Review Amplifier – Insider

AMPLIFIER – eine weitere Band aus dem in letzter Zeit so lieblich heranwachsenden Alternative-Prog oder, intellektueller ausgedrückt, „New Art-Rock“-Genre. Das Trio steht damit musikalisch in direkter Nachbarschaft zu Bands wie Tool, Oceansize oder The Mars Volta. Sogar den Namen Sieges Even habe ich schon als Vergleich in einer Rezi gelesen! Und die haben bekanntlich mit noisigem Alternative nicht viel am Hut! Also, wie viel Prog ist drin im „Insider“?

Die Marschrichtung wird bereits mit dem geilen instrumentalen Opener „Gustav’s Arrival“ klar: Noisige, drückende Gitarrenwände, harsche Powerchords, verzahnte und komplexe Gitarrenlicks, die sich in sich selbst verlieren, erwarten den Hörer hier. Dazu schepperndes Schlagzeug, tiefer Bass. Das passt alles ganz gut ins Alternative-Prog-Bild. Defitiv ein sehr großer Einstieg, der die Erwartungshaltung gleich ein ganzes Stückchen nach oben schraubt.

Die folgenden Tracks, die auch mit Gesang daherkommen, machen dann jedoch klar, dass AMPLIFIER doch nicht ganz so Avantgarde sind, wie sie vorgeben zu sein, oder zumindest in der Presse gern gemacht werden. Am ungewöhnlichsten sind definitiv noch die illustren Songtitel, beispielsweise „Oort“, „RIP“, „What Is Music?“ „Hymn Of The Aten“ und andere. Dies passt ebenfalls ganz hervorragend in die Klischeekiste dieses recht neuen, vor allem bei den „Möchtegern-Individualisten“ beliebten Genres. Bands wie Mars Volta sind ja große Meister darin, fast sinnfreie, pseudo-tiefgehende Songtitel zu kreieren. Natürlich ist die Musik der Drei keineswegs anspruchslos, gewöhnliche „Hau-ruck“-Alternativehörer werden mit dem hier vorliegenden Material gehörige Schwierigkeiten haben. Insbesondere die Gesangsmelodien, die Sänger Sel Balamir zum Besten gibt, scheinen nur so darauf ausgelegt zu sein, mit den Grundregeln der Harmonieleere zu brechen. Das kann ja, wie wir alle wissen, durchaus reizvoll, herausfordernd und musikalisch einfach gut sein. Das musikalische Umfeld, welches AMPLIFIER um den Gesang bauen, ist aber in den meisten Liedern derart gleichartig und eintönig, dass man schon bald resignierend mit nur noch einem Ohr zuhört; der so oft heraufbeschwörte „Rote Faden“ geht im Dickicht der Gleichförmigkeit unter.

Mag ja sein, dass sich manch Alternativer toll findet, weil er angeblich so arg komplexe Musik hört, dennoch tut diese Band im Prinzip nichts anderes, als um einigermaßen ungewöhnliche Gesangsarrangements wüste, undifferenzierte und live sicherlich ohrenbetäubende Gitarrenwände aufzutürmen, die mit progressivem, ausgefeilten Songwriting so gut wie gar nichts zu tun haben. Schon schade, denn da hätte man wesentlich mehr draus machen können. Ein paar nette Ansätze, wie z.B. ein Drum-Sample-Intro, oder das Tackern einer alten Schreibmaschine als Songbeginn (in „Procedures“), sind zwar vorhanden, aber das ist leider zu wenig, um einen Progger der alten Schule, der ich nun mal bin, zufrieden zu stellen. Es kommt einfach keinerlei Stimmung, Atmosphäre oder gar emotionaler Bezug zur Musik auf, der mir ja immer sehr wichtig ist. Da auch technisch nicht allzu viel Interessantes passiert (den ein oder andere leicht krummen Rhythmus mal ausgenommen), bleibt letztlich ein genauso leerer, farbloser Eindruck zurück, wie ihn auch das lieblose Cover vermittelt.

Sicherlich wird die Band in Szenekreisen ihre Anhänger finden bzw. zufriedenstellen, für mich jedoch ist die Musik nichts anderes als leicht verquerer Alternative Rock, der nur in Richtung Prog schielt. Wie man den musikalischen Ansatz von AMPLIFIER erfolgreich und mitreißend zuende denkt, haben z.B. die ihnen gar nicht so weit entfernten Oceansize mit ihrem Debüt „Effloresce“ gezeigt, das ein Meilenstein im „New Art Rock“ ist und Gänsehautstimmung pur bietet. Davon ist „Insider“ leider noch weit entfernt.

Wertung: 6 / 10

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