Review Bethlehem – Stönkfitzchen

  • Label: Red Stream
  • Veröffentlicht: 2010
  • Spielart: Black Metal

Wie unterschiedlich die Auffassung moderner Kunst sein kann, beschreibt kaum etwas so treffend wie die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“. Denn was der eine als kongeniale Ausgeburt menschlicher Kreativität ansieht, mag schon beim Nächsten in der Reihe der Betrachter nichts weiter auslösen.

Wenn es eine Band gibt, die mit dieser Ambivalenz zu spielen weiß, sind es BETHLEHEM. Die Herren, die zu betonen nicht müde werden, dass sie ausschließlich Dark Metal spielen (den jedoch auch das geschulte Ohr nicht von Black Metal unterscheiden vermag), spalten die Hörerschaft, was immer sie tun: Egal, ob man ihr wohl legendärstes Album, „S.U.i.Z.i.D.“ in seiner ganzen, drogengeschwängerten Verschrobenheit oder das (nicht minder drogengeschwängerte) Hörbuch „Schatten aus der Alexanderwelt“ erwähnt, von dem sich selbst Alexander Kaschte von Samsas Traum noch etwas in Sachen Metal-Fans verprellen abschauen könnte (und, nebenher bemerkt, sicher auch getan hat) – es gibt nur zwei Reaktionen: Genervtes Augenverdrehen einhergehend mit verständnislosem Kopfschütteln, oder aber ein Grinsen über beide Ohren, zwischen denen die Augen begeistert allein bei Nennung des Namens zu glänzen anfangen.

Dabei darf aber nicht unterschlagen werden, dass von einer Person nicht zwangsläufig bei nennung beider Albentitel die gleiche Reaktion zu erwarten ist – haben sich doch mit ihren letzten Veröffentlichungen, vor allem wohl mit dem vollkommen missglückten „S.U.i.Z.i.D.“-Rerelease „A Sacrificial Offering To The Kingdom Of Heaven In A Cracked Dog’s Ear“, sicher nicht nur Freunde gemacht.

Nun steht mit der MCD „Stönkfitzchen“ (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) ein neues Werk in den Läden und für Verehrung und Torpedierung bereit. Denn, so viel sei vorweggenommen: Für beides gibt es Anlass. Eröffnet wird das Werk durch den Song mit dem fast schon ungewöhnlich gewöhnlichen Titel „Was ihr seid, das waren wir – was wir sind, das werdet ihr“. Sogleich fällt auf, dass der Sound im Vergleich zum dahingehend völlig missglückten letzten Release weitaus gelungener ist, jedoch ein weiteres Mal nicht an „S.U.i.Z.i.D.“ heranreicht. Zumindest musikalisch ist man jedoch offensichtlich wieder in genau jenen Untiefen chaotischen Schwarzmetalls (nenne man es nun Black oder Dark Metal) angekommen, welche man seit „Mein Weg“ verlassen hatte. Und genau so verstörend klingt das Ganze dann auch: Über verquere Kompositionen aus Schrammelriffs und ruhigen Clean-Parts „singt“ (oder sollte man besser sagen: interpretiert) abermals Niklas Kvarforth mit Bandleader Bartsch die gewohnt schrägen Texte über Eimer „gefüllt mit ganz alten Fliegen“ (- „trink ihn aus für immer, trink ihn aus im Liegen“) und Gravidität, die in die nimmertote Instanz speit und dabei immerzu auf feurig‘ Gichtverschluss erpicht ist.

Konnte der Schwede 2009 mit seiner BETHLEHEM-Debüt-Leistung mit dem unaussprechlichen Namen noch nicht voll davon überzeugen, dass er, vom Chaoten-Aspekt abgesehen auch musikalisch eine Idealbesetzung ist, schaut es hier anders aus: Nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Kvarforth die deutschspachigen Texte nun tatsächlich auf Deutsch darbietet, transportiert er dieses Mal auch weit mehr Emotionen in seiner Stimme: Im Gegensatz zum langweiligen Gesang auf dem Vorgänger-Album ist hier doch von kaputtem Röcheln bis zu manischem Geschrei fast das ganze Kvarforthsche Gesangsspektrum abgedeckt. Dass der Schwede nicht auf allen Songs zu hören ist, macht zunächst stutzig – bis man dahintersteigt, dass „The 11th Hour“ keinesfalls neu ist, sondern der Gesang zu dem Stück bereits für „Mein Weg“ aufgenommen wurde: Zu hören ist hier der Amerikaner Nihilist (In Memorium). Da das Stück jedoch nur als Bonus beigefügt ist und sich auch sonst gut an das restliche Material anschmiegt, vielleicht kein Gewinn, sicher jedoch auch kein großer Schaden für die CD. Fraglicher ist da schon, ob es wirklich (die gleichnamige Split mitgerechnet) die mittlerweile vierte Version von „Yesterday I Already Died Today“ (im Original ungleich schöner „Gestern starb ich schon heute“ betitelt) gebraucht hätte … und wenn, ob es dann wirklich zu viel verlangt gewesen wäre, Kvarforth auch hier den deutschen Text einsingen zu lassen. Als bloßeer Remix der Rerelease-Version des „S.U.i.Z.i.D.“-Klassikers ist das Stück zwar immernoch gut, jedoch alles andere als unverzichtbar.

Davon abgesehen liefern BETHLEHEM mit „Stönkfitzchen“ ihr wohl bestes Werk seit dem Sardonischen Untergang ab. Und das nicht trotz, sondern klar wegen Kvarforth, der diesmal mit „Pillerthrillaren“ nicht nur einen eigenen Text (in Schwedisch) beigesteuert hat, sondern sich auch perfekt in die Rolle des verrückten, nonsenstexte-schreienden Fronters eingefunden hat. Wer die BETHLEHEM-Klassiker zu schätzen weiß, sollte auch hier zugreifen – auch wenn das ob der eher beschränkten Vertriebswege des amerikanischen Labels Red Stream zumindest für Europäer nicht ganz einfach ist. In diesem Sinne: „Erlösung naht in unbestimmter Verdorbenheit.“

Wertung: 8 / 10

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