Festivalbericht: Feuertanz Festival 2011 – Tag 2

18.06.2011 Burg Abenberg

Tag 2 begann wie Tag 1 aufgehört hatte – zumindest aus wettertechnischer Sicht. Trüb, wolkig, windig und vor allem regnerisch. Dennoch steigerte sich das Niveau des gesamten Festivals: Um 13 Uhr eröffneten INGRIMM den zweiten Feuertanztag. Die Mittealter-Metaler aus Krefeld hatten an diesem Tag nicht nur mit dem Wetter zu kämpfen, sondern auch mit bandinternen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit. So verließ Sackpfeifenspieler Hardy die Band erst kurz vor dem Feuertanz und Ingrimm blieben nur zwei Proben, um eine neue Geigerin (!) und einen anderen Dudelsackspieler bestmöglich zu integrieren. Vor diesem Hintergrund liefertet die Band trotz anfänglicher Soundschwankungen der gröberen Natur eine wirklich gute Leistung, besonders im Vergleich zum letztjährigen Veldensteiner Festival, welches sie ebenfalls eröffneten. Am Dudelsack war Dax vom Berg von Vroudenspil zu hören, der sichtlich Spaß am Freibeuterausflug in mittelalterliche Metalgefilde hatte. Auch das Publikum unterstützte Ingrimm tatkräftig. Ein insgesamt rundum gelungener Auftakt, was auch Sänger Fenris sehr wohlwollend und dankbar zur Kenntnis nahm.

Dax vom Berg verließ die Bühne nur kurz, denn als nächstes standen VROUDENSPIL auf dem Billing: Mit einer gesunden Mischung aus Folk, Ska und Rock avancierten die Süddeutschen nahe ihrer Heimat schnell zu neuen Publikumslieblingen und insgesamt den großen Gewinnern des Wochenendes. Live funktionierten die Songs ihres zweiten Longplayers „Tote Narren“ ebenso gut wie die des Vorgängers „Lunte gerochen“. Allen voran die folkigen Gute-Laune-Nummern „Rum für die Welt“ und „Der alte Sack“, doch auch düstere Kompositionen wie „Kurs Aufs Leben“ und der auf CD eher sperrige Titeltrack „Tote Narren“ fügten sich stimmig ein. Für jazzige Experimente holten sich die Freibeuter mit ihrem Dudelsackbauer Dominik Pawlat, den viele noch unter seinem Saltatio Mortis-Bandnamen Dominor der Filigrane kennen dürften, eine weitere musikalische Bereicherung auf die Feuertanzbühne. Die Stimmung jedenfalls entwickelte sich prächtig und rechtfertigt in jedem Fall einen weiteren Aufstieg, wenn Vroudenspil in absehbarer Zeit ganz sicher wieder auf den fränkischen Burgenfestivals zu sehen sein werden. Arrr!

Ungewohnt früh enterten HAGGARD nach erwartungsgemäß längerer Umbaupause die Bühne. Im Vergleich zum letztjährigen Festival Mediaval wirkte die Besetzung mit rund 15 Musikern beinahe klein – davon profitierte die Bühnenshow. Statt eines eher statisch-pompösen Nachtkonzerts in Selb herrschte auf dem Feuertanz reges Treiben und besonders Su Ehlers am Sopran kam mit ihrer unglaublichen Stimmgewalt, die sie selbst bei den höchsten Tönen nicht im Stich lässt, voll zur Geltung, ohne in der Mischung aus klassischen und neumodischen Instrumenten unterzugehen. Zwar fehlten im Haggard’schen Klangbild vereinzelt dann doch ein Keyboard hier oder ein Cello da, doch dank einer spürbar motivierten Crew und einer sichtlich gut gelaunten Sopranistin blieb die Stimmung auf einem konstant guten Niveau, bis Haggard ihren 45-minütigen Auftritt mit dem insgesamt fünften Song „Herr Mannelig“ krönten. 45 Minuten und fünf Lieder? Ja, überraschenderweise blieben die Crossover-Fetischisten weit unter ihrer eigentlichen angedachten Spielzeit von einer Stunde und reagierten auch nicht auf die auffällig lauten Forderungen nach Zugaben, da sie nach Aussage von Frontmann Asis den übrigen Gruppen nichts von ihrer Zeit stehlen wollten. Trotz einer starken musikalischen Leistung blieben somit einige verdutzte und verwirrte Gesichter zurück. Generell schienen Haggard mit ihrem Standing auf dem Billing nicht 100%ig zufrieden zu sein. Immerhin führte dies aber scheinbar zu einem besonderen Motivationsschub bei Asis & Co., denn vor Festivalpublikum habe ich den Metal/Klassik-Mix selten so ansteckend und beinahe ekstatisch erlebt.

Mit OMNIA kehrte der Sonnenschein zurück ins Frankenland. Verblüffend: Kaum erklangen die ersten Töne aus Jennys Keyboard und Harfe, schon schien die Sonne quer über das Gelände direkt in die Gesichter der Musiker, die die Wärme sichtlich genossen. Nach dem Ausstieg von Didgeridoo-Spieler Luka kurz nach Veröffentlichung des neuesten Omnia-Albums „Wolf Love“ präsentierten die Niederländer mit Maral und Daphyd gleich doppelten Ersatz: Während Daphyd seine Sache an farblich etwas fragwürdig gestalteten Didges und Slidges solide machte, trat das neueste weibliche Bandmitglied nur beim gerappten Protest „Dance Until We Die“ nennenswert in Erscheinung. Ansonsten hielt sich die Frau, die optisch an eine Amazonaskriegerin aus Hollywoodblockbustern erinnerte, mit ihren Handtrommeln im Hintergrund. Langjährige Omnia-Fans werden sich an das Bühnenbild ohne Luka erst noch gewöhnen müssen. Vertraut war hingegen der Anblick von Kelvin Kalvus, der zusammen mit einer seiner Schülerinnen u.a. zu „Richard Parker’s Fancy“ mit seinen Glaskugeln für wahrlich magische Momente sorgte. Diese spielerische Symbiose aus den instrumentalen Rhythmen und den fließenden Bewegungen der Artisten rundete zusammen mit Sicks politischen Protestreden gegen Regierungen und Zollbehörden einen der abwechslungsreichsten Auftritte des Wochenendes ab. Etwas überraschend konnten Omnia dadurch für die absolute Mehrheit der Festivalbesucher ihren Spot vor Haggard problemlos rechtfertigen und sich sogar für weitere Festivals dieser Art empfehlen. Besonders im Laufe der letzten beiden Jahre haben die Niederländer mit eingängigen Szenehits wie „Love In The Forest“ und „Toys In The Attic“ bekannteren Pagan Folk-Kombos den Rang abgelaufen und sich an der Speerspitze des Genres etabliert. Beide Titel hatten sie natürlich auch auf ihrer Setliste in Abenberg, so dass die Sonne im Laufe der rund 80-minütigen Folkshow beinahe unbemerkt wieder verschwand.

Vielleicht wollte sich der hellste Stern auf Erden auch den Anblick von KORPIKLAANI ersparen, die als Semi-Headliner ins Rennen gingen und mittlerweile ziemlich in die Jahre gekommen sind. Anfangs wirkten die Musiker des Klans des Waldes ein wenig verloren und verwirrt auf der Abenberger Bühne, wo sie bereits mehrfach aufgetreten sind. Ein Zufall, dass in den folgenden rund 1,5 Stunden vorwiegend Wodka, Bier und andere alkoholische Getränke im fließenden Wechsel besungen wurden? Wohl kaum. Leider war der Auftritt der Finnen mit Fokus auf ihr 2011er Album „Ukon Wacka“ frei von jeglichen Highlights und Experimenten, so dass besonders in der hinteren Hälfte viele den eingängigen Einheitsbrei mit eingeschränktem Themenspektrum mehr nebenbei als mit gebannter Miene verfolgten. Das war auch nicht unbedingt nötig, denn Korpiklaani spulten ihr Programm recht unbeeindruckt von den Publikumsreaktionen herunter und verließen sich ganz auf ihre Hardcoreanhänger in den ersten Reihen hinter dem Fotograben. Dies klingt nun negativer als es ist, da diese finnische Ausprägung des Folk Metals mit Songs wie „Wooden Pints“ auch für die Allgemeinheit durchaus starke Momente hatte. Allerdings fehlte der Aufhänger für eben mehr als ein paar Augenblicke, bei denen die Besucher, die keine Korpiklaani-Fans sind, aus dem kompositorischen Kauderwelsch herausgerissen wurden. Folglich hatten die meisten dieses Konzert scheinbar bereits wenige Minuten nach dem Ende wieder vergessen.

Als Headliner des zweiten Tages hatten SCHANDMAUL die denkbar undankbare Aufgabe, sich mit dem sehr starken Vortagsheadliner Saltatio Mortis messen zu müssen. Doch die Münchner erwischten einen glänzenden Tag und so geriet der Mittelalterolymp am Freitag zwar mächtig ins Wanken, doch letztlich fiel er am Samstag nicht. Im Vergleich zur Hallentour war die Festivalsetliste der Münchner mehr auf Party ausgelegt und die Stimmung im gut gefüllten Auditorium bewies, dass die Mäuler selbst nach über zehn Jahren und unzähligen Auftritten in Abenberg und Co. noch ordentlich (folk-)rocken. Sänger Thomas schien sich in der Zwischenzeit auch an seinen Rucksackverband für die lädierte Schulter gewöhnt zu haben, so dass er sich erfolgreich auf sein Kerngeschäft besinnen konnte: Singen und blöde Sprüche reißen. Dank der fortgeschrittenen Tageszeit präsentierten sich Anna und Birgit etwas weniger freizügig als sonst, während es musikalisch querbeet vom „Traumtänzer“ zum „Teufelsweib“ und schließlich zur „Walpurgisnacht“ ging. Letzteres reißt auch nach mehreren Jahren die Massen immer noch mit.Zusätzlich zur Musik präsentierte sich das Bühnenbild wie schon bei SaMo am Vortag farblich überraschend stark und Schandmaul gruben – sehr zur Freude der Fans der ersten Stunde – sogar kleine Perlen wie das „Trinklied“ aus längst vergessenen Tagen nochmals aus. Trotz wachsender Konkurrenz müssen die Bayern keine hervorkommenden Bands fürchten, wenn es um Liveauftritte unter freiem Himmel geht. Dort wirken Schandmaul im Festivalrahmen ohne zu viele balladeske Allüren noch einen Ticken besser als in den mittelgroßen Hallen.

Nicht unerwähnt soll der mitternächtliche Auftritt von KELVIN KALVUS und DUNKELSCHÖN im Burgsaal bleiben. Nur wenige Meter entfernt von der Bühne wirkte die Kontaktjonglage mit bis zu sechs Glaskugeln im gediegenen Ambiente zur Musik von Valravn noch beeindruckender als beim Omnia-Auftritt wenige Stunden zuvor. Mit Dunkelschön fand das Feuertanz Festival 2011 schließlich einen würdigen Abschluss.

Publiziert am von Uschi Joas und

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