Review Mindflow – Mind Over Body

Viel zu verlieren gibt es für die brasilianischen Progmetaller MINDFLOW nicht. In ihrer Heimat haben sie gerade mal zwei Mitstreiter, die ihnen die Vormachtstellung im Bereich der progressiven Rockmusik streitig machen könnten: Da seien allem voran die Newcomer Thessera genannt, die mit ihrem Debüt „Fooled Eyes“ im vergangenen Jahr eine positive erste Duftmarke setzen konnten, aber natürlich auch die Powermetaller Angra, die ja schon seit einigen Jahren äußerst erfolgreich im Geschäft sind. MINDFLOW konnten bereits mit ihrem ersten Werk „Just The Two Of Us…Me And Them“ (2004) in Szenekreisen auf sich aufmerksam machen, der Nachfolger „Mind Over Body“ schöpft demzufolge aus den Vollen und hat bereits einige extremst positive Rezensionen eingefahren.

Natürlich handelt es sich – wie sollte es anders sein – um ein Konzeptalbum. Das Thema des Albums sollte durch den Titel mehr als klar sein. Doch MINDFLOW haben nicht nur an die Ohren gedacht, sondern auch an das visuelle Element. „Mind Over Body“ kommt in einem extrem edlen Digipack mit Prägeaufdruck, und bietet zudem gleich zwei fantastische, dicke Booklets. Zunächst einmal das „normale“ mit einem auf das Album einstimmenden Prolog, allen Texten und schon ziemlich stilvoller und sicherlich auch kostspieliger Gestaltung. Dazu gibt es noch einen Zeichencomic, der die Lyrics des Songs „Follow Your Instinct“ mit einer Bildergeschichte verdeutlicht. Als wäre das nicht genug, ist der dazugehörige Silberling mit 79:57 Minuten natürlich auch noch randvoll gefüllt.

Ohne Frage, hier hat sich jemand wirklich Arbeit gemacht und ganz viel Mühe und Liebe in die Verpackung gesteckt. Lohnt es sich denn, stimmt auch der Inhalt? Wer ein paar Progmetal-Scheiben gehört hat, der weiß, dass die meisten heute alle gleich klingen. Früher nach Dream Theater, heute eher nach Pain Of Salvation. Und so schade es ist: Ich muss leider auch MINDFLOW bescheinigen, dass sie wie ein wilder Mix aus Dream Theater und vorallem Pain Of Salvation klingen. Doch mit diesem Stempel will ich es nicht bewenden lassen; denn selbst wenn sie wie oben beschrieben klingen, gibt es genug Grund dafür, klar zu machen, dass das nicht immer schlecht sein muss. So auch hier. Was mich eigentlich vorrangig an dem Material stört, ist die zwar wandlungsfähige, aber eben auch sehr nervige Stimme von Sänger Danilo Herbert, der zielsicher den Daniel Gildenlöw (Pain Of Salvation) mimt, wo er nur kann – und sich ansonsten auch gern mit Heavy Metal-Shouting in höchsten Tönen zufrieden gibt. Ich mag es einfach nicht, wenn Sänger andauernd hauchen, kreischen oder keuchen. Sie sollen singen. Und das kann Danilo Herbert, er tut es nur zu selten. Aber ich wollte klar machen, dass der MINDFLOW-Stilmix nicht schlecht ist: Abseits von diesem Kritikpunkt nämlich ist die Band top. Und zwar in jeder Hinsicht. Die Platte ist phänomenal gut produziert – druckvoll, knackig und dicht. Die Songs sind extrem abwechslungsreich, sowohl für sich als auch in sich. Das gibt dem Album zwar ein wenig einen Potpurri-Sound, andererseits ist mir in den letzten Jahren kein Album zu Ohren gekommen, das dermaßen gekonnt klassischen und modernen Progmetal, Hardrock, Melodic Metal, Jazz, brasilianischen Einflüsse und überzeugende Klassik- und Pianopassagen verbindet und dazu noch unpeinliche Balladen bereithält. Die klassischen Passagen werden übrigens vorallem durch die toll eingebrachte Violine verkörpert. Das Potential der fünf Jungs ist schwindelerregend hoch – Dream Theater müssten vor Neid erstarren, wenn man einmal die Ideen eines MINDFLOW-Longtracks mit dem gesamten letzten Output des Traumtheaters vergleicht. Waaghalsige Stilwechsel (nicht Stilbrüche!), alle Arten von Emotionen und Instrumentierungen, dazu noch moderne Soundelemente, die dem Album einen stellenweise einen äußerst frischen Charakter geben. Hier gibt es wirklich einiges zu entdecken, und allein deshalb sollte hier jeder, der auch nur ansatzweise etwas mit Prog am Hut hat, reinhören. Was die Brasilianer allerdings noch nicht so gut beherrschen, ist das Zusammenstellen dieser Ideen. Wie oft erwische ich mich beim Hören dabei, innerlich zu sagen: „Ja, das isses! Geil!“ und dann machen die Jungs wieder etwas genauso interessantes, aber völlig anderes, was so gar nicht zu dem davor Gehörten passen will.

Dabei ist das Material gar nicht mal besonders frickelig. MINDFLOW haben es nicht nötig, so viele Noten wie möglich in der Sekunde zu spielen. Sie setzen auf Ausdruck, auf Atmosphäre. Wie zum Beispiel in der genialen Halbballade „Just Water, You Navigate“. Auch auf überdurchschnittlich peinliche Keyboardsounds verzichtet man übrigens. Und trotzdem wirkt das Album auf mich irgendwie anstrengend, erdrückend. Wie übrigens auch Pain Of Salvations „Perfect Element Part I“, welches der große Bruder von „Mind Over Body“ zu sein scheint. Vielleicht komme ich mit dieser neuen Art von Progmetal einfach persönlich nicht klar. Jedenfalls nicht auf Anhieb. Je öfter ich das Album höre, desto besser wird es. Ein klassischer Grower, der „erhört“ werden will. Für den wahren Proggie vielleicht noch interessant: Fünf der neun Tracks sind 10 Minuten oder länger. Genug Futter für Longtrackfetischisten also. Zum Schluss dann noch mein persönlicher Anspielspieltipp: Track Nummer Sieben, „Hellbitat“ macht in 12 Minuten ziemlich gut deutlich, worum es hier geht, ohne natürlich alle Fassetten abzudecken.

Lasst es mich schulussendlich so wertfrei wie möglich ausdrücken: Mit MINDFLOW darf man in der Zukunft noch rechnen!

PS: Der überaus ausgeprägte Ambitionismus der Band zeigt sich übrigens auch auf ihrer Homepage, auf der man zunächst ein Adventurespiel lösen muss, um an Infos zu kommen. Mag eine tolle, aber in diesem Fall ebenso unnötige Idee sein. Aber das nur so nebenbei.

Wertung: 8 / 10

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