Review Hiraes – Solitary

Ein Ende ist oft auch ein Neuanfang: Dawn Of Disease haben sich im Jahr 2020 zwar aufgelöst, mit Sänger Tomasz Wisniewski gab es jedoch nur einen Abgang in Richtung Nyktophobia. Vier Fünftel der Besetzung blieben zusammen und riefen HIRAES ins Leben. Der Name leitet sich ab vom walisischen Wort hiraeth, was in etwa so viel bedeutet wie Nostalgie und Traurigkeit, Außerdem steht es für ein Gefühl von Heimweh oder der Sehnsucht nach verlorenen Orten der Vergangenheit. Recht düstere Gedanken also, die über dem Bandkonzept liegen. Diese legen nahe, dass mit Dawn Of Disease ein Kapitel geschlossen wurde, das im Endeffekt doch nicht das war, was die Musiker wirklich erfüllt hat.

Mit bedeutsamer Namensgebung blieb der Großteil der Gruppe also zusammen, der vakante Sängerposten wurde mit Britta Görtz prominent besetzt: Sie ist bekannt aus ihrer Zeit bei den Death-Thrashern Cripper und momentan aktiv bei Critical Mess. Die erfahrenen Musiker haben sich also weitere Erfahrung an Bord geholt und die merkt man „Solitary“ ganz deutlich an: Jede Note sitzt und alle Melodien zünden. Die neu firmierte Band weiß ganz genau, was sie kann und was sie will. HIRAES ist klar im schwedischen Melodic Death Metal verwurzelt, schaut aber auch über die Göteborger Grenzen hinaus.

Nach dem Instrumental-Intro „Shadows Break“ zeigt „Under Fire“ dies auch gleich auf. Nach wenigen Sekunden wähnt man sich bereits inmitten von Wikingern, die Melodie und der Rhythmus erzeugen Bilder von headbangenden Nordmännern mit langen Bärten vor dem inneren Auge – ein deutlicher Amon-Amarth-Einfluss ist erkennbar, der sich beim Riffing durchs gesamte Album zieht. „Grain Of Sand“ kramt anschließend tief in der „Reroute To Remain“-Kiste von In Flames und „1000 Lights“ wirkt wie eine Midtempo-Mischung aus beiden Bands. Auch melancholische Töne können die Rheinländer, das beweisen sie mit „Eyes Over Black“ und werfen damit ganz unverblümt Dark Tranquillity und Insomnium in ihren keyboardfreien Melodic-Death-Metal-Mix. Da dieser einen aggressiven Grundton anschlägt und die beiden Gitarristen die zweistimmigen Melodien auf technisch hohem Niveau darbieten, kommt man um die offensichtliche Referenz zu (älteren) Arch Enemy mit Angela Gossow nicht herum.

Das klingt nach einer wilden Mischung aus den großen Namen der Melodeath-Szene und ist es zu einem beachtlichen Teil auch. Schlecht macht das „Solitary“ nicht, ganz im Gegenteil: Jede der erwähnten Bands spielt oder spielte ihre Version des melodischen Death Metal auf extrem hohem Niveau. Eine Mischung aus den besten Zeiten dieser Combos kann ja gar nicht schlecht sein, vor allem, wenn diese wie von HIRAES technisch und kompositorisch einwandfrei präsentiert wird. Mit Britta ist dazu noch eine kraftvolle, aggressive Sängerin am Werk. Das Melodic-Death-Metal-Gewand passt äußerst gut zu ihr – im Vergleich zu den Vocals bei ihren extremeren Bands kommt ihre gesangliche Breite hier noch besser zum Vorschein. Sie dürfte an manchen Stellen noch etwas nuancierter brüllen, wie etwa bei „Strangers“, insgesamt ist das aber wie von ihr gewohnt eine starke Darbietung.

Fans von Dawn Of Disease und allen genannten Bands können mit „Solitary“ absolut nichts falsch machen. HIRAES sind Technik und Songwriting betreffend auf einem hohen Level, lassen aber aufgrund der allzu deutlichen Reminiszenzen an die Vorbilder noch zu sehr die eigene Identität hintenanstehen. Der Hörer weiß von Anfang bis Ende der Scheibe, was ihn erwartet – dadurch werden einerseits zwar alle Erwartungen erfüllt, andererseits fehlt das Überraschungsmoment und die großen Emotionen. „Solitary“ ist ein gutes Album, erst recht für ein Debüt – wenn es als Startpunkt und Ausblick für kommende Werke der Band gesehen werden kann, ist das wunderbar.

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Wertung: 7 / 10

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