Nach exakt zehn Jahren Bandbestehen legen die französischen Post-Black-Metaller IN CAUDA VENENUM (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Death-Metal-Band, die ebenfalls aus Lyon kommt) ihr zweites Album vor: „G.O.H.E.“ heißt das Werk geheimnisvoll, und vom Stil her könnte das Cover das weibliche Gegenstück zu Kirk Windsteins „Dream In Motion“ sein.
Hinter dem Titel (und damit wohl auch dem Gesicht auf dem Cover) steckt der Name Geneva Odelia Hilliker Ellroy, Mutter des amerikanischen Schriftstellers James Ellroy, die Opfer eines Sexualmordes wurde – ausgerechnet kurz nachdem ihr zehnjähriger Sohn ihr aus der Wut heraus den Tod gewünscht hatte. Das Album ist eine Abhandlung über den grausamen Tod von „G.O.H.E.“, aber auch den Absturz ihres Sohnes und wie dieser später durch das Schreiben von Kriminalromanen und die obsessive Untersuchung der Umstände von Geneva Ellroys Tod inneren Frieden sucht. IN CAUDA VENENUM erzählen die Geschichte in zwei überlangen Tracks. Dabei greifen sie stilistisch auf genretypische Screams wie auch Spoken-Word-Passagen im Stile von Sprachsamples zurück, in denen James Ellroy (selbst?) sein Leben rekapituliert.
Zu diesem düsteren, fordernden Topos liefern IN CAUDA VENEUM in insgesamt 43:59 Minuten den adäquaten Soundtrack: Stilistisch ist das Trio nach wie vor unverkennbar im Post-Black-Metal verhaftet; mitunter erinnern die Riffs deutlich an Genre-Vorreiter wie Wolves In The Throne Room und Konsorten. Doch IN CAUDA VENEUM verstehen sich auch bestens darauf, ihre Songs immer wieder durch verschiedenste Elemente zu erweitern: Der ständige Stilwechsel beim Gesang, aber auch (Synthie-)Orchestrierung, Cellomelodien oder Pianoeinsprengsel sorgen immer wieder für Abwechslung zum Schrammelriffing, ohne aber die Gesamtatmosphäre aufzuhellen. Im Gegenteil: „G.O.H.E.“ klingt konstant bedrohlich, düster, melancholisch und trübsinnig; vielleicht einen Tick zu konstant: Zwar haben die beiden Songs trotz ihrer beachtlichen Spielzeiten von jeweils über 20 Minuten keine Längen – trotz der reichen Instrumentierung aber kaum strukturelle Dramatik.
Einen Anteil an dieser allumfassenden Einheitlichkeit hat sicher auch der dichte, fast dumpfe Sound: Gerade das Schlagzeug geht stellenweise etwas unter, aber auch die Riffs klingen nicht so scharf, die Zusatzinstrumente nicht so markant wie sie könnten. Zwar klingt „G.O.H.E.“ so auch in Sachen Sound angemessen bedrückend – rein auf die Musik bezogen hätte dem Album ein etwas differenzierteres, extrovertierteres Klangbild aber vielleicht sogar besser zu Gesicht gestanden.
„G.O.H.E.“ ist ein konzeptionell wie strukturell durchdachtes Album, mit dem sich IN CAUDA VENENUM als versierte Musiker und ambitionierte Arrangeure präsentieren. Ob dem Trio das Händchen für die wirklich großen Momente (noch) fehlt, ob sie etwas zu verkopft an das Konzept herangegangen sind oder sich noch nicht genug zutrauen, ist schwer zu sagen. Der eine oder andere Stilbruch und etwas krassere Kontraste hätten dem Album jedenfalls gut getan. Doch auch so bietet „G.O.H.E.“ mit seinem eher subtilen Detailreichtum genug Anreize, sich eingehender mit der Musik zu beschäftigen. Das allein ist mehr als man von vielen anderen Bands des Genres gewohnt ist.
Wertung: 7.5 / 10