Review Sonne Hagal – Ockerwasser

Sechs Jahre sind seit der Veröffentlichung des bezaubernden „Jordansfrost“, dem letzten Album von SONNE HAGAL, vergangen. Nun erscheint mit „Ockerwasser“ endlich der nächste Longplayer der Neo-Folk-Truppe.

SONNE HAGAL erschaffen eine in sich stimmige, wunderschöne Klangwelt, in die man wunderbar eintauchen kann, umgehen die Degradierung zur reinen Entspannungsmusik aber geschickt durch viele kleine Details, die den Hörer immer wieder aufschrecken lassen: In „Of Dissembling Words“ und „Black Spring“ etwa mischt sich in den sonst so reinen Gesang ein bedrohlicher, bisweilen sogar leicht aggressiver Unterton und mal mehr, mal weniger auffällige Dissonanzen in der Musik untermalen die eigentlich recht düsteren Texte. In einigen Songs spielen SONNE HAGAL auch Rhythmen, die sich fast schon ein wenig nach Martial Industrial anhören. Ganz so weit gehen sie dann aber doch nicht. So schön die Musik auch ist, in genau diesen düstereren Augenblicken reißt sie den Hörer am meisten mit und offenbart, wie viel Potential SONNE HAGAL noch hätten, würden sie sich Derartiges noch mehr trauen.

Auch wenn sie in Bezug auf die eben beschriebenen, denkwürdigen Momente Genre-Kollegen wie Rome, Orplid und Darkwood etwas hinterherhinken, stecken sie einen Großteil der Szene auf ganz andere Art in die Tasche: „Ockerwasser“ ist atemberaubend perfekt arrangiert und produziert. Die Musiker verweben dezente Violinen- und Trompetenklänge elegant mit der vor allem rhythmisch eingesetzten Akustikgitarre. Unterstützt wird der Sound bei Bedarf von Bass und Percussion. Ein großes Augenmerk liegt auch auf dem nuancenvollen, meist warmen Gesang und den vielen Samples von gesprochenen Stimmen und Geräuschen, die sehr sorgsam und mit Bedacht eingefügt wurden. All dies wird zu einem wirklich beeindruckenden, homogenen Klangteppich zusammengefügt. „Viel zu perfekt!“, könnte man schon wieder unken. Am Ende ist das natürlich Geschmackssache, aber genau dann, wenn dieser Teppich einmal durchbrochen wird (wie etwa durch die eingespielten brutalen Peitschenhiebe in „Assassins“) ruft „Ockerwasser“ die stärksten Emotionen hervor.

Ein persönlicher Wermutstropfen ist, dass SONNE HAGAL die Texte durchgehend auf Englisch geschrieben haben. Schade, die deutsche Lyrik gefiel mir auf dem Vorgänger „Jordansfrost“ besonders gut. Aber im direkten Vergleich der beiden Alben wird klar, wie viel die Band in den sechs Jahren geleistet hat: Anno 2014 ist ihre Musik wesentlich komplexer und ausgefeilter, die Band verzichtet zugunsten der Homogenität jedoch leider auf so einen überraschenden Hit wie „Totentanzlied“, die Neuvertonung eines alten deutschen Volksliedes auf „Jordansfrost“.

Fazit: Auch wenn es für den einen oder anderen vielleicht etwas zu glatt und perfekt sein mag, so ist „Ockerwasser“ trotzdem ein außergewöhnliches, wunderschönes Neo-Folk-Album geworden. Hoffentlich brauchen SONNE HAGAL nicht wieder sechs Jahre bis zur Veröffentlichung ihres nächsten Werkes.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Tobias Schultz

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