Interview mit Greg Puciato von Greg Puciato

Read the English version

Obschon seine frühere Hauptband THE DILLINGER ESCAPE PLAN seit 2017 Geschichte ist, wird Greg Puciato ganz gewiss nicht langweilig: Mit THE BLACK QUEEN er ein Projekt für elektronische Sounds gegründet, das Allstar-Metal-Projekt KILLER BE KILLED hat ein neues Album in den Startlöchern und mit „Child Soldier: Creator Of God“ legt Puciato noch ein Soloalbum obendrauf. Hier erklärt er, was er aus der Coronakrise gelernt hat, warum das Ende von DILLINGER keinesfalls zu früh kam und was ihn daran reizt, auch mal „Mainstream-Metal“ zu spielen.

© Jim Louvau

Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Wir sprechen zu besonderen Zeiten – ich hoffe, es geht dir trotz der Corona-Situation gut!
So gut es eben geht.

Wie ist die aktuelle Corona-Situation bei euch?
Es ist überall ist es ein bisschen anders. Das Land ist so groß, dass es je nach Wohnort drastische Unterschiede gibt. Ich befinde mich in der Gegend von Los Angeles, wir sind hier im Moment einer der am stärksten betroffenen Orte. Aber die Präsidentschaftswahl verbraucht im Moment den meisten Sauerstoff im Raum, sozusagen.

Gibt es auch etwas Positives, das du aus der Krise mitnehmen kannst – oder hat sie dich persönlich hart getroffen?
Nun ja, es gibt immer etwas Positives aus jeder Situation zu lernen. Insgesamt denke ich, dass die Kombination von Coronavirus und Trump zu einer Beschleunigung vieler notwendiger Gespräche geführt hat, die sonst vielleicht erst später begonnen worden wären, aber trotzdem hätten stattfinden müssen. Es hat sozusagen eine Lupe auf viele soziale und politische Probleme gerichetet und hat uns alle dazu veranlasst, unser eigenes Leben zu verlangsamen und zu überdenken. Es hat unser eigenes Selbstverständnis auf die Probe gestellt und unsere Wahrnehmung davon, was in unserem Leben wichtig ist.

© Jim Louvau

Hat die Corona-Situation auch die Entstehung deines Solo-Albums und das Album von KILLER BE KILLED beeinflusst?
Ganz und gar nicht, beide Alben wurden zum Glück noch fertiggestellt, bevor die Kacke wirklich am Dampfen war.

Und wie denkst du, wird die Pandemie den Erfolg dieser Alben beeinflussen? Schließlich kann man ja keine Tournee spielen …
Nun, es gibt ja keine Alternative. Ich glaube nicht, dass deswegen weniger Leute von den Alben erfahren, zumindest nicht auf lange Sicht. Nicht auf Tournee gehen zu können, ist natürlich ärgerlich, aber wir sitzen alle im selben Boot. Was bringt es, sich über das Wetter zu beklagen? Man muss die Karten spielen, die man bekommt.

Hättest du für dein Soloalbum überhaupt Konzerte geplant, willst du die Musik auf die Bühne bringen?
Ja, es gab unveröffentlichte Pläne für Shows für alle meine Projekte. Natürlich sind diese Pläne jetzt gestrichen, aber es wird einfach neue Pläne geben, wenn das hier zu Ende geht.

Musikalisch mixt du auf deinem Soloalbum verschiedene Stile, die du mit deinen Bands gespielt hast – den Metal von KILLER BE KILLED/THE DILLINGER ESCAPE PLAN mit dem Synthwave von THE BLACK QUEEN. Was war die größte Herausforderung dabei, dieser Stile zu einem Album zusammenzuführen?
Ehrlich gesagt war das für mich nicht wirklich eine Herausforderung, denn ich betrachte die Dinge eher im Hinblick auf die Emotionen denn auf das Genre. Wenn ich die Platte höre, höre ich unterschiedliche Emotionen, keine unterschiedlichen Genres. Es ist ja nicht so, als würde man unzusammenhängende Szenen aneinanderfügen und das Resultat dann „Film“ nennen. Für mich haben die Elemente alle eine Funktion. Es ist ein Album, keine Sammlung von Liedern. Wenn ich darüber nachdenke, betrachte ich es als eine Sache, von vorne bis hinten.

The Black Queen – Fever Daydream (2019)

Glaubst du, dass das Album am Ende eher für Fans von THE DILLINGER ESCAPE PLAN oder von THE BLACK QUEEN interessant ist?
Das weiß ich nicht und es interessiert mich auch nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Egal, wer es findet – wenn er daraus etwas für sich ziehen kann, ist es großartig. Lasst euch nicht aufhalten! Ich weiß nicht, woher die Leute momentan eher kommen. Ich veröffentliche einfach und mache weiter und mache mir nicht allzu viele Sorgen darüber, woher die Leute kommen.

Greg Puciato – Child Soldier: Creator Of God (2020)

Das Cover sieht interessant aus, aber mir ist nicht ganz klar, was zu sehen ist. Kannst du dieses Geheimnis lüften?
Es ist ein Ausschnitt aus einem Foto von mir als Kind, das ich so lange bearbeitet habe, bis es sich richtig angefühlt hat. Auf der Schallplatte geht es auf der Rückseite weiter, das hilft vielleicht, es zu erkennen. Für mich ist das super offensichtlich, weil ich weiß, wie das Originalfoto aussieht. Insofern finde ich es total spannend, dass andere Leute das nicht darin sehen. Aber das passt insgesamt sehr gut ins Konzept. Ich glaube, die Leute sehen bei mir generell, was sie sehen wollen, weil mein Output so vielfältig und extrem ist, so dass es immer mehr Fragen als Antworten gibt. Aber genau so sollte es auch sein.

Im Studio hast du mit verschiedenen Schlagzeugern gearbeitet – warum? Hat das die Arbeit einfacher oder komplizierter gemacht?
Verschiedene Musiker haben unterschiedliche Stärken. Ich habe die Schlagzeuger basierend darauf ausgewählt, wo ich ihre Stärken für die jeweiligen Songs gesehen habe. Sie sind auch alle meine Freunde, was es für mich zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Es wäre komplizierter gewesen, wenn ich ihre Stärken nicht schon vorher gekannt hätte oder wenn ich versucht hätte, eine einzige Person für alles einzusetzen. Mit verschiedenen Personen zu arbeiten hat es also tatsächlich einfacher gemacht.

Unter ihnen ist auch der Schlagzeuger von THE DILLINGER ESCAPE PLAN. Hast du auch noch Kontakt zum Rest der Band?
Wir sind nicht zerstritten, haben keine Probleme miteinander. Aber generell ist im Moment jeder auf seinen eigenen Pfaden unterwegs, und ich denke, es ist gesund, dass wir uns gegenseitig haben ziehen lassen. Jetzt, wo die Band nicht mehr aktiv ist, gibt es auch weniger zu besprechen, so dass wir nicht mehr ständig in super engem Kontakt stehen. Wir haben insgesamt viel Zeit miteinander verbracht, jetzt tauschen wir uns nur noch von Zeit zu Zeit aus, und das ist gut so.

The Dillinger Escape Plan – Dissociation (2016)

Was denkst du heute über das Ende von THE DILLINGER ESCAPE PLAN – war es zu früh, gerade richtig oder zu spät?
Definitiv nicht zu früh, und im Nachhinein betrachtet kam alles zur richtigen Zeit. Obwohl es während der Tour Phasen gab, wo ich mir gewünscht hätte, es wäre früher so weit gewesen – ich war nicht der größte Fan dieser Tour, ich wollte einfach nur das Album herausbringen und mit allem fertig sein.

Hast du jemals bedauert, dass ihr diese Entscheidung getroffen habt?
Definitiv nicht.

Killer Be Killed – Reluctant Hero (2020)

Aber KILLER BE KILLED sind dafür wieder aktiv – wie aus dem Nichts erscheint jetzt ein neues Album. Wann habt ihr dieses Projekt wieder aktiviert und wie ist die Zusammenarbeit für das neue Album verlaufen?
Wir haben in den letzten vier Jahren oder so gemeinsam daran gearbeitet und geschrieben, glaube ich. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, es ist alles schon sehr verschwommen. Wir haben uns ein paar Mal in Phoenix getroffen, jeweils eine Woche lang, jeder hat seine Ideen mitgebracht und wir haben auch komplett neues Material geschrieben. Als wir dann das Gefühl hatten, dass wir so weit sind, haben wir uns ins Studio begeben. Die Musik wurde komplett im April/Mai 2019 eingespielt, und dann habe ich im Januar dieses Jahres den Gesang aufgenommen.

Was reizt dich an diesem Projekt besonders?
Es hat seinen Stellenwert für mich und für die anderen Jungs. Es hat sich ganz natürlich gebildet, es ist eine Band mit Leuten, die ich als gute Freunde betrachte, und es ist aus der gleichen Begeisterung heraus entstanden wie alles andere, was ich mache. Wir alle sind einfach nur voller Enthusiasmus dabei, also machen wir weiter. Das Projekt ist für uns alle einzigartig, aus verschiedenen Gründen. Was mich betrifft, so ermöglicht es mir, ein Mainstream-Metal-Outlet zu haben, was ich nie wirklich hatte, daher ist das interessant. Ich fühle mich wie ein Indie-Schauspieler in einem Sommer-Blockbuster. Als ob Daniel Day Lewis in Terminator 2 mitspielen würde. So fühlt sich diese Band für mich an. Es macht auch Spaß, ab und zu nur wie ein Gitarrist denken zu müssen und sich überhaupt nicht um den Gesang zu kümmern.

Wollt ihr auch KILLER BE KILLED eines Tages auf die Bühne bringen?
Absolut! Das werden wir auch ganz sicher tun, wenn das alles hier vorbei ist.

Vielen Dank für das Interview – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Ein Hobby von dir, das nichts mit Musik zu tun hat: Mit meinem Labelpartner Jesse Draxler Basketball zu spielen.
Donald Trump: Faschist
Eine positive Erkenntnis aus der Corona-Zeit: Zu Hause zu kochen ist etwas Schönes. Ich hatte das in meinem Leben nie viel gemacht, aber jetzt bin ich voll angefixt.
Soulfly: Mein Freund Max
Der erste Drink, den du in einer Bar bestellst: Einen Whiskey-Shot oder einen gekühlten Tequila-Shot.
Black Metal: Wald in Skandinavien bei Nacht
Dein aktuelles Lieblingsalbum: Peter Gabriel  – So
Anzahl der Alben, an denen du in zehn Jahren mitgewirkt haben wirst: Wer weiß, ich habe in den letzten acht Jahren sieben und ein Buch („Separate The Dawn“) herausgebracht. Ich bin mir nicht sicher, wann sich mein Output verlangsamen wird, ich nutze es einfach aus, solange es kommt. Wir werden sehen.

Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank an alle, die sich hierfür interessieren – wenn sie es denn tun. Verliert nicht den Kopf und haltet euren Blick für Bullshit scharf, versucht all die Spaltung in der Welt zu durchschauen, und vielleicht schaffen wir es ja alle. Wir sehen uns.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert