Hexvessel Nocturne Coverartwork

Review Hexvessel – Nocturne

  • Label: Prophecy
  • Veröffentlicht: 2025
  • Spielart: Black Metal

Erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß“, sang Sven Regener lebensweise in „Delmenhorst“. Auch wenn Mat „Kvohst“ McNerney diesen Song vermutlich nie gehört hat, dürfte er dessen Aussage wohl unterschreiben: Mit seinem Projekt HEXVESSEL hat er, nach dem folkigen Ansatz der ersten Werke, mit den 2016 und 2020 veröffentlichten Alben „All Tree“ und „Kindred“ auch den Psychedelic Rock ausgeleuchtet. Viel gab es auf diesem Gebiet also nicht mehr zu entdecken. Und weil HEXVESSEL McNerney zufolge immer „mehr eine Lebensweise als eine ‚Band‘ sein“ sollte und es ihm darum wohl wirklich scheißegal war, wie die Welt auf einen weiteren Stilwechsel seines Herzensprojektes reagieren würde, erschuf er mit „Polar Veil“ herausragendes, weil in jeder Hinsicht andersartiges Album mit 1990er-Jahre-Black-Metal.

Nun ist das Problem mit radikalen Brüchen und großen Überraschungen, dass sie sich schlecht reproduzieren lassen. Dass jetzt also, wie schon bei dem Album-Duo zuvor, abermals nach nur einem Jahr ein Nachfolger ansteht, weckt eine gewisse Skepsis: Wird „Nocturne“ mehr sein als ein zweiter Aufguss? Ein abermals rabiater Stilwechsel ist jedenfalls nicht zu erwarten: Dass das Album nicht nur zeitlich, sondern auch konzeptionell direkt an „Polar Veil“ anknüpft, macht schon das Artwork klar – eine nächtliche, aber zugleich auch im metaphorischen Sinne düsterere Version des Vorgänger-Covers. Auch diese ist von Illustrator Benjamin König (ehemals Lunar Aurora) stimmungsvoll umgesetzt – und doch im Vergleich zum grandiosen „Polar Veil“-Cover etwas witzlos. Dieses fängt mit dem Charme eines liebevoll illustrierten Kinderbuchs die Ambivalenz der bedrohlichen und doch schönen, sternenbesetzten Düsternis, die sich über den heimeligen Ort in winterlicher Landschaft senkt, perfekt ein. Ebenjene Vielschichtigkeit lässt jedoch das „Nocturne“-Cover mit dem Salt-Bae-Gespenst vermissen.

Das gilt in gewisser Hinsicht, aber eben nicht ganz, auch für die Musik: Vom Grundtonus her lotet McNerny tatsächlich weiter die eisige Atmosphäre der 1990er aus – und das über eine knappe Stunde hinweg. Damit ist das Album gute 16 Minuten länger als sein Vorgänger. Bei „nur“ neun Songs plus Intro (versus acht auf „Polar Veil“) erklärt sich von selbst, dass die Stücke diesmal deutlich umfangreicher ausgefallen sind. „Nocturne“ könnte also auch eine ziemlich fade Partie sein, wäre McNerney nicht McNerney. Nochmal das gleiche Album zu machen, kommt für ihn natürlich nicht infrage, weshalb er sich – trotz des noch trueren Covers – eben nicht nur auf den frostigen Black-Metal-Spirit der 1990er-Jahre stürzt, sondern sich zugleich der Wurzeln von HEXVESSEL besonnen hat: Schon das sanft mit Piano instrumentierte Intro lässt das vermuten, bestätigt wird es dann durch den Opener „Sapphire Zephyrs“, in den in der zweiten Hälfte auch HEXVESSEL-typische Akustikgitarren eingeflochten sind.

Mit diesen Wechseln und Brüchen arbeitet McNerney auch im Folgenden: Weiblicher Klargesang („Inward Landscapes“) trifft auf den mittlerweile bekannten, harschen Zerrgitarrensound, in „Nights Tender Reckoning“ wird sogar die Gitarrenarbeit wieder etwas verspielter und „Concealed Descent“ basiert gänzlich auf Akustikgitarre, Streichern und Gesang. Wer nun auf die Idee kommen könnte, „Nocturne“ wäre wieder eher etwas für Fans der frühen HEXVESSEL-Alben, könnte nicht mehr irren: Gerade durch diese Einsprengsel aus der Vergangenheit wirken die Zerrgitarren umso härter, die Songs um die sanften Passagen herum umso schroffer. Ein perfektes Beispiel dafür ist das abschließende „Phoebus“, in dem HEXVESSEL zwar Streicher, Akustikgitarre und Klargesang einfließen lassen, ansonsten aber vornehmlich mit fiesem Tremolo-Picking und sogar Screams arbeiten.

Der Überraschungseffekt ist dahin, das allein macht „Nocturne“ aber nicht schlechter. Im Gegenteil: „Nocturne“ klingt, als habe McNerney mit „Polar Veil“ im Kopf auf sein früheres Schaffen zurückgeblickt und seine neuesten Songs mit Elementen aus den Anfangstagen der Band gespickt. Schlussendlich vertieft er damit aber eher das Konzept von „Nocturne“, als in irgendeiner Art und Weise zurückzurudern. Eine tiefgehende Liebe zum rohen Black Metal und ungeschliffenen Gitarrensound ist darum auch im Jahr 2025 noch essenziell, um HEXVESSEL etwas abgewinnen zu können – zumal das Album mit einer knappen Stunde Spielzeit, allen auflockernden Elementen zum Trotz, nicht gerade leicht verdaulich ist.

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Wertung: 8 / 10

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