Review Versengold – Zeitlos

Selbstbestimmt, im Hier und Jetzt – so wollen VERSENGOLD leben und musizieren. So ist die Popularität der Nordlichter in den letzten Jahren abseits bekannter Marktgefilde stetig gestiegen, besonders mit ihrem letzten Album „Im Namen des Folkes“. Nach der EP „Auf in den Wind“ folgt mit „Zeitlos“ eine weitere Zäsur in der Vita des Männerseptetts, das mit einer stilistischen Feinjustierung nun die Bedeutung seiner Texte auch musikalisch in den Vordergrund rückt. Ein kräftiger Appell, sich nicht von Erwartungen, Klischees, Normen und Modeerscheinungen in eine bestimmte Form pressen zu lassen – gepaart mit viel Tiefsinn und am Ende doch immer wieder der notwendigen Lebensfreude.

Wirklich neu sind dabei weder Schlagzeuger Schorti noch Bassist Eike, lediglich präsenter. Beide zählen zu alten Bekannten im VERSENGOLD-Kosmos und stießen nun als feste Mitglieder zur Kapelle. Das Ergebnis beweist, dass die norddeutschen Marktveteranen besonders für ihre Festival- und Clubshows eine goldrichtige Entscheidung getroffen haben. Direkt „Kein Trinklied“ als dritter Song profitiert vom neuen Mann an der Schießbude. Darüber hinaus kann der Text vielschichtiger gedeutet werden als es der Titel impliziert. Handelt es sich um eine schnöde Flasche Schnaps oder doch eher um eine generelle Lebenseinstellung? Abseits des textlichen Gehalts in diesem und vielen anderen Liedern glänzen die Geigen besonders in „Sol’s Reel“ und „Luna’s Reel“. Dazu prägen die Fideln den gleichnamigen Titeltrack. Der Text, die treibende Rhythmik und das helle, beschwingte Thema fordern dazu auf, die „Sonne von heute“ zu genießen und Teil von etwas zu werden, das durch alle Epochen hinweg Bestand hat: dem Phänomen Musik. Allein der Albeneinsteig und die Single „Hoch die Krüge“, das in eine ähnliche Kerbe schlägt, beweisen, dass VERSENGOLD immer noch VERSENGOLD sind – nur mit vollerem Sound und noch mehr Finesse. Die gesamte Produktion klingt hervorraggend ausdifferenziert und mit individuellem Fokus auf den einzelnen Instrumenten bzw. der Stimme von Sänger Malte.
Dass dem Fronter weiterhin der Schalk im Nacken sitzt, beweist er mit „Spaß bei Saite“, das relativ autiobiografisch viel von seiner Lebenseinstellung und seinem risikobehaftetem Künstlerleben, das ohne Sicherheiten und feste Arbeitszeiten auskommt, verrät. Mit intelligentem Wortwitz und der zentralen Frage, ob das unstete Musikerdasein eine Zukunft besitzt, zählt jenes Stück zu den Vorzeigesongs auf „Zeitlos“, genau wie „Ihr seid Musik“ als Dankeschön an die Fans. Maltes stimmliche Qualitäten glänzen jedoch besonders bei den zahlreichen ruhigen Momenten wie im mystischen „Schönheit der Schatten“, einem aussdrucksstarken Duett zusammen mit Faun-Vokalistin Katja Moslehner, oder dem sehr emotionalen „Wolken“. Im Zusammenspiel mit fein gesponnenem Gitarrenspiel von Daniel „Paule“ Gregory erklingt eine tief berührende Liebeserklärung an einen besonderen Menschen und das Leben selbst.

Eben jene Emotionalität ist auch die Krux an „Zeitlos“, denn besonders das feierwütige Publikum wird sich umgewöhnen müssen, so die Balance bei der anstehenden Tour ansatzweise der neuen CD entspricht. „Frühlingsgruß“, „Die Namen von Millionen“ und „Schlaflied“ als Abschluss überspannen den Balladenbogen etwas, während „Schon immer mal“ als fröhliches Intermezzo ein wenig arg seicht und poppig über die Lautsprecher dringt. Was allerdings auch diese Momente immer rettet, ist die hohe Lyrik von Texter Malte, der mit seinen literarischen Fähigkeiten deutlich über fast allen Genregrößen steht und keine einzige Quotenballade abliefert.
Ein bisschen erinnert „Zeitlos“ an „Mit Leib und Seele“ von Schandmaul, das ebenfalls eine andere Stimmung anschlug als seine Vorgänger. Stilistisch erfolgte bei beiden Combos ein deutlicher Bruch mit dem bisherigen Schaffen, vielleicht in Teilbereichen zu sehr. Addiert man allerdings – wie bei Schandmaul – die Qualitäten der Anfangsjahre an manchen Stellen und schraubt insgesamt wieder ein wenig am Tempo, dann kann VERSENGOLD mit dem Mix aus Alt und Neu in Zukunft der ganz große Wurf gelingen. „Zeitlos“ ebnet jedenfalls den Weg zu Nächstgrößerem, wenn man die Musiker so nimmt wie sie nun sind.

Wertung: 8 / 10

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