Review Fäulnis – Snuff || Hiroshima

  • Label: Cold Dimensions
  • Veröffentlicht: 2014
  • Spielart: Black Metal

Lange schon zählen FÄULNIS zu den Geheimtipps der deutschen Black-Metal-Szene. Nun melden sich die Nordlichter mit ihrem dritten Album zurück. Und auch, wenn unterdessen fast fünf volle Jahre verstrichen sind: verlernt haben die FÄULNIS ihr Handwerk seit der Veröffentlichung von „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“ nicht – im Gegenteil.

Bandkopf Seuche und seinen Mannen ist mit „Snuff || Hiroshima“ ein mitreißendes Album gelungen, das voll und ganz der Genre-Selbstbezeichnung „Black Doom Punk Rock“ gerecht wird: Roher, aber gefälliger Black Metal, zumeist im Midtempo gehalten, trifft auf ruhige Elemente (wobei der Terminus „Doom“ hier vielleicht etwas hoch gegriffen ist) und auf eine kräftige Portion Punkrock, die sich vor allem im Gesang manifestiert.

So ist es bei aller Eingängigkeit und „Süffigkeit“ der Musik auch vor allem Seuches Perforance am Mikrophon, die fasziniert: Harsch aber doch gut verständlich rotzt Sänger Seuche dem Hörer die Texte mit einer Emotionalität direkt vor die Füße, wie man sie sonst eher aus dem deutschen Punkrock als aus dem Black Metal kennt. Beachtung verdient aber nicht nur das wie, sondern auch, was der Hamburger heraus kotzt: Mit ihrer sehr stimmigen Ästhetik, die das Grau und die nüchterne Verbitterung von Nachkriegslyrik und Trümmerliteratur („In Ohnmacht“) elegant mit der Verachtung unserer Zeit („Distanzmensch, verdammter!“) verbindet, ohne dabei schwülstig oder pseudo-intelligent zu wirken, gehören die durchweg deutsch gehaltenen Texte mit zum Lesenswertesten, was die deutsche Black-Metal-Szene diesbezüglich bis dato produziert hat. Dass Titel und Texte wie die von „Weil wegen Verachtung“ oder „Durch die Nacht mit …“ einmal mehr Assoziationen zu lyrisch anspruchsvolleren Deutschpunk-Bands in Richtung Turbostaat, EA80 oder Pascow wecken, ist im Album-Kontext nur konsequent.

Aber es ist eben auch ebenjene Eingängigkeit der Musik: So hässlich die Atmosphäre der Lyrics auch sein mag, so schön sind die Melodien – ein Kontrast, der keineswegs zu einer unpassenden Dissonanz führt, sondern beide Extreme nur deutlicher hervorhebt: Dass Seuches Hasstiraden auf die verkommene Menschheit durch liebliche Melodien mit Ohrwurmpotenzial („Grauen“, „Abgrundtief“) oder eingängige, dabei aber eben nicht ansatzweise generische, sondern extrem eigenständige Riffs konterkariert werden, macht erst den Reiz dieses Albums aus. Und der ist groß: Lange hat man im deutschen Black Metal nicht ein so vielseitiges, spannendes und vor allem düsteres Album gehört.

Mit „Snuff || Hiroshima“ legen FÄULNIS ein Album vor, das gleichermaßen bodenständig wie erfrischend anders ist: Schon rein musikalisch herausragend, sind es am Ende dennoch die Texte in Verbindung mit ihrer mitreißenden Darbietung durch Sänger Seuche, die aus einem sehr guten ein wirklich herausragendes Album machen. Mit diesem Kniff gelingt der Band ein Werk, das jedem Black Metaller wärmstens empfohlen werden kann – das aber auch über die Genregrenzen hinaus Beachtung verdient hat und Anklang finden dürfte.

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Wertung: 10 / 10

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3 Kommentare zu “Fäulnis – Snuff || Hiroshima

  1. Ich kann der Rezension ebenso vollkommen zustimmen, würde aber 10/10 Punkten vergeben, da es bei diesem Album eben keinerlei negative Kritik gibt. Es ist musikalisch gut, solide und sehr ausgereift, aber die „mitreißenden Darbietung durch Sänger Seuche“ machen das Album eben „bemerkenswert“.
    Von mir gibt es daher 10 von 10 Punkte dafür. Solch ein Meisterwerk in dieser Szene schafften nur Nagelfar mit Srontgorrth innerhalb der letzten 15 Jahre.

    Gesanglich erinnert mich Fäulnis stark an die Band „Grabnebelfürsten“, mit nur einem Hauch von voluminöserem Gesang, und an „Lantlos“ in früheren Jahren. Rein musikalisch finde ich jedoch keinen Vergleich; darin sind sie äußerst individuell, auch wenn die Riffs im Einzelnen nichts besonderes sind. Hier machts die sowohl die dynamische Vielfalt in den Werken, als auch die Authentität (Wiedererkennungswert). Sie bleiben eben ihrem Stil durchgängig treu, was als positiv anzusehen ist, da dies eben auch bedeutet, dass sie sich damit identifiziert haben und sich selber treu bleiben (können). Manch andere Bands legen ein erstklassiges Debüt-Album hin, ehe sie dann im Nachfolge-Album eine gänzlich andere Richtung einschlagen…

    1. Nur der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass ich das Review eben, nach rund zehn Jahren, ein wenig überarbeitet habe – und dir mittlerweile zustimmen muss. Unter dem Zeitdruck, ein Review releasenah veröffentlichen zu müssen, ist die Hemmung oft groß, 10/10 zu vergeben … da ich aber bis heute kein vergleichbares Album gehört habe, und nach wie vor keinen Kritikpunkt gefunden habe, habe ich im Zuge der Überarbeitung nicht nur einen Absatz hinzugefügt, sondern auch die Wertung auf 10/10 hochgesetzt.

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