Review Panzerballett – Übercode Œuvre

Ein Album mit einem Cover-Song zu beginnen, ist eher ungewöhnlich. Sich dann mit „Bleed“ auch noch ausgerechnet den größten Hit der Mathcore-Legende Meshuggah vorzunehmen, wirkt geradezu vermessen. Wenn dieses Stück in der Neuinterpretation dann aber noch komplexer ist und sich in der Tracklist des „Übercode Œuvre“ betitelten Werkes wie selbstverständlich noch die „Ode an die Freude“ einreiht, weiß man schon ohne einen Blick aufs Cover: Hier ist etwas verdammt Wildes im Gange. Mit anderen Worten: ein neues Album von PANZERBALLETT.

Tatsächlich aber könnte auch das Cover nicht passender gewählt sein – denn „Übercode Œuvre“ ist wahrlich eine wahnwitzige Achterbahnfahrt. Die tobenden Fluten und sengenden Flammen des Artworks finden ihre musikalische Entsprechung in Septolen, Quintolen und Polymetrik (mehrere unterschiedliche Metren werden gleichzeitig gespielt), in Jazz-Saxophon und einem Who-is-who der Schlagzeuger, von Marco Minnemann über Anika Nilles bis Virgil Donati.

Durch die Zerrgitarren und den fetten Sound von Victor Bullok (Woodshed Studio) bleibt das Album bei allem Jazz trotzdem stark metallastig – sofern man bereit ist, über die eine oder andere Skurrilität hinwegzublicken. Die erwähnte „Ode an die Freude“ – ein Tribut an die Weltgemeinschaft, die dieses Lied während des Lockdowns der Corona-Pandemie von Balkonen sang – ist eine solche. Mit Conny Kreitmeier ist hier eine alte Bekannte aus dem PANZERBALLETT-Kosmos zu hören – im Duett mit der nicht minder renommierten Sängerin Andromeda Anarchia, ergänzt um ein paar gollumhafte Black-Metal-Screams. Technisch ist das, wie auch alles andere an „Übercode Œuvre“, über jeden Zweifel erhaben. Stilistisch jedoch haut Ode To Joy“ schon als einziger nicht rein instrumentaler Song in die Atmosphäre des auch sonst an Twists nicht armen Albums „wie der weiß glühende Morgenstern in Omas frisch gebackene Rüblitorte“, um im PANZERBALLETT-Jargon zu bleiben.

Wennschon dieser krasse Bruch in der Albummitte fraglos genau so beabsichtigt ist, ist damit – und das ist zugleich die gute Nachricht an alle, die sich von dieser Nummer eventuell an die Grenzen ihrer Stiloffenheit getrieben fühlen – die Fahnenstange der Extravaganz erreicht. Die als Albumabschluss am Ende der Tracklist platzierte instrumentale Version fügt sich beispielsweise deutlich geschmeidiger in den Reigen des hier Gebotenen ein, und sieht man einmal von der musiktheoretischen Grundnerdigkeit sämtlicher Ergüsse von PANZERBALLETT ab, lassen sich die anderen neun Songs auch (vergleichsweise) entspannt hören. Mit „Andromeda“ etwa liefert die Band fast so etwas wie eine Jazz-Metal-Ballade (und das in zwei Versionen, rechnet man die von Aaron Thier rhythmisch umgearbeitete Fassung „Andromedaron“ hinzu, die als Bonustrack der digitalen Albumversion beigefügt wurde). „The Four Seasons: Summer“ ist trotz all seiner Vertracktheit vergleichsweise catchy, und die Polyrythmik im wahrhaft diabolischen „The Devil’s Staircase“ lässt sich ebenso gut bestaunen wie akzeptieren.

Der Album-Hit für jeden Metalhead ist und bleibt natürlich die PANZERBALLETT-Fassung von „Bleed“. Vor dem Hintergrund, dass Jan Zehrfeld ehedem sogar seine Diplomarbeit über die Schweden und deren Rhythmik geschrieben hat, ist das der Song, auf den Fans beider Bands (vielleicht auch unwissentlich) gewartet haben. Darum herum, oder genauer gesagt daran anschließend, liefern PANZERBALLETT gewohnt ungewohnte Kost: Vertrackt und doch groovig komponiert, sowie mit dem gebündelten Talent ausnahmslos sensationeller Musiker atemberaubend umgesetzt, bietet „Übercode Œuvre“ eine Stunde Musik, die Stoff für stundenlange musiktheoretische Analysen bietet und doch – und hier schließt sich der Kreis zu Meshuggah – nie verkopft klingt.

Wertung: 9.5 / 10

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