Konzertbericht: Árstíðir

17.02.2019 München, Zehner

Nach ein paar einzelnen Abstechern machen sich die isländischen ÁRSTÍÐIR dieses Jahr auf den Weg quer durch Europa. Im Gepäck haben sie dabei sowohl ihr neues Album „Nivalis“ wie auch ihren ersten Label-Deal mit Season Of Mist. Die Qualitäten der Nordwesteuropäer haben sich bereits im Vorprogramm von Solstafir angedeutet, allerdings mussten sie damals ohne Geige und Cello auskommen. Mit vollständigem Lineup erreichen die melancholisch-verträumten Lieder noch einmal eine ganz andere Dimension und Tiefe. 

Für die ganz großen Clubs reicht es zumindest in München (noch) nicht: Der Zehner ist relativ gut gefüllt, als sich die Musiker etwas später als angekündigt den Weg durch die Menge bahnen. Von Rumänien über Tschechien und die Schweiz führt ihre Reise über Deutschland nach Österreich und Polen. Die Reisestrapazen scheinen ÁRSTÍÐIR nichts anhaben zu können, die Bandmitglieder wirken unglaublich entspannt und zufrieden. Die kleine Bühne stößt bereits vor Beginn des Konzerts an ihre Kapazitätsgrenzen, doch nach kurzer Vorbereitung arrangieren sich alle Beteiligten und legen los. Ihr Gastspiel in der bayerischen Landeshauptstadt beginnen ÁRSTÍÐIR genau wie „Nivalis“, mit dem Dreiergespann bestehend aus „While This Way“, „Lover“ und „Please Help Me“. Schnell wird deutlich, dass das harmonische Zusammenspiel aus Gesang und Streichern, Gitarren sowie Keyboard auf eine sehr intensive Art für wohlige Gänsehautatmosphäre sorgt. Der Sound von ÁRSTÍÐIR bedient sich dabei aus den unterschiedlichsten Schubladen: Die folkrockigen Momente erinnern an Simon & Garfunkel und in den progressiveren Phasen auch an Sigur Rós. Dazu schwingt in vielen Stücken ein gewaltiger Hauch Melancholie mit, wie man ihn von Dead Can Dance kennt. Das Ergebnis ist überraschend wenig komplex, sondern oft eher eingängig wie guter Pop und immer wieder überraschend in den Nuancen. Vor der kurzen Pause brillieren beispielsweise die Streicher in „Shades“ besonders, im Auftakt zur zweiten Hälfte des Konzerts wird es dafür eher akustisch mit gitarrenlastigen Singer-Songwriter-Stücken wie „Sunday Morning“.

Trotz wachsender Bekanntheit halten ÁRSTÍÐIR viele Stücke in ihrer Landessprache. Nur allzu gerne berichten die Musiker in ihren Ansagen über die Inhalte und loben später sogar ein Freibier als Preis für denjenigen aus, der die korrekte Aussprache von „Friðþægingin“ beherrscht. Einige Besucher scheitern zur Überraschung der Band nur knapp. Prägend für den Abend ist neben den hochemotionalen Kompositionen auch der spürbare Einschlag von Klassik wie am Ende bei „Passion“ sowie die Tatsache, dass viele verschiedene Stimmen für ein breites Sangesspektrum sorgen und es keinen einzelnen Lead-Sänger gibt, sondern – wie die Mitglieder selbst verdeutlichen – sich die Stimmen nach den jeweiligen Anforderungen richten. Es ist kein Zufall, dass erst ein YouTube-Video von einer spontanen Gesangseinlage am Bürgerbahnhof Wuppertal die Musiker überregional bekannt gemacht hat. Inzwischen nähert sich die Performance der 7-Millionen-Marke. Im Zugabenblock gehen die Musiker für ein kurzes Ständchen aus ihrer Heimat in den Zuschauerraum vor der Bühne und beweisen, dass sie auch in der aktuellen Formation hervorragend harmonieren und aufeinander eingespielt sind. Allgemein vereinen ÁRSTÍÐIR in ihrem Indie-Folk stimmlich wie musikalisch verschiedenste Facetten und fügen diese zu einem harmonischen Ganzen zusammen, ohne mit einem Schema F zu langweilen.

Mit wachsendem Erfolg von Bands wie Heilung könnten auch ÁRSTÍÐIR hierzulande und in Europa weiter wachsen, wenngleich die Show bei den Isländern ganz im Zeichen der Musik steht. Umso überraschender ist es, wie gut das simple Erfolgsrezept auf Dauer unterhält. Festivals wie das Festival-Mediaval, das WGT oder auch das TFF täten gut daran, dieser Formation regelmäßig eine größere Bühne zu bieten. Die Musiker bringen alles mit, um Besucher mit einer Schwäche für Neo-Folk überall auf der Welt zu begeistern.

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