Juni 2025

Review Heaven Shall Burn – Heimat

1996 im thüringischen Saalfeld gegründet, sind HEAVEN SHALL BURN mittlerweile nicht nur eine der dienstältesten deutschen Bands im extremen Metal, sondern zweifelsfrei auch eine der, wenn nicht gar die erfolgreichste. Wacken, Summer Breeze und andere Festivals dieser Größenordnung werden mittlerweile regelmäßig als Headliner bespielt. Einer der entscheidenden Gründe dafür ist sicher die vorsichtige, doch konstante stilistische Weiterentwicklung, die zuletzt im Doppelalbum „Of Truth And Sacrifice“ (2020) gipfelte. Satte 100 Minuten Spielzeit auf zwei CDs verteilt bleiben konstant spannend und abwechslungsreich, zugleich aber durchgängig eindeutig als HEAVEN SHALL BURN identifizierbar. Die Messlatte für den Nachfolger „Heimat“ liegt also hoch.

Bereits der Titel der Platte erregt die Gemüter, ist der Begriff „Heimat“ doch in den letzten Jahren konsequent von jener blau-braunen Saubande für sich vereinnahmt worden, der sich HEAVEN SHALL BURN immer wieder öffentlichkeitswirksam entgegenstellen. Und so ist der Begriff im Bandkontext natürlich auch ganz klar inklusiv zu verstehen, als „Heimat vieler Menschen“ oder auch „spirituelles Zuhause“ (mehr dazu im Interview mit Maik Weichert). Dies spiegelt sich auch in den Themen wider, die auf dem Album verhandelt werden – Reflexion über Herkunft, Solidarität und Gemeinschaft – verbunden mit sozialkritisch-politischem Inhalt, wie es bei der Band üblich ist.

Das wurde bereits mit der ersten Vorab-Single „My Revocation Of Compliance” deutlich, in der Sänger Marcus Bischoff schreit: „This is the end of my tolerance for ignorance, why don’t you oppose this crime, your silence is consent, why don’t you see the signs, your apathy means death.” Dass damit das Stillhalten der etablierten Parteien im Umgang mit der AfD ebenso gemeint ist wie die Untätigkeit und Ignoranz der „schweigenden Mehrheit“ ist offensichtlich und wird musikalisch eindringlich mit unnachgiebiger Härte, die an die Frühphase der Truppe erinnert, regelrecht in den Hörer hineingehämmert. Ein starkes Statement, um die Promo zu „Heimat“ zu eröffnen. Gleiches gilt für „Confounder“, eine Hymne auf Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und autonomes Denken. Der Song ruft dazu auf, „Störfaktor“ im alltäglichen Wahnsinn zu sein und eine klare Haltung zu zeigen.
Die dritte Auskopplung „Empowerment“ ist ein leidenschaftlicher Aufruf zu Selbstermächtigung und aktivem gesellschaftlichem Wandel. Die Botschaft lautet, Energie nicht in destruktive Wut, sondern in gemeinschaftlichen Fortschritt zu verwandeln. Die Message dieses Albums ist wirklich unmissverständlich.

Musikalisch erwartet die Hörer die charakteristische Mischung aus Melodic Death Metal und Metalcore. Neben den typischen harten Gitarrenriffs und dem markanten Gesang von Marcus Bischoff enthält das Album auch wieder orchestrale Elemente, die in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Sven Helbig, dem Mondëna Quartet und dem Sophia Chamber Choir entstanden sind. Diese geben dem In- und Outro („Ad Arma“ bzw. „Inter Arma“) einen epischen Anstrich, verleihen aber vor allem „War Is The Father Of All“ – im Zusammenspiel mit dem typischen HEAVEN-SHALL-BURN-Sound – eine bisher ungekannte und absolut beeindruckende Wucht. Die bereits auf „Übermacht“ gehörten Industrial-Einschläge sind ebenso wieder vertreten („Confounder“) und geben der Platte eine weitere Nuance. Auch sonst legen HEAVEN SHALL BURN auf „Heimat“ viel Wert auf Abwechslung: Mal etwas ruhiger und getragener („A Silent Guard“) mal mit dem Fuß auf dem Gaspedal („Those Left Behind“), mal mit großen Melodiebögen in den Refrains („Ten Days In May“, „A Whisper From Above“) ziehen die Thüringer so ziemlich alle Register.

Mit „Numbered Days“ von KILLSWITCH ENGAGE haben HEAVEN SHALL BURN für die scheinbar obligatorische Coverversion eine wahre Metalcore-Hymne auserwählt und – wie schon bei „Valhalla“ von BLIND GUARDIAN – mit Jesse Leech den Original-Sänger dazugeholt. Ein cooler Move, zumal sich Jesse und Marcus prima ergänzen, was der Nummer einen interessanten Spin gibt. Und mit „Dora“ gelingt es dem Quintett obendrein, einen Song zum Thema Krieg zu schreiben, der dem Inhalt musikalisch gerecht wird. In allerfeinster Bolt-Thrower-Manier wird der Hörer hier plattgewalzt, während Marcus die Botschaft sehr eindringlich verrmittelt. Genau so und nicht anders – zumindest nicht mit dümmlichen Schunkelmeldodien – sollten Themen wie Krieg und Tod verhandelt werden. Ungeachtet der eigenen musikalischen Präferenzen ist Krieg einfach kein Thema zum Schunkeln und Tanzen.

„Heimat“ geht sowohl musikalisch als auch textlich in die Tiefe: HEAVEN SHALL BURN verfolgen ihren Weg konsequent weiter, indem sie brachiale Musik mit anspruchsvollen und politisch relevanten Themen verbinden. Erneut legen die Thüringer dabei mehr als nur einen Finger in die Wunde und versuchen, wichtige gesellschaftliche Debatten anzustoßen. „Heimat“ ist eine sehr eindringliche Scheibe geworden, die HEAVEN SHALL BURN in jeder Hinsicht in Bestform zeigt und dabei ohne große Umschweife direkt auf den Punkt kommt.

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Wertung: 9.5 / 10

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