Review Fäulnis – Antikult

  • Label: Grau
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

Dass FÄULNIS die Szene mit ihrem Album „Snuff || Hiroshima“ aufmischten, ist nun auch schon wieder drei Jahre her – von seinem einzigartigen Charme hat der Dreckklumpen, den FÄULNIS damals auf ihre Hörer schleuderten, bis heute nichts eingebüßt. „Snuff || Hiroshima“ ist nach wie vor als Meisterwerk zu werten. Nun legen FÄULNIS nach: Unter dem für sich genommen schon genialen Titel „Antikult“ schicken sie neun nagelneue Nummern ins Rennen.

Während FÄULNIS den Hörer mit dem räudigen „Metropolis“ vergleichsweise traditionell schwarzmetallen empfangen und auch in Sachen Albumklang mit kratzbürstigem Gitarrensound und massig Verstärker-Feedback-Noise gleich klar aufzeigen, was Sache ist, offenbart sich im weiteren Verlauf des Albums schnell, dass „Antikult“ alles ist, nur kein lauwarmer Aufguss des überstarken Vorgängers. Denn während FÄULNIS im Großen ihren Sound beibehalten und verfeinert haben, bietet „Antikult“ im Kleinen so manche echte Überraschung.

Bereits das schleppend-traurige „Block 19, Mahlstrom“ ist atmosphärisch ganz anders gepolt als der Opener. Spätestens jedoch mit dem grandiosen „Im Auge des Sturms“ in der Albummitte beweisen FÄULNIS, dass sie auch noch ganz anders können: Düstere Melancholie macht sich breit, wenn Fronter Seuche seiner Verzweiflung mit kaputter Stimme zu ruhigen Clean-Gitarren und getragenen Melodien freien Lauf lässt. Wer jetzt Angst vor Verweichlichung hat, muss „Antikult“ nur weiterhören. Bereits das folgende „Kadaver“ dürfte hier nämlich Abhilfe schaffen. Auch „Arroganz von unten“ könnte kaum mehr nach FÄULNIS klingen. Dass die den FÄULNIS-Stil prägenden, schnellen 16tel-Läufe der Gitarren dabei oftmals nicht ganz sauber klingen, sondern von Saitenschnarren und Plektrumquietschen begleitet werden, dass FÄULNIS ihre Verstärker wo immer es geht ins Feedback treiben und der Sound generell extrem ungeschliffen klingt, passt hier ebenso ins Bild wie das weiße Rauschen, mit dem FÄULNIS „Antikult“ nach knapp 40 Minuten und dem gefühlvoll-dunklen „Der König“ enden lassen.

Kaum mehr nach FÄULNIS klingen könnten auch die Texte, die – verglichen mit „Snuff || Hiroshima“ – diesmal jedoch soundtechnisch deutlich tiefer im Gesamtmix des Albums verborgen und deswegen leider nicht mehr ganz so klar herauszuhören sind. Schon Geniestreiche wie der Albumname oder der in guter, alter „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“-Tradition gebildete Songtitel „Galgen, kein Humor“ lassen es jedoch erahnen: Das Nachlesen im Booklet lohnt sich! Einmal mehr völlig klischeefrei und unprätentiös schreibt sich Seuche auf „Antikult“ durch finsterste Abgründe und Alltagsdepression (Lies hier Seuches Liner-Notes im Track-by-Track-Special). Wer sich für düstere Gegenwartslyrik begeistert, sollte tunlichst zusehen, dass er sich auch mit der Musik von FÄULNIS anfreundet. Zumindest Black-Metal-affinen Musikhörern sollte das nicht schwer fallen. Dass FÄULNIS harten, schnellen, dreckigen Black Metal mit einer guten Schippe Punk-Rock-Attitüde können, ist schließlich spätestens seit „Snuff || Hiroshima“ bewiesen.

Mit „Antikult“ setzen die Hamburger nun noch einen drauf und erweitern ihr Spektrum um eine düstere, melancholische Note. Das Schöne daran ist, dass FÄULNIS nicht ihren ganzen Stil anpassen, sondern – während sie sich mit „Antikult“ im Großen und Ganzen treu bleiben – einzelne Ausreißer zulassen, die im Gesamtbild des Albums die echten Highlights darstellen. Gemeinsam mit den auch diesmal mehr als gelungenen Texten bleiben FÄULNIS so unterhaltsam wie unverwechselbar und damit eine unverzichtbare Bereicherung für jede Black-Metal-Sammlung.

Wertung: 9 / 10

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