Das Cover des Annihilator-Albums "Ballistic, Sadistic"

Review Annihilator – Ballistic, Sadistic

  • Label: Silver Lining
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Thrash Metal

Die Thrash-Metaller ANNIHILATOR konnten ja nicht zuletzt aufgrund häufiger Besetzungswechsel schon immer vorwiegend als das Soloprojekt von Bandkopf Jeff Waters angesehen werden. Seit der Mann aber sämtliche Saiteninstrumente, mitunter die Drum-Programmierung und mittlerweile auch wieder den Gesang übernommen hat, kann man jedoch nicht einmal mehr mit einem Übermaß an Wohlwollen von einer tatsächlichen Band sprechen. Für sein 17. Album hat sich Mr. Waters nun immerhin wieder einen echten Drummer geleistet, namentlich den noch recht jugendlichen Fabio Alessandrini, der zuletzt auf dem aktuellen Vescera-Album in Erscheinung trat. Ansonsten spielte Herr Waters auch auf „Ballistic, Sadistic“ wieder alles in Eigenregie ein.

„Ballistic, Sadistic“ ist ein Album, auf dem sehr klar die beiden Pole des Songwritings von Jeff Waters auszumachen sind. Auf der einen Seite bieten ANNIHILATOR hier kompromisslose Thrash-Attacken mit gehörigem Rumms-Faktor, wie man sie von der Band schon seit Langem kennt. Auf der anderen Seite stehen nicht minder energiegeladene Nummern, in denen sich die thrashige Härte der Truppe mit oftmals melodiöseren Heavy-Metal- oder gar Hard-Rock-Elementen verbindet und wie sie bei der Truppe spätestens seit „King Of The Kill“ ebenfalls zum Repertoire gehören. Beides ist bei ANNIHILATOR also nicht ungehört, allerdings funktioniert – zumindest auf „Ballistic, Sadistic“ – nicht beides immer gleich gut.

Glücklicherweise überwiegen auf „Ballistic, Sadistic“ die eingängigeren Songs, denn hier können ANNIHILATOR wirklich glänzen. Das zeigt sich bereits am grandiosen Einstieg „Armed To The Teeth“, in dem sich das ultrapräzise Hochgeschwindigkeits-Riffing des Bandkopfs mit klassischer Heavy-Metal-Attitüde zu einem unglaublich mitreißenden Song verbindet. Ähnlich verhält sich das in Titeln wie „The Attitude“ oder „Psycho Ward“ sowie dem starken „Dressed Up For Evil“, in denen die Band ebenfalls auf die anfangs angetönte Mixtur setzt. Die ist derart effektiv, weil sie für ein unglaublich intensives Spannungsverhältnis aus Härte und Eingängigkeit sorgt, das es in dieser Effektivität tatsächlich nur im Water’schen Songwriting gibt. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch, dass Jeff Waters ein phänomenaler Gitarrist ist, der auch auf „Ballistic, Sadistic“ selbst im härtesten Song noch mit ebenso anspruchsvollen wie melodiösen Leads punkten kann.

Das bereits erwähnte „Psycho Ward“ sei in diesem Zusammenhang noch einmal besonders hervorgehoben, denn hier wird die Heavy-Thrash-Melange der Herren ANNIHILATOR deutlicher denn irgendwo sonst. Während das Riffing nicht selten an die rockigeren Momente von Megadeth erinnert – Jeff Waters war sich noch nie zu schade, seinen Mitstreitern Tribut zu zollen – steckt im Gesang derart viel rotzige 80er-Attitüde, dass sich wohl nur die wenigsten Headbanger ein wohlwollendes Schmunzeln verkneifen können werden. ANNIHILATOR zeigen her, wie ihr Sound als Hymne funktioniert und das dürfte sich vor allem in kommenden Live-Sets bewähren. Sehr stark!

Böse Zungen könnten nun behaupten, dass ANNIHILATOR es mit der Griffbrettakrobatik ein wenig übertreiben und so ganz von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf nicht. Zwar richtet sich die Musik der Truppe vornehmlich an Fans ausufernder Gitarrensoli und besser als auf einem Album wie „Ballistic, Sadistic“ wird man die wohl so schnell auch nicht bekommen, trotzdem hätte sich der gute Jeff den einen oder anderen Leadbreak gerne sparen dürfen bzw. ihn zumindest etwas verkürzen können. Das wird vor allem in „The Attitude“ deutlich, in dem der Chef nach beinahe jeder Strophe und in den ausgedehnten Soloparts die Saiten zum Glühen bringt – so gut das alles für sich genommen auch ist, etwas weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen.

Und der „echte“ Thrash Metal? Den gibt es auf „Ballistic, Sadistic“ freilich auch. Etwa in Songs wie dem knallharten „I Am Warfare“ oder „Out With The Trash“. Hier setzen ANNIHILATOR auf erbarmungsloses Riff-Sperrfeuer in halsbrecherischer Geschwindigkeit und düstere, angriffslustige Texte. Prinzipiell funktioniert das auch, allerdings nicht ganz so gut wie das übrige Material dieses Albums. Während die eingängigeren Nummern dieser Platte mit einem hohen Maß an Abwechslung punkten können, rutscht Mr. Waters in diesen Songs schnell ins monotone, ja geradezu austauschbare Geknüppel ab – klar, auch diese Titel haben alles, was ihr Genre verlangt, aber eben als Versatzstück. Thrash Metal nach Zahlen. Das mag auch daran liegen, dass der Bandkopf sicher ein toller Musiker, aber eben nicht der beste Texter ist und wenn’s dann auch noch besonders „böse“ zugehen soll, dann wird’s eben recht schnell plakativ und auch ein bisschen affig. Totalausfälle sind auch diese Nummern nicht, aber es ist dennoch schön, dass anderes Material den Hauptteil von „Ballistic, Sadistic“ ausmacht.

Ein dickes Kompliment ist Herrn Waters in jedem Fall für seinen Gesang zu machen. Zwar verfügt der Saitenhexer nicht gerade über den größten Umfang an Gesangslinien, aber seit er bei ANNIHILATOR wieder das Mikro übernommen hat, hat deren Sound doch einiges an Kantigkeit und Attitüde (zurück)gewonnen. Das liegt vornehmlich daran, dass Mr. Waters durchaus über eine charaktervoll-raue Stimme verfügt, die eben zum Metal passt. Auch Dave Padden ist sicherlich kein schlechter Sänger, da ANNIHILATOR in seiner Zeit mit der Band aber noch auf weitaus sterileren Sound als auf diesem Album setzten, verwässerte sein klares Organ das klangliche Auftreten nur weiter – hier gibt das Ergebnis dem Bandkopf Recht.

Jeff Waters ist ein fantastischer Musiker und solider Songwriter, er ist aber vor allem eines: aufrichtig. Die Spielfreude in den Songs von „Ballistic, Sadistic“ ist selbst in den schwächsten Momenten dieses Albums hochansteckend und auch die Naivität, mit der die austauschbareren Nummern komponiert wurden, spricht von ehrlicher Freude am Musikmachen. Und schwache Momente hat das neue ANNIHILATOR-Album ohnehin recht wenige. Im Großen und Ganzen liefert Mr. Waters mit seiner Band hier ein durchweg starkes und mitunter hervorragendes Thrash-Metal-Album mit angenehmem Hang zum härteren Heavy Metal ab, das viele großartige Songs und ein paar versteckte Juwelen enthält. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn der Bandchef noch einen Partner beim Songwriting hätte, denn der hätte mit seinem hypothetischen Input vermutlich auch die wenigen schwächeren Songs auf „Ballistic, Sadistic“ zu echten Hits machen können, aber auch so wird dieses Album nicht nur eingefleischten ANNIHILATOR-Fans viel Freude bereiten.

Wertung: 7 / 10

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