Interview mit Jules Mitch und Dizzee Pascal von Setyøursails

SETYØURSAILS wollen mit ihrem zweiten Album und Labeldebüt die Metalcore-/Post-Hardcore-Szene aufmischen. „Nightfall“ ist ein persönliches, emotionales Album geworden. Inwiefern das Sängerin Jules Mitch bei der Vergangenheitsbewältigung hilft und was die persönlichen Texte ihr bedeuten, erzählt sie uns im Interview. Außerdem sprach Schlagzeuger Pascal mit uns über den Sound und die Weiterentwicklung von SETYØURSAILS sowie die politische Grundhaltung der Bandmitglieder.

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Setyoursails - Nightfall CoverartworkAm 21. Januar 2021 habt ihr bei Napalm Records unterschrieben, auf den Tag genau ein Jahr später kommt nun euer zweites Album „Nightfall“ heraus. Was hat sich für euch verändert, seit ihr bei Napalm unterschrieben habt?
Pascal: Im Vergleich zu vorher macht es natürlich einen riesigen Unterschied. Wir hatten zum ersten Mal ein Budget zur Verfügung mit dem wir Album, Videos, Artwork usw. produzieren konnten. Beim ersten Album war halt noch alles self-made, dieses Mal hatten wir die Möglichkeit, in einem Studio aufzunehmen und die Songs abmischen zu lassen, was allein einen großen Unterschied gemacht hat.

Wie habt ihr euch seit dem Debüt „Enough“ selbst als Musiker weiterentwickelt, was macht ihr auf eurem zweiten Album besser?
Pascal: Ich würde sagen, es ist wesentlich ausproduzierter, unter Anderem da wir zum ersten mal mit Produzenten zusammenarbeiten konnten. In dem Fall waren das Christoph Wieczorek und Julian Breucker. Außerdem haben wir uns auch mehr Zeit dafür genommen. Das erste Album haben wir relativ schnell aufgenommen, da wir zu der Zeit einfach Material brauchten, um uns für Auftritte zu bewerben.

setyoursails bandfoto
© Peter Leukhardt

„Enough“ war noch sehr ungestüm, auf „Nightfall“ verfolgt ihr einen viel melodischeren Pfad mit detailreicheren Songs. War euch von Anfang an klar, in welche Richtung ihr gehen wollt und haben ihr auf eurem zweiten Album euren Stil gefunden?
Pascal: Ich denke „Nightfall“ repräsentiert SETYØURSAILS deutlich besser als das erste Album. Dadurch, dass wir mehr Zeit hatten, haben wir die Songs viel bewusster geschrieben und aufgenommen. Wir haben den Stil aber vorher nicht genau festgelegt. Ich denke, wir haben einfach die Musik gemacht, die wir selbst gut finden.

Wie würdet ihr euren Stil und euren Sound selbst beschreiben, was macht euch besonders aus?
Pascal: Abwechslungsreich, würde ich sagen. Ich finde, auf „Nightfall“ klingt nicht ein Song wie der Andere, sondern es gibt eine gewisse Bandbreite. Von eher heavy zu teilweise eher etwas ruhigeren Tracks.

Was ist die Idee hinter dem Coverartwork, wofür steht die verschleierte Person?
Pascal: Das war eher Zufall. Unsere Sängerin Jules hat diese Statue zu Hause stehen und dachte sich irgendwann, dass es ein ganz cooles Covermotiv wäre. Dann hat Sie dem Rest der Band die Idee präsentiert und wir waren derselben Meinung. Zudem passt es auch von der Atmosphäre sehr gut zu „Nightfall“, da sie eher etwas düsteres repräsentiert.

Ihr habt mit Rudi Schwarzer (Annisokay) und Andreas Dörner (Caliban) zwei prominente Gastsänger auf dem Album. Wie kam es zu den Gastbeiträgen?
Pascal: Unser Management hat die beiden für uns angefragt und Ihnen die jeweiligen Songs vorgestellt. Beide haben sofort zugestimmt. Wir waren sehr glücklich, da wir die Bands Annisokay und Caliban natürlich auch privat hören und gut finden. Daher war es nochmal umso cooler für uns, dass es die beiden Featuregäste geworden sind.

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© Peter Leukhardt

„Nightfall“ ist ein sehr persönliches Album geworden. War es euch/dir von Anfang an wichtig, hier viele persönliche Emotionen hineinzustecken? Hatte das zum Teil eventuell auch einen therapeutischen Effekt?
Jules: Ja, auf jeden Fall! Ich habe unsere Writing-Sessions immer „Self therapy sessions“ genannt. Weil es genau das war. Ich habe es geschafft, mit meinen Lyrics das auszusprechen, was ich so nie konnte. Dass das Album so persönlich geworden ist, kam aber natürlich.

„Secrets“ ist ein trauriges Lied mit einem melancholischen Text. Hattest du eine schwere Kindheit bzw. eine komplizierte Beziehung zu deiner Mutter?
Jules: Meine Kindheit war super. Meine Teenagerjahre eher nicht. Ich hatte viele Jahre keinen Kontakt zu ihr, was sich glücklicherweise wieder geändert hat. Unsere Beziehung war sehr schwierig und wir haben viele Jahre darunter gelitten. Heute haben wir ein super Verhältnis und ich bin sehr froh, dass sie wieder ein Teil meines Lebens ist.

Einige Texte, etwa „Why“ und „Mirror“ drehen sich um Selbstzweifel, sind eventuell sogar eine Abrechnung mit sich selbst. Bist du beim Schreiben der Lyrics tief in dich selbst gegangen und hast dich reflektiert?
Jules: Ja, auf jeden Fall. Ich krame immer sehr tief in mir, wenn ich Lyrics schreibe. Ich habe angefangen, Songs zu schreiben, damit ich das ausdrücken kann, was ich im täglichen Leben nicht schaffe. Kein Therapeut konnte mir jemals so gut helfen, wie ich mir selbst. Und was hätte unsere Musik für einen Wert, wenn ich nicht darüber schreiben würde, was in mir vor geht?

In „Anchor“ geben es um einen Anker, der einen selbst vor dem Ertrinken rettet und damit im Leben hält. Wer oder was ist dein Anker, vor allem auch in Zeiten von Corona?
Jules: Meine Freundin ist mein Anker. Es ist das erste und wahrscheinlich einzige indirekte Liebeslied, was ich jemals geschrieben habe. Er ist tatsächlich schon vor einigen Jahren entstanden, aber irgendwie wollte ich ihn nochmal auskramen, weil er einfach zu meiner Geschichte gehört.

Evolutions’s a failure, we’re heading backwards with our own behavior“ lautet eine Zeile in “Reason” und selten schien sie treffender als während der Pandemiezeit. Worauf bezieht ihr die Aussage, welche evolutionären Fehler standen dem Song Pate?
Jules: Eigentlich muss man nur den Fernseher einschalten, um diesen Satz bestätigt zu bekommen. Es gibt so unglaublich viel Hass und Dummheit da draußen. In der Pandemiezeit haben sich noch die ein- oder anderen Spezialisten herauskristallisiert. Wir können einfach nichts mit dieser Hass-Kultur anfangen. Wenn sich jeder um sich selbst und noch etwas um seine Mitmenschen kümmern würde, dann hätten wir wesentlich weniger Probleme in dieser Welt. Aber man hat das Gefühl, dass die Menschheit nichts dazulernt und das ist wirklich schade und beschämend.

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© Peter Leukhardt

Der Promotext besagt, ihr bezieht klar Stellung gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie. Warum sind euch diese Themen wichtig, wie sind eure persönlichen Erfahrungen damit?
Pascal: Wir finden diese Sachen machen die Welt nur schlechter und nicht besser, da sie alle auf Ausgrenzung beruhen. Es ist halt Bullshit, andere Menschen aus welchen Gründen auch immer auszugrenzen. Deswegen sind wir entschieden dagegen. Ich denke, jeder von uns hat schon einmal seine Erfahrungen damit gemacht und hat sich danach immer eher schlechter als besser gefühlt.

Als abschließenden Track habt ihr „Shallow“ aus „The Star Is Born“ gecovert. Wie kam es dazu, was verbindet euch mit dem Song? Die eigentliche Ballade wirkt bei euch teilweise gar mehr nicht so balladesk.
Pascal: Das war eine Idee unseres Managers. Wir wollten auf jeden Fall einen Song covern, aber der konkrete Vorschlag zu dem Song kam von ihm. Wir haben das als Challenge gesehen, den Song heavy zu interpretieren. Das hat auf jeden Fall Spaß gemacht und wir sind auch mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Die meisten Termine eurer anstehenden Tour mit Annisokay wurden von Januar/Februar auf Mai 2022 verschoben. Wie seht ihr der Tour momentan entgegen? Kann sich überhaupt Vorfreude einstellen oder überwiegt eher die durch die letzten zwei Jahre allgegenwärtige Unsicherheit?
Pascal: Wir hoffen natürlich, dass wir bis Mai an dem Punkt sind, dass es wieder Konzerte geben kann. Wir sind aber aus den letzten zwei Jahren gewohnt, uns immer nur unter Vorbehalt darauf zu freuen, weil es halt leider alles nicht absehbar ist. Für uns war und ist das schon sehr ärgerlich, da das unsere erste richtige Tour als Support ist (die ja ursprünglich schon im Oktober 2020 hätte starten sollen) und unser Lieblingsteil des ganzen Bandalltags ja schon die Liveauftritte sind. Wir versuchen momentan dennoch positiv zu bleiben und arbeiten darauf hin.

Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein…
Pascal:
Aktuelles Lieblingsalbum: „Enema Of The State“ von Blink-182.
Bestes Film-/Serien-/Buch-Universum: „The Witcher“.
Videospiele: „Grand Theft Auto“.
Klima: Ist wichtig, sollte man wertschätzen.
Etwas, das einen schlechten Tag besser macht: Musik.
SETYØURSAILS in 10 Jahren: Hoffentlich bis spätestens dahin wieder auf Tour. (lacht)

Nochmals vielen Dank für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir.
Ebenfalls vielen Dank. Wir hoffen, Euch und Eure Leser vielleicht bald mal auf Tour oder auf einem Festival zu sehen.

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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