Konzertbericht: Kreator w/ Dimmu Borgir, Hatebreed & Bloodbath

07.12.2018 München, Zenith

„The European Apocalypse“ heißt die Tour, die schon im Vorhinein die Geister scheidet: Die einen freuen sich über die erfrischend abwechslungsreiche Bandzusammenstellung. Die anderen ärgern sich darüber, dass sie für nur eine Band aus „ihrem“ Genre stolze 45 Euro zahlen sollen.

So ist um 18:00 Uhr, als BLOODBATH den Abend eröffnen, in der großzügig abgehängten Halle noch reichlich wenig los. Doch auch die treuen Anhänger, die sich vor der Bühne versammelt haben, bekommen leider wenig Sehenswertes geboten: Fronter Nick Holmes wirkt im Anzug und ohne jede Bühnenpräsenz auf der großen Bühne ziemlich verloren. Die Saitenfraktion hingegen kann sich musikalisch nicht durchsetzen: Im viel zu leise abgemischten Gesamtsound kommen die Riffs erst bei den letzten Songs im halbstündigen Set überhaupt zum Publikum durch. So ist sogar das großartige „Outnumbering The Day“ („Nightmares Made Flesh“, 2004) mit seinen charakteristisch heulenden Gitarren kaum zu erkennen. Erst der Bandhit „Eaten“ stimmt – auch dank des engagiert mitsingenden Publikums – als Konzertabschluss halbwegs versöhnlich.

  1. Fleischmann
  2. Let the Stillborn Come To Me
  3. So You Die
  4. Bloodicide
  5. Outnumbering The Day
  6. Chainsaw Lullaby
  7. Eaten

Ganz anders da HATEBREED: Bereits bei den ersten Tönen des Openers „To The Threshold“ ist klar, dass man sich diesmal nicht über schlechten Sound ärgern muss. Der straighte Hardcore von HATEBREED kommt klar und kraftvoll aus den Boxen. Ob es an dieser Tatsache liegt, an Jamey Jastas Entertainerqualitäten oder daran, dass Hardcore vielleicht etwas besser zu Thrash passt als Death Metal – Fakt ist: HATEBREED kommen an. Rasante Circlepits, aus vollen Kehlen mitgesungene Refrains und die generell gelungene Interaktion zwischen dem sympathischen Jasta und seinem Publikum geben der Darbietung ein Extra an Energie und Dynamik. Mag die Spannungskurve über die gebotenen 50 Minuten hinweg auch etwas abflachen – spätestens beim finalen Brecher „Deastroy Everything“ („Supremacy“, 2007) ist das zahlenmäßig mittlerweile etwas angewachsene Publikum wieder voll dabei.

  1. To The Threshold
  2. A.D.
  3. Looking Down The Barrel Of Today
    […]
  4. Filth
  5. As Diehard As They Come
  6. Beholder Of Justice
  7. This Is Now
  8. Doomsayer
  9. Perseverance
  10. I Will Be Heard
  11. Destroy Everything

Dass das Publikum vor der Bühne nun gründlich durchwechselt, kommt nicht überraschend: Die Symphonic-Dark-Metaller DIMMU BORGIR lassen sich selbst in diesem heterogenen Billing schnell als der Außenseiter identifizieren und sind stilistisch gewiss nicht Sache eines jeden Thrashers. Doch auch die alteingesessenen Fans der Norweger werden heute trotz fulminanter Lightshow nur in Maßen glücklich. Zum einen liegt das am Sound, der zwar differenziert, aber für einen Co-Headliner ohne Frage deutlich zu leise aus den Boxen kommt. Zum anderen aber natürllich auch an den jüngsten musikalischen Entwicklungen bei DIMMU BORGIR.

So lassen die kitschigen Stücke von „Eonian“ (+/, 2018) auch live eher an Nightwish denn an den Symphonic Black Metal der Zeit um die Jahrtausendwende denken. Zumal – trotz Live-Keyboarder – mehr vom Band als von der Band kommt: Neben ganzen Orchester-Spuren gilt das auch für diverse Gesangsparts.
Erst in der zweiten Hälfte des Sets demonstrieren DIMMU BORGIR, was ihnen zu ihrem guten Namen verholfen hat: Direkt hintereinander feuern sie „Puritania“ und „Indoctrination“ von „Puritanical Euphoric Misanthropia“ ab, legen mit „Progenies of the Great Apocalypse“ („Death Cult Armageddon“, 2003) direkt noch einen drauf und machen mit dem obligatorischen „Mourning Palace“ („Enthrone Darkness Triumphant“, 2001) den Deckel zu. Geht doch, möchte man ihnen zurufen – warum denn nicht gleich so?

  1. The Unveiling
  2. Interdimensional Summit
  3. The Chosen Legacy
  4. The Serpentine Offering
  5. Gateways
  6. Dimmu Borgir
  7. Council Of Wolves And Snakes
  8. Puritania
  9. Indoctrination
  10. Progenies Of The Great Apocalypse
  11. Mourning Palace

Probleme mit zu geringer Lautstärke haben KREATOR im Anschluss definitiv nicht: Als die Essener Thrash-Legende zu Iron Maidens „Run To The Hills“ um 21:50 Uhr die Bühne entern und mit dem Klassiker „Enemy Of God“ ins Set startet, sind alle Zweifel am Sound mit einem Mal weggewischt: Im besten Sinne ohrenbetäubend, messerscharf, kristallklar – jede dieser Metaphern passt hier so gut, dass man sich fragt, warum am gleichen Abend in der gleichen Halle zuvor drei Bands mit widrigen Soundbedingungen zu kämpfen hatten.

Zumindest KREATOR-Fans kommen damit heute voll auf ihre Kosten: Gute 75 Minuten lang spielen sich Mille Petrozza und seine drei Mitstreiter quer durch ihre Diskographie: Immerhin zehn ihrer 14 Alben finden dabei mit zumeist einem Song Beachtung. Sieht man von der etwas fragwürdigen Schunkelnummer „Satan Is Real“ ab, finden dabei mit Klassikern wie „People Of The Lie“, „Phobia“ und „Violent Revolution“, aber auch neuen Krachern wie „Gods Of Violence“ oder „Phantom Antichrist“ quasi ausschließlich Hits ihren Weg ins Set. Dass Mille Petrozza zudem auf längere Ansagen verzichtet, rundet die Show im positiven ab – hatte sich der KREATOR-Fronter früher doch gerne noch in ausschweifenden Ansagen zu Gott und der Welt verloren.

Nur über das optische Showkonzept lässt sich uneins sein. Die Idee, die Bühne mit „Kirchenfenster-Elementen“ in eine Kathedrale zu verwandeln, geht leider nicht wirklich auf. Die Fenster wirken an der großen Bühnenrückwand in Spinal-Tap-Stonehenge-Manier ziemlich verloren. Umso gigantischer ist der dazwischen hängende KREATOR-Schädel. Zugegeben, im „Oldschool“-Sinne ist das Pappmaché-Monster ganz cool – wirkt aber gerade deswegen auch etwas aus der Zeit gefallen. Vor allem im Kontrast zu den vier modernen LED-Leinwänden, die allerdings mehr aus Selbstzweck stehen, wo sie stehen: Während bei „Fallen Brothers“ zumindest die Portraits diverser verstorbener Musiklegenden über die Leinwände laufen, sind die Visualisierungen bei den anderen Songs eher mäßig. Hier wäre generell weniger eventuell mehr gewesen – zumal KREATOR mit Konfettiregen, Luftschlangen, Rauch- und Feuersäulen und Statisten mit Pyrotechnik auch davon abgesehen noch genug Effekte für drei Bands im Programm haben.

Die Freude an der Musik lässt sich davon freilich niemand nehmen, sodass zumindest KREATOR-Fans heute – egal, ob im wilden Moshpit vor der Bühne oder im mittlerweile angenehm gefüllten hinteren Teil der Halle – für ihr Geld und die „Strapazen“ der drei Vorbands mit bester Unterhaltung entlohnt werden.

  1. Enemy Of God
  2. Hail To The Hordes
  3. Awakening Of The Gods
  4. People Of The Lie
  5. Gods Of Violence
  6. Satan Is Real
  7. Phantom Antichrist
  8. Fallen Brother
  9. Flag Of Hate
  10. Phobia
  11. Hordes Of Chaos (A Necrologue For The Elite)
  12. Violent Revolution
  13. Pleasure To Kill

Am Ende des Tages muss man die Frage, ob solche Touren aus Fan-Sicht wirklich Sinn ergeben, aber zumindest im konkreten Fall wohl mit nein beantworten. Gerade für Fans von DIMMU BORGIR, die seit 2010 (damals mit Korn) beziehungsweise 2007 (als Headliner) nicht mehr in Deutschland getourt sind, ist der Abend eine Enttäuschung, da die Norweger trotz Co-Headliner-Konzept mit Vorband-Sound abgespeist werden.

Doch auch für Vorbands ist das Setting – wenngleich von allen Frontern einhellig gelobt – wohl nur begrenzt sinnvoll: BLOODBATH etwa gehören mit ihrem frühen Slot sicher nicht zu den Gewinnern der Tour, und ob sich das HATEBREED-Merch (trotz starker Show) gut an das KREATOR-/DIMMU-Publikum verkaufen lässt, darf zumindest angezweifelt werden.

Gewiss, für KREATOR selbst bedeutet eine Headlinertour in den nächstgrößeren Hallen einen großen Schritt und Fans der Band bekommen eine aufwändige Produktion geboten, die sich ohne Diskussion sehen lassen kann. Doch Band wie Fans hätten am Ende vermutlich mehr davon gehabt, mit alldem auf das nächste Album zu warten – schließlich waren die Essener mit dem damals noch pressfrischen „Gods Of Violence“ und einer sehr ähnlichen Setlist bereits im Februar 2017 auf Tour.

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