Review Hasenscheiße – a-Moll

Zunächst machten HASENSCHEISSE es „Für eine Handvoll Köttel“, später dann „Für eine Handvoll Köttel mehr“. Was genau die Musiker für diese überschaubaren Tarife taten? Mittelalterliche Marktmusik mit witzigen Texten zelebrieren. Anno 2012 haben sich die Vorzeichen bei den Berlinern nach dreijähriger Abstinenz geändert. Die fröhlichen Marktrhythmen (selbst betitelt als „Acoustic-Guitar-Fantasy-Trash-Balladen“) sind größtenteils handfestem Pop mit anspruchsvollen wie witzigen Texten gewichen.

Berlin hat in jüngerer Vergangenheit mit Peter Fox, Silbermond und Tim Bendzko nicht eben wenige Künstler hervorgebracht, die sich deutschlandweit etablieren konnten. Ob HASENSCHEISSE diese Tradition fortsetzen? Unwahrscheinlich. Alleine der Bandname dürfte ein Erfolgshindernis sein. Allerdings sollte sich niemand ein vorschnelles Urteil über dieses Projekt bilden. Obwohl es der Name anderweitig impliziert, werden die Musiker eher an ihren anspruchsvollen Texten scheitern als durch plumpe Massentauglichkeit zu Ruhm & Ehre gelangen.
So widmen sich HASENSCHEISSE mit einer siebenminütigen Hymne an den populärsten aller Gitarrenakkorde: „a-Moll“. Mit viel Charme und Witz (Bamboleo…) nehmen sich die Ostdeutschen diesem Thema an, welches gleichermaßen dem neuesten Output seinen Namen gab. Eine weitere „Köttel“-Botschaft hätte zur neuerlichen Ausrichtung allerdings auch nicht gepasst.
So ist bereits die Single „Das unbedingte Ding“ musikalisch völlig anders ausgerichtet als beispielsweise „Die Waden eines Barden“ früherer Tage: Deutschsprachiger Rap trifft auf Spanisch vorgetragene Flamenco-Melodien und englisch gesungenen Irish Folk – in einem einzigen Song. Die einzige Parallele zu früheren „HASENSCHEISSE-Teufeleien“: Die Kompositionen versprühen durch ihre Lockerheit schlicht gute Laune. Spontane Assoziationen zu den Ohrbooten sind – nicht nur durch die regionale Nachbarschaft – naheliegend.

Doch HASENSCHEISSE können auch anders: In „Kein Bock und keine Zeit“ behandelt die Combo wieder einmal höchst ironisch das Thema Politik, während in „Feuerwasser“ erstmals eine E-Gitarre zum Einsatz kommt. Diese fügt sich allerdings sehr stimmig in diese Hommage an den Alkoholgenuss im Rock’n’Roll ein. Allgemein besitzen Texter Christian Näthe und seine Mitmusiker ein hervorragendes Gespür für ihre Arrangements und ihren Instrumenteneinsatz. So stößt man in fast jedem Song beinahe unbemerkt auf bekannte Melodien und Strukturen, die allerdings so neu verpackt und/oder anders verkauft werden, dass von schlichtem Diebstahl keine Rede sein kann. Der Anspruch in den Texten zieht sich auch durch die musikalische Ausgestaltung der Songs, welche gleichermaßen melancholisch wie skurril geraten.
So schießt in „Der Alte“ schließlich passend vertont der Nikolaus mit einer abgesägten Schrotflinte auf den Osternhasen. „Passend vertont“ bietet in diesem Kontext wohl 1000 und eine kreative Möglichkeit, doch es fällt schwer zu glauben, dass es eine passendere Lösung als die von HASENSCHEISSE gibt. „Finde deine Mitte“ gerät hingegen beinahe spirituell mit einem Hauch von Reggae und Lagerfeuerromantik – der zentrale Gitarrenakkord wiederholt sich im Refrain dabei so häufig, dass er sich automatisch im Gehörgang festsetzt. Trotz dieser Eingängigkeit verlieren HASENSCHEISSE nie ihren musikalischen Anspruch aus den Augen. So huldigen sie am Ende in „Hätte, hätte, hätte“ dem Konjunktiv (inklusive textlichem Seitenhieb auf das Haus am See von Peter Fox) und liefern zwischenzeitlich mit „Monika“ einen waschechten Punkrock-Song.

Insgesamt tat dem Projekt der stetige Zuwachs von neuen Musikern (wie auf „a-Moll“ mit Stephan Fuchs am Akkordeon) und der damit einhergehende Abwechlungsreichtum sehr gut. Zwar hat sich die Truppe von ihren Marktwurzeln ziemlich abgekapselt, doch ihre Experimentierfreudigkeit in Verbindung mit Anspruch und Humor dürfte auf diesem Level relativ einzigartig sein. So gibt es am Ende nur einen einzigen Aspekt an „a-Moll“, der eine höhere Wertung verhindert. Mit 40 Minuten und neun Liedern ist das Album einfach zu kurz, v.a. da den Musikern wohl kaum die Ideen für weiteres Material gefehlt haben dürften. Oder etwa doch?

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert