Interview mit Tobias Solbakk

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Manchmal hört man einen Namen und kann damit gar nichts verbinden, obwohl man diesen Musiker vielleicht sogar schon einmal live gesehen hat. Heute möchten wir euch deshalb Tobias Solbakk vorstellen, einen der beiden Live-Schlagzeuger von IHSAHN. Ein Gespräch über das Schlagzeugspiel, seine unzähligen Bands und die entsprechenden Tour-Erfahrungen des jungen Norwegers.

 

 

 

Wie kamst du zum Schlagzeugspielen?
Ich habe genauso wie wahrscheinlich schon viele andere vor mir angefangen: mit zusammengerollten Zeitungen als Drumsticks und mit Küchenutensilien als Ersatz für das Schlagzeug. Als ich etwa sechs Jahre alt war, fragten mich meine Eltern, ob ich denn gerne richtigen Schlagzeugunterricht nehmen möchte. Ich war mir damals eigentlich lange Zeit nicht sicher, ob ich professioneller Drummer werden möchte. Das kam dann erst, als ich in der Oberstufe richtig anfing, Musik zu studieren. Danach habe ich lange Zeit Einzelunterricht bekommen. Ich verdanke meinen Lehrern unglaublich viel.

Welche anderen Instrumente hast du gelernt?
Zusätzlich zum Schlagzeug habe ich Keyboard gelernt. Aber auch der Laptop war quasi ein Musikinstrument, denn ich benutze viele Technologien und Synthesizer-Sounds in den Bands, für die ich spiele. Am Ende bin ich dann immer derjenige, der die Verantwortung für diesen Teil aufgebrummt bekommt. Aber da das immer auf meine Initiative hin passiert, muss ich es wohl irgendwie mögen. Ich übe jeden Tag, sofern ich kann. Das hilft, die Hände und Füße beweglich zu halten. Manchmal ist es natürlich schwieriger, das aufrecht zu erhalten, zum Beispiel auf Tour, oder wenn man anderweitig verreist. Und dann merke ich es ziemlich schnell, wenn ich mal ein paar Tage lang nichts gemacht habe, weil man vieles schnell verlernt.

Gibt es noch Instrumente, die du in Zukunft gerne lernen würdest?
Ich würde gerne das Klavierspielen richtig lernen. Das wäre auch hilfreich in Bezug auf die Musik, die ich komponiere, denn dann könnte ich die Ideen, die ich habe, auf dem Klavier spielen, anstatt sie im Computer zu programmieren. Neuerdings habe ich ja auch angefangen, bei einigen Bands Background-Gesang zu machen, das bedarf natürlich auch weiterer Übung.

In welchen Bands/Projekten bist du denn jetzt überall involviert und welche davon hat Priorität?
Das ist tatsächlich schwer zu entscheiden, welche Priorität hat. Ich flattere wie ein Schmetterling zwischen den einzelnen Bands hin und her und lasse meine Energie dort, wo sie gerade gebraucht wird. Hier die Bands:
1. KUBBI – Elektronische Musik, Chiptune. Das ist ein spannendes Projekt, für welches ich live spiele.
2. VIAN – Elektronischer Pop/Synthie, nicht ganz einfache Musik mit Gesang auf Norwegisch.
3. FRUKT – Progressive Metal, der von Opeth und Karnivool inspiriert wurde. Wir arbeiten gerade am zweiten Album. Das neue Material wird viel intensiver reinhauen. Ich liebe den Sound. Das wird live großartig werden!
4. TOBIAS SOLBACKK – Ich habe mein eigenes Solo-Projekt, mit welchem ich abgespacte, elektronische Musik mache. Je nachdem, wann ich mal Zeit habe, arbeite ich weiter am zweiten Album.
5. IN VAIN – Progressive/Extreme Metal. Diese Band macht richtig Spaß, denn es gibt Unmengen an Double-Bass-Passagen in der Musik, das ersetzt mir das Fitness-Studio.
6. IHSAHN – Black Metal/ Prog, großartige Musik und immer tolle Musiker mit auf Tour, es macht so viel Spaß, dabei zu sein!
7. RUNAR NØRSETT TRIO – Stimmungsvoller Jazz, hierbei brauche ich nur ein kleines Drumkit.
8. DUALISTIC – Eine verrückte Jazz-Metal-Band mit Flügel und Schlagzeug, angeführt von Bernt Moen, dem früheren Keyboarder der Norwegischen Band Shining.
9. ALROY’S PIPEDREAM – Ein unglaubliches Acid/Prog/Rock-Projekt mit verzerrten Sounds und anderen Verrücktheiten. Wir arbeiten gerade am ersten Album.
10. RENDEZVOUS POINT – Ich springe immer mal wieder als Ersatz-Schlagzeuger für Baard Kolstad ein, es ist ja seine Band. Mit Sicherheit sind sie live sehr anspruchsvoll. Eine großartige Herausforderung!
Des Weiteren spiele ich viele Auftritte als Freiberufler, mische also hier und da in verschiedenen Projekten mit. Aber das wäre zu ausufernd, sie hier alle aufzuzählen. Es sind viele aufregende Projekte, die demnächst anstehen, leider darf ich nicht über alle reden.

Das ist ja ein ganz schön wilder Stil-Mix! An welchem Genre hängt dein Herz denn am meisten?
Das habe ich mich selbst auch schon gefragt. Wenn ich wählen müsste, würde ich mich wohl für den Progressive Rock der alten Schule entscheiden. King Crimson, Porcupine Tree, Tool, Opeth, sowas in der Art. Das war die erste Musikrichtung, mit der meine Eltern mich konfrontiert hatten, und dafür bin ich dankbar.

Welche der oben genannten Bands stellt denn die größte Herausforderung dar, was den Schwierigkeitsgrad betrifft?
Da kommen mir sofort meine Gastauftritte für RENDEZVOUS POINT in den Sinn. Baard Kolstad hat sich dafür ja ein paar verrückte Schlagzeug-Parts ausgedacht. Das treibt mir jedes Mal den Angstschweiß auf die Stirn, wenn ich daran denke, dass ich das einüben muss. Das ist manchmal ganz schön frustrierend, aber es verbessert am Ende auch mein Können. IN VAIN sind auch ganz schön hart, was das Durchhalten betrifft. Da gibt es viele lange Double-Bass-Parts. Musikalisch sind ansonsten alle Bands eine gute Herausforderung, denn es gibt immer etwas, worauf man sich konzentrieren muss oder beachten muss, ganz egal, ob man ein großes Festival mit IHSAHN spielt oder um 3 Uhr nachts auf einer Privatparty „Living On A Prayer“ vor Betrunkenen.

Und welcher Song speziell ist am schwierigsten zu spielen?
“Para” von RENDEZVOUS POINT ist ganz oben auf der Liste. Daran musste ich verdammt lange arbeiten, nachdem ich es das erste Mal gehört hatte. Es dauerte Wochen, bevor ich es einigermaßen annehmbar spielen konnte, so dass es einen guten Flow hatte. „Universal Chaos“ von ihrem zweiten Album ist auch ziemlich knifflig. Zum Glück half mir Dan Presland bei den Double-Bass-Parts. Er ist der Schlagzeuger von Ne Obliviscaris, die als Support mit IHSAHN getourt sind.

Nimmst du an irgend welchen Schlagzeug-Wettbewerben teil?
Ich habe an ein paar Schul-Wettbewerben teilgenommen, als ich jünger war. Aber in den vergangenen Jahren nicht. Ich liebe es, Schlagzeug-Solos zu spielen. Vielleicht wären wären Wettbewerbe eine gute Gelegenheit dafür.

Wer sind deine Vorbilder unter den Schlagzeugern?
Benny Greb beeinflusst mich sehr. Er ist ein deutscher Schlagzeuger mit einem einzigartigen Groove. Ich durfte einmal ein paar Wochen mit ihm verbringen in einem seiner Meisterklasse-Programme. Dann sind da noch Dan Mayo, Jojo Mayer, Vinnie Colaiuta, Mark Gulliana, Gavin Harrison, Nate Smith…. eigentlich könnte die Liste immer weitergehen.

Wirst du gesponsort?
Nicht von irgend welchen bekannten Firmen. Aber ich habe natürlich eine Traum-Liste: Zildjian oder Istanbul Agop für die Becken. Ich habe eine Menge verschiedener Becken von diversen Firmen, aber diese sind die besten. Vic Firth für die Drumsticks. Seit meiner Kindheit lande ich immer wieder bei dieser Marke. Remo für die Trommelfelle. Genau wie bei Vic Firth ist es schwer, etwas Besseres zu finden. Ich habe keine Lieblingsmarke für die Trommeln, aber wenn ich wählen müsste, wäre es sicher Craviotto, Ludwig, A&F oder Gretsch.

Musst du für die verschiedenen Musikstile verschiedene Drumsticks verwenden?
Ja, tatsächlich. Für Rock/Pop oder die schwereren Gangarten benutze ich Vic Firth 55A, einen Drumstick mit etwas mehr Gewicht als der Standard-Stick 5A. Ich bin ein großer Typ mit großen Händen, da ist es besser, wenn man etwas mehr Gewicht in der Hand halten kann. Für Jazz und die sanfteren Klänge benutze ich die dünneren Sticks wie Vic Firth AJ3, die federn leichter zurück. Damit kann man virtuoser sein und besser improvisieren in heiklen Passagen.

Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor beziehnungsweise bleibst auf Tour fit?
Tatsächlich ist guter Schlaf über Nacht wichtig. Dann Übung und Aufwärmen. Auf Tour bin ich eher ein langweiliger Typ, denn ich schlafe tatsächlich sehr viel. Aber ich fühle, dass ich das brauche, um dann gut spielen zu können. Außerdem muss ich viel für mich selbst üben, damit ich die Songs später selbstbewusst und voller Gefühl spielen kann, und nicht nur damit beschäftigt bin, mich zu erinnern, wie man die Lieder spielt.

Wie probst du zuhause? Mit oder ohne Metronom?
Da ich in einer Wohnung lebe, muss ich darauf achten, dass es nicht zu laut wird, somit muss ich mit allerhand Tricks arbeiten, die die Lautstärke dämpfen (etwa Bücher vor den Trommeln). Ich versuche, meine Routinen oftmals zu durchbrechen, als Herausforderung. Immer wieder muss ich allerdings an meiner Koordination arbeiten. Ich habe noch eine Menge Übung vor mir. Fast immer benutze ich ein Metronom. Manchmal minimiere ich die Klicklaute, um mein Taktgefühl zu schärfen.

Was hältst du von Triggern und Drum-Modulen beim Schlagzeugspielen?
Nein, sowas benutze ich nicht. Natürlich haben Trigger ihre Daseinsberechtigung, speziell bei den schnelleren Stilrichtungen. Wenn etwa Dan Presland (von NE OBLIVISCARIS) keine Trigger benutzen würde, würde alles ziemlich schlammig klingen. Um es kurz zu machen: Solange ich nicht super schnell spielen muss, werde ich keine Trigger benutzen.

Du hast mit IHSAHN getourt. Gibt es schöne Erinnerungen? Wie fühlt es sich an, mit einer lebenden Legende zu touren?
Ja, habe ich und werde ich auch weiterhin, zum Glück! Einer der herausragendsten Höhepunkte meiner bisherigen Karriere war mein erster Auftritt mit IHSAHN. Wir waren Headliner bei einem Festival in Rumänien, bei dem auch meine Helden Pain Of Salvation auftraten. Ich war damals noch relativ neu in der Metal-Szene. Insofern war es überwältigend, vor Zehntausenden von Zuschauern zu spielen. Zusätzlich kamen dann auch Einar Solberg (Leprous) und Øystein Landsverk (ehemaliger Leprous-Gitarrist) mit auf die Bühne, um gemeinsam „Celestial Violence“ von Ihsahn zu spielen, welches privat einer meiner Lieblingssongs von IHSAHN ist. Was für eine Nacht! Es fühlt sich eigenartig an, mit einem so bekannten Namen wie IHSAHN aufzutreten. Ich war ja vorher kein Teil der Metal-Szene und er wurde mir damals einfach nur als Vegard vorgestellt. Ich vergesse manchmal, was für einen großen Namen er in der Metal-Szene tatsächlich hat.

Was macht einen guten Schlagzeuger aus (neben der Liebe zum Instrument und neben viel Übung natürlich)?
Gute Frage. Ich denke, manchmal vergessen wie Schlagzeuger, uns die Musik erst mal richtig anzuhören. Wir konzentrieren uns darauf, wie der Schlagzeugsound klingen soll, ohne vielleicht eher zu erfühlen, was die Musik benötigt, um aufzuleben. Manchmal sollte man richtig zuhören und sich hineindenken, und dann auch auf Kleinigkeiten reagieren, denn die können von Gig zu Gig anders sein: Dynamik, Improvisation, Tempo, und so weiter. Ich schlafe echt gut nach Live-Gigs, weil ich so ausgelaugt bin danach.

Heutzutage scheint es für Bands schwierig zu sein, einen guten Schlagzeuger zu finden. Oder wie siehst du das?
Ich habe das gar nicht gemerkt. Ich kenne viele gute Drummer. Natürlich ist es ein besonderer Aufwand, es zu lernen, da das Instrument so viel Platz benötigt und man einen Übungsraum braucht, wo man mit dem Lärm niemanden stört. Aber ich finde, heutzutage ist es eher populär, Schlagzeug zu lernen. Natürlich neben Gesang und Gitarre, zumindest hier in Norwegen.

Wieviele Angebote von Bands musstest du schon ausschlagen?
Ich habe natürlich keine genaue Angabe, aber es gab schon einige Absagen. Ich versuche, zu so vielen wie möglich „Ja“ zu sagen, wenn ich noch Energie dafür übrig habe und denke, dass diese Musikrichtung mir Spaß bringen wird.

Hattest du jemals eine Plan B, außer Schlagzeuger zu werden?
Nicht wirklich. Allerhöchstens etwas mit Programmierung oder Computern könnte ich mir noch vorstellen. Ich mag es ja auch, am PC zu komponieren und das zu programmieren. Insofern bin ich ja bereits in der Materie drin.Aber ich werde mein Bestes geben, um so lange wie möglich als Schlagzeuger arbeiten zu können. Zum Glück gibt es ja auch viele Jobs in der Musikbranche, wo man nicht unbedingt physisch anwesend sein muss: Produktion, Musiklehrer, Komponist, Techniker und so weiter. Daran werde ich mich halten, solange ich kann.

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

Fotos von: Uta A. (Gastredakteurin)

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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