Ich nehme es als eine Form von Humor, wenn auf einer Platte, die „Men Singing“ heißt, einfach niemand singt – und das, obwohl sich mit Tim Bowness (No-Man) ein ziemlich versierter Sänger im Line-Up von HENRY FOOL befindet. Trotzdem ist „Men Singing“ ein reines Instrumentalalbum geworden – ein Genre, das spätestens seit der Post-Rock-Euphorie auch im härteren Sektor auf Gegenliebe stößt. Aber gerade zu diesem härteren Sektor können HENRY FOOL nun so gar nicht gerechnet werden.
Viel eher setzt die Band auf eine schwer zu fassende Mischung aus Prog, psychodelischen Teppichen à la Pink Floyd, sehr leichten Post-Rock-Elementen und einer (mir etwas zu gering ausgefallenen) Dosis Jazz – das Ergebnis ist, wenig verwunderlich, genauso heterogen wie die einzelnen Sparten. Dass „Men Singing“ trotzdem kein unverdaulicher Prog-Brocken geworden ist, sondern nahezu eingängig ausgefallen ist, liegt zum einen am Gespür für Melodien, das sich in den vier Stücken zeigt, zum anderen aber auch daran, dass man sich für eine mehr oder minder massentaugliche Spielart der oben genannten Genres entschieden hat. Man bedient sich zwar querbeet und pflückt sich ein buntes Bouquet zusammen, man treibt es aber nicht auf die Spitze. Man wählt – sozusagen – den Weg der Mitte. Das kommt der Zugänglichkeit des Albums enorm zugute, lässt meines Erachtens aber viel Potential ungenutzt.
Das erste Stück „Everyone in Sweden“ fasst das Anliegen der Scheibe wohl am besten zusammen; ein proggiges Schlagzeug trifft auf Floyd-Klänge und eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente, darunter ein wunderschön gespieltes Saxophon, schaffen sich Raum für ihre Solo-Darbietung. Keine Frage, das ist pure Kopfhörermusik, etwas, das verlangt, innerlich Ruhe zu schaffen, um dann von den häufig verträumten Klängen ergriffen zu werden. Der knapp viertelstündige Opener macht zudem klar, dass man eher auf Emotion statt auf Technik setzt. Das will ich zwar gerne anerkennen und bin grundsätzlich auch eher ein Freund verspielter Träumereien als halsbrecherischer Skalenakrobatik, aber allen Songs ist gemein, dass ihnen ein gewisses Aufbäumen, ein Ausbrechen aus dieser selbst geschaffenen Ruhe fehlt. Ich gebe zu: Man muss das nicht als Mangel verstehen. Aber mir wären ein paar gewagtere, gerne auch jazzigere Explosionen ganz recht gewesen. So laufen die Stücke leider Gefahr, den Hörer einzulullen.
Gefahr hin oder her: Es bleibt unbestritten, dass Songs wie „My Favourite Zombie Dream“ für Instrumental-Fans echte Leckerbissen sind. Die Klänge wallen hier förmlich plastisch aus den Boxen, das Schlagzeug fällt fast völlig raus und die Atmosphäre nimmt beinahe etwas Bedrohliches an – aber auch hier kommt es zu keinem Ausbruch, die Stimmung verharrt in der Anspannung. „Chic Hippo“ serviert dem Hörer dann noch einmal dreizehn Minuten des schon erwähnten Konzepts, wobei das Stück vor allem während seiner jazzigen Parts punktet – und dann ist nach gut 40 Minuten Ende der Vorstellung. Fazit: Instrumental-Fans können hier nahezu bedenkenlos zugreifen. Mir wäre es zwar lieber gewesen, man hätte sich ab und an aus dem selbst gebauten Korsett befreit und wäre etwas beherzter zur Sache gegangen; aber auch so ist „Men Singing“ eine hörenswerte Scheibe geworden, die vor allem über Kopfhörer ihr träumerisches Potential entfaltet.
Wertung: 7.5 / 10