Review Bethlehem – Hexakosioihexekontahexaphobia

Kaum eine Band aus der deutschen Metal-Szene ist so schwer zu fassen wie die Dark Metaller BETHLEHEM: Im Drogenrausch prägte die Band mit dem gleichnamigen Album sowohl den Begriff Dark Metal als auch (mit „Sardonischer Untergang im Zeichen irreligiöser Darbietung“) den des Suicidal Black Metal. Was einen bei einem neuen Album der Truppe aus Grevenbroich erwartet, weiß man jedoch ein ums andere Mal ebensowenig, wie welche Musiker eigentlich gerade mit von der Partie sind: 22 ehemalige Musiker listet die Encyclopaedia Metallum, zehn Mann durften sich bereits am Mikrophon versuchen – unter ihnen Niklas Kvarforth (Shining), Rogier Droog (Hell Militia) oder zuletzt Alexander Schmied (Mor Dagor).

Obwohl Letzterer weiterhin offiziell als Sänger geführt wird, zeichnet auf dem neuen Album ein anderer für den Gesang verantwortlich: Guido Meyer de Voltaire, welchen man bereits auf den BETHLEHEM-Werken „Schatten aus der Alexander Welt“ und „Mein Weg“ hören konnte. Wer diese CDs kennt, wird die Zeichen zu deuten wissen: Black Metal, wie ihn BETHLEHEM noch auf ihrer letzten EP „Stönkfitzchen“ (2010) präsentierten, wird man hier vergeblich suchen.

Und in der Tat: Bereits der Opener „Ein Kettenwolf greint 13:11-18“ klingt eher wie ein Bastard aus Ewigheim, The Vision Bleak, Marienbad und Samsas Traum – eine gewöhnungsbedürftige Kombination. Dieser Stilrichtung – sofern man diese krude Mixtur überhaupt als solche bezeichnen kann – bleiben BETHLEHEM auch im weiteren Albumverlauf mehr oder minder treu. Vom ersten Takt an steht dabei Guido Meyer de Voltaires charakteristisch düster-melancholische Stimme im Mittelpunkt. An diese schmiegen sich mal elegant zarte Cleangitarren-Melodien oder Synthesizer („Gebor’n um zu versagen“), mal übernehmen verzerrte Gitarren mit Dark-Metal-Riffs die Lead-Funkiton („Verbracht in Plastiknacht“), mal lenken ein verzerrter Bass („Kinski’s Cordycepsgemach“) oder elektronische Beats die Aufmerksamkeit auf sich. An die Tatsache jedoch, dass es sich bei der hier musizierenden Band tatsächlich um die berüchtigten Suicidal-Black-Metal-Vorreiter BETHLEHEM handelt, erinnert musikalisch eigentlich nur noch das furiose „Spontaner Freitod“ – und die Absurdität in Texten und Titeln.
Doch gerade in diesem Punkt wirken BETHLEHEM nicht mehr so authentisch wie zu ihren wilden Zeiten: So unterhaltsam sich Songnamen wie „Nazizombies mit Tourette-Syndrom“ auch lesen – am Ende erinnern sie eher an Weird Al Jankovich („Lesbische Nazinutten, von Ufos ins All entführt und dort zu einer Hungerkur gezwungen!“ aus: „UHF – Sender mit beschränkter Hoffnung“, 1989) als den Spirit von einem „Als ich noch Caulerpa taxifolia erbrach“ oder „Teufelverrückt Gottdreizehn“ wieder aufleben zu lassen.

Ob sich Prophecy Productions im Klaren waren, auf was sie sich mit BETHLEHEM einlassen, ist fraglich – „Hexakosioihexekontahexaphobia“ dürfte jedenfalls nicht nur des unaussprechlichen Namens wegen das am schwersten zu promotende Album sein, das das Label je herausgebracht hat: Ein echtes „Zielpublikum“ für die CD gibt es nämlich nicht. So könnte das Album BEHTLEHEM-Fans ebenso vor den Kopf stoßen wie unbedarften Hörern gefallen … oder andersherum. Fakt ist: Vor dem dritten Durchlauf sollte man kein Urteil fällen – zu ungewohnt konventionell sind die Klänge, mit denen BETHLEHEM hier die Angst vor der Teufelszahl besingen.

Wertung: 7 / 10

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