üblichen Folk-Klischees elegant umschiffenden Mischung aus Folk und Melodic Death Metal einen gelungenen Startschuss für den Abend. Besonders positiv stechen dabei der präzise Schlagzeuger Mischa sowie Violinistin und Sängerin Nora hervor, während Keyboarderin Patricia leider in der ansonsten tadellosen Abmischung fast gänzlich untergeht. Die sympathisch-verplanten Ansagen von Sänger Arnaud führen durch das kurze Auftaktset für den Abend und ABINCHOVA gelingt somit ein schöner, eröffnender Auftritt.

Wesentlich weniger Glück mit dem Sound haben im Anschluss leider DARKEST HORZION. Die Bassdrum ist zu laut, im Bassbereich matscht fast alles zu. Musikalisch geht es bei ihnen weniger folkig, dafür melodischer zu: Das Sextett beweist mit seinem Epic Melodic Death Metal, dass wohl kaum ein passenderer Support für WINTERSUN hätte ausgewählt werden können. Obgleich ihre Version des Genres statt auf die kompositorische Komplexität WINTERSUNs eher auf zugänglichere, geradlinigere Stücke setzt, schaffen sie es über die gesamte Spielzeit hinweg zu unterhalten. Die Show-Erfahrung merkt man den Musikern zu jeder Sekunde an, wenn sich etwa Gitarrist Olli Sattler zum Solieren auf dem Monitor stehend passend in Szene setzt. Beim vorletzten Stück werden dann sogar im Publikum die Feuerzeuge rausgeholt und mitgeschunkelt, ehe die Band ihren Auftritt unter anerkennendem Beifall beendet.

Um 22:15 ist es schließlich Zeit für den Headliner des Abends. Zu „When Time Fades Away“, dem wunderschönen Intro ihres zweiten Albums „Time I“, betreten die inzwischen zum Quintett gewachsenen Finnen die Bühne, ehe sie mit ihrem dreizehneinhalbminütigen Opus Magnum „Sons Of Winter And Stars“ und frontal platzierten Ventilatoren für die Haare richtig loslegen. Unglücklicherweise braucht der Tontechniker bis in den dritten Song hinein, bis er die Instrumente und die zahlreichen Keyboard- und Orchestersamples untereinander einigermaßen ausbalanciert hat.

Der „By-Request“-Idee folgend wissen die Zuschauer natürlich, welche zehn Songs WINTERSUN heute zum Besten geben werden. Auffällig, aber verständlich ist, dass deren aktuelles Werk „The Forest Seasons“ lediglich mit dem Lied „The Forest That Weeps (Summer)“ vertreten ist, während „Time I“ bis auf ein Interlude in Gänze und das selbstbetitelte Debütalbum mit immerhin sechs von acht Stücken Einzug in die Auswahl findet. Unverständlich dagegen ist, warum die Fans ausgerechnet für die Songs abgestimmt haben, die von der Band ohnehin immer gespielt werden, anstatt die Chance zu nutzen, die selten bis nie gespielten Stücke „Sleeping Stars“ oder „Beautiful Death“ einmalig ins Set zu wählen. Angesichts eines Repertoirs von gerade einmal 15 Songs und einem Interlude muss man sich deshalb sowieso fragen, ob eine „By-Request“-Show mit zehn wählbaren Songs wirklich so sinnvoll ist. Das resultierende Set hätte jedenfalls von der Band genauso zusammengestellt werden können.

Unbeirrt davon feiern die Fans ihre Helden mit lautem Jubel und singen viele der Songs enthusiastisch und textsicher mit. Trotz des technisch komplexen Materials liefert die Band einen nahezu makellosen Auftritt ab. Einzig Schlagzeuger Rolf Pilve, der den nach über einem Jahr noch immer nicht zurückgekehrten Kai Hahto vertritt, kommt einmal in „Beyond The Dark Sun“ total durcheinander, schafft es aber noch elegant, wieder ins Stück zurückzufinden. Dass Mastermind Jari den Gitarristenjob nun endgültig an den Neuling Asim Searah abgegeben hat, kommt seinem Gesang tatsächlich zugute, auch wenn seine Klarstimme nach wie vor eher wacklig als tonsicher klingt.
Etwas lächerlich wirken die zwei (!) Zugabepausen, in denen die Band sich von den Zuschauern auf die Bühne zurückrufen lässt. Immerhin weiß ja jeder der anwesenden, welche Songs noch ausstehen, was das eigentlich ursprünglich als „Belohnung“ erdachte Konzept einer Zugabe zur reinen Theatershow verkommen lässt. Nichtsdestotrotz spielen es die Fans mit und holen sich die verbleibenden, ihnen zustehenden Stücke ab. Mit dem fantastischen „Time“ beenden WINTERSUN schließlich ihren beeindruckenden Auftritt.

  1. When Time Fades Away
  2. Sons Of Winter And Stars
  3. Land Of Snow And Sorrow
  4. Starchild
  5. The Forest That Weeps (Summer)
  6. Sadness And Hate
  7. Death And The Healing
  8. Beyond The Dark Sun
  9. Winter Madness
  10. Battle Against Time
  11. Time

WINTERSUN beweisen einmal mehr, dass ihre Musik nicht nur in Sachen Kreativität, kompositorischer Vielfalt und wiedererkennbarem Sound absolut einzigartig ist und sie diese anspruchsvollen Stücke auch live unfassbar präzise reproduzieren können. Auch wenn das ganze Selbstinszenierungsgehabe stellenweise etwas überzogen wirkt, haben sich die fünf Musiker ihre sympathische Art bewahrt. Ob eine „By-Request“-Show angesichts des kleinen Songkatalogs und eine Band aus der Schweiz als „Local Support“ zu buchen wirklich sinnvoll ist, darüber lässt sich wohl streiten. Mit DARKEST HORIZON und ABINCHOVA haben die Finnen jedenfalls passende Supportbands gefunden, die den gelungenen Abend zusätzlich bereichern.

Publiziert am von Simon Bodesheim

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