Review Odroerir – Götterlieder II

ODROERIR brauchen dem geneigten Heidenstahl-Fan kaum mehr vorgestellt zu werden, denn die Thüringer sind seit einigen Jahren ein fester, wenngleich nicht überpräsenter Bestandteil der deutschen Szene. Das 2005er Album „Götterlieder“ schlug vor einer halben Dekade ganz gut ein, und mit Spannung wurde der Nachfolger erwartet. Dieser ließ aufgrund verschiedener widriger Umstände länger als geplant auf sich warten, doch steht jetzt mit „Götterlieder II“ der zweite Teil der umfangreichen Edda-Vertonung ins Haus.

Die Art und Weise, auf die ODROERIR ihr Handwerk ausüben, ist ein gutes Stück von dem entfernt, was sonst den Namen „Pagan Metal“ trägt. Schon das Debüt war ruhiger und bedächtiger als die Durchschnittsware, was mit dem ersten Teil der „Götterlieder“ noch vertieft wurde. Auch der zweite Teil nimmt sich verschiedener Eddalieder mit einem sehr behutsamen Grundton an, einzig „Skadis Rache“ deutet beispielsweise „sanfte“ Growls an. Das restliche Material wird von Midtempo-Drumming (oder auch manchmal gar kein Schlagzeug, wie bei „Idunas Äpfel“), dezent verzerrten Gitarren mit gelegentlichen Soli und vor allem Geigen, Flöten und häufig mehrstimmigen Gesängen getragen.

Stimmung ist ein gutes Stichwort, denn diese ist es, was die Thüringer sichtlich am größten Schreiben. ODROERIRs Songs wollen hier nicht mitreißen oder zum Herumtanzen (wie noch bei „Zur Taverne“ vom Erstling) anregen, sondern in erster Linie Bilder erschaffen und die Geschichten mittragen. Dies gelingt in vielerlei Hinsicht, denn die Herren und die Dame haben ein klares und ausgereiftes Konzept vor Augen und setzen dies in jedem Takt um. Insbesondere die sehr schönen Flöten- und Geigenmelodien, beispielsweise die schon mehrfach live präsentierten Nummern „Heimdall“ und „Des Thors Hammer Heimholung“, heben ODROERIR von der Masse ab. Eine andere wichtige Stütze des Sounds ist der gezielte und durchweg* gelungene Chor-Einsatz (wie bei „Der Riesenbaumeister“). Über weite Strecken herrscht allerdings Ruhe, wo zwar nicht nichts, aber mitunter nur sehr wenig zu hören ist – ein einzelne Akustikgitarre etwa. Auch dass sich viele Riffs über viele Takte fortsetzen macht deutlich, dass die Platte nichts für Ungeduldige ist.

Ähnlich, nur noch extremer als bei „Götterlieder I“ wird auch der zweite Teil von einem sehr langen Stück beendet. Geschlagene 19 Minuten dauert „Allvater“ und ist zwar nicht spannungsgeladen, so aber auch nicht langweilig. Allerdings offenbart sich bei diesem mächtigen Stück auch die grundlegendste Schwäche der Scheibe. Denn im Jahre 2010 muss man sich als Band die Frage stellen lassen, warum es unbedingt noch weitere Songs, ja erneut ein ganzes Album zu nichts Anderem als der germanisch-nordischen Mythologie geben muss. Die Hymne an Odin mag manchen Hörer allein schon durch die schieren Überschwemmung mit Beinamen des Göttervaters überfordern bis belustigen – letzteres fördert die absolut dämliche Aussprache „Allvateeeeer“. Derartige „Reim dich oder ich fress dich“-Unglücke (deswegen das *Sternchen) erlebt man als aufmerksamer Hörer leider öfter, wodurch einiges an Potential, zumindest im deutschsprachigen Raum, verschenkt wird.

Wenn eine an sich sehr überzeugende Platte aufgrund textlicher Missstände in derartige Lächerlichkeiten abdriftet, ist es besonders schade, weil der Text ja eigentlich nur einen relativ geringen Anteil am Gesamtklang ausmacht. Es bleibt inhaltlich auch zu hoffen, dass ODROERIR ihre geliebte Edda nun einmal beiseite legen und sich wieder Themen annehmen, die nicht schon siebenhuntertfünfundneunzigtausendachthunderzweiunddreißigmal aufgegriffen wurden. Unterm Strich ist „Götterlieder II“ eine wirklich schön zu hörende Platte, in der die Thüringer sich in ihrer ganzen ehrlichen und über Synthetik-Schund erhabenen Kunstfertigkeit präsentieren. Ein lyrischer Wäschewechsel hätte das Album allerdings noch einiges weitergebracht.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert