Review Cyrcus – Blood + Sweat + Bubbles

Manege frei, meine Damen und Herren. Greifen Sie zu, besorgen Sie sich ein paar gebrannte Mandeln, eine große Portion Zuckerwatte und einen von diesen lustigen, riesigen, metallbeschichteten Luftballons, mit denen man nicht am Bahnhof herumlungern darf (steht explizit in den… äh… Nutzungsbedingungen des handelsüblichen Bahnsteigs), denn der CYRCUS ist in der Stadt, oder besser gesagt vier junge Männer aus dem nord-rhein-westfälischen Heinsberg, die unter diesem Namen schon seit 2002 die deutsche Underground-Metalcore-Szene unsicher machen und die nun mit „Blood + Sweat + Bubbles“ nach der CD „Nu Entertainment“ schon ihre zweite in Eigenregie entstandene Langrille auf den Markt werfen (bei der sie übrigens Unterstützung von zwei Musikern von After Forever hatten).

Moment mal… „Underground-Metalcore-Szene“? So was gibt’s? Bei all den Metalcore-Alben, die heutzutage auf den Markt geschmissen werden, muss man sich doch echt fragen, ob die einschlägigen Labels nicht gleich einen Vertrag zücken, wenn ein paar Jungs über Myspace (har har, lang lebe das Klischee) bekannt geben, dass sie ein derartiges Projekt zu gründen gedenken. Scheinbar ist das nicht so, denn CYRCUS sind seit nunmehr sechs Jahren tatsächlich komplett mit ohne Label im Rücken unterwegs. Was um so verwunderlicher ist, denn wenn ich mir so anschaue, was heutzutage auf dem Sektor so gesignt wird… Eieiei.

Der eine oder andere mag es sich schon gedacht haben, der letzte Absatz legte es ja auch schon nahe… CYRCUS machen ihre Sache alles andere als schlecht. Prinzipiell spielen sie die bekannt beliebte Mixtur aus Metal- und Emocore im Fahrwasser solcher Größen wie Killswitch Engage oder Atreyu (wobei sie näher an zweiteren dran sind). Schwedendeath sucht man hier vergeblich, dafür ein paar Alternative und Punk-Anleihen, die dem Ganzen eine recht nette eigene Note geben. Und ehe hier die Aufschreie kommen: Die Extraportion Weichspüler haben die Jungs glücklicherweise (entgegen dem Eindruck, den der sehr merkwürdige Albentitel auf mich machte) im Waschkeller gelassen und nicht mit in den Proberaum gebracht.

Ja, eigentlich klingen CYRCUS ganz cool. Eröffnet wird die CD von einem kurzen Intro, das, wie könnte es anders sein, Zirkus-Atmosphäre vermittelt. Gar lustige Musik, Slapstick-Sounds aus der Konserve, Gelächter des Publikums, so weit so seltsam. Dann ein Schuss und Schreie und schon langen CYRCUS in die Vollen. Flinkes Drumming, recht nette Riffs, handwerklich keine Höhenflüge aber alles ganz in Ordnung, genau wie die Produktion, die leider ein wenig den Druck vermissen lässt, aber ansonsten macht man in den ersten Sekunden nicht so viel anders, als die direkte Konkurrenz. Sägende Gitarre, bollernde Drums, fiese Screams… Gähn… Aber dann tun CYRCUS etwas, was die meisten ihrer Konkurrenten sich erst im Refrain trauen. Schon nach wenigen Takten setzt der cleane Gesang ein und der kann einiges. Sänger Chubby ist jetzt zwar kein Stimmwunder vor dem Herren, aber seine Vocals sind äußerst gefällig.

Sowieso fährt sich das Album seine Pluspunkte größtenteils auf zwei verschiedene Arten ein. Die erste ist der Gesang, denn vor allem die mehrstimmigen Arrangements gefallen äußerst gut. Cleaner Gesang, Screams, beides gleichzeitig, Gangshouts, Chöre, hier ist alles drin. Die Vocals aus nicht weniger als drei Stimmen (nur Drummer Kersten traut sich nicht an’s Mikro) sind äußerst abwechslungsreich, was man auf -core-Releases ja des öfteren vermisst. Und für alle Feinde des durchschnittlichen Emo-Gewinsels sei gesagt: Das gibt’s hier nicht. Egal wie melodisch-melancholisch es wird, CYRCUS verlieren nie die Eier sondern rocken straight weiter. Der zweite große Pluspunkt, den CYRCUS sich auf ihre Fahne schreiben können sind die Refrains. Die sind größtenteils über alle Maßen gelungen, gehen gut ins Ohr und krallen sich fest. Es gibt quasi keinen einzigen Song auf der CD, der nicht an der einen oder anderen Stelle enormes Ohrwurm-Potential hat. Vor allem die geniale Hymne „Who we are“ will ich hier hervorheben, der Refrain rockt einfach nur. Aber prinzipiell könnte an dieser Stelle so gut wie jeder Track stehen.

An dieser Stelle könnte das Review jetzt enden, ich könnte schreiben, dass „Blood + Sweat + Bubbles“ von CYRCUS eine erfrischend andere Scheibe unter all den eintönigen Metalcore-Veröffentlichungen da draußen ist, die sehr viel Spaß macht und jeder Mensch, der halbwegs was mit dieser Art von Musik anfangen kann, mindestens mal reinhören muss. Ich würde acht Punkte zücken, mich zurücklehnen und das Ding als abgehakt betrachten. Das hätte ich nach den ersten paar Durchläufen der (mit ~30 Minuten recht kurzen Scheibe) auch beinahe gemacht. Aber dann hab ich die acht Songs noch mal gehört. Und dann noch mal. Und dann noch mal. Und jetzt sitze ich in einer Zwickmühle.

Denn so cool ich die Musik von CYRCUS bei den ersten vier oder fünf Durchläufen fand, so schnell hat sie sich leider auch schon abgenutzt. Es fehlt der Tiefgang, die Jungs bieten einfach Fastfood-Mucke. Schmeckt ziemlich gut, aber nach dem dritten oder vierten Burger kannst du das Zeug einfach nicht mehr sehen. Da kommt die kurze Spieldauer erschwerend hinzu, denn so werden die Abnutzungserscheinungen nicht mal durch eine größere Menge an Material kompensiert. Aber ehrlich gesagt würde ich den Jungs auch gar nicht raten wollen, mehr Songs auf ihr Album zu packen, denn 30 Minuten sind für diese sehr gefällige, aber irgendwo auch ziemlich abwechslungsarme Musik gerade richtig. Was mach ich nur, was mach ich nur…

Ja, ich bin ratlos. Wie rum man das (Zirkus)Pferd auch aufziehen würde, irgend was stimmt nicht daran. CYRCUS machen gute Musik, aber andererseits irgendwie auch wieder nicht. Oder um es so zu sagen, irgendwie fehlt was. Vielleicht haben sie das auch selbst gemerkt und deswegen den Rausschmeißer so treffend „Something Missing“ betitelt, aber das will ich ehrlich gesagt auch nicht glauben, denn ich bin mir sicher, dass die Jungs von ihrer Musik sehr überzeugt sind und das auch mit Recht, denn ihre CD klingt frisch und eigenständig. Aber wegen dieser Mängel (von denen ich wie gesagt selbst nicht weiß, wie man die ausbügeln könnte) kommt im Endeffekt doch nur ein leicht überdurchschnittliches Album bei rum. Schade…

Wertung: 6 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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