Konzertbericht: Serdar Somuncu

13.04.2016 Augsburg, Spectrum Club

Am Abend des 13. April gastierte SERDAR SOMUNCU mit Band im Spectrum Club Augsburg, um eines von sieben Konzerten der „Sexy Revolution & The Politics“-Reihe im Jahr 2016 auf die Bühne zu bringen. In diesem Rahmen präsentierte der Kölner neben eigenen Songs auch einige Geschichten rund um Themen wie Sexualität, Politik und aktuelles Weltgeschehen. Frei nach dem Motto „Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung!“ offenbarte dieser Abend unverblümt, warum der Hassias weiterhin Satire erschafft, die an Grenzen geht und sie oftmals überschreitet.
Serdar Somuncu Logo2„Mister SS“ betrat unter Beifall die Bühne betrat und lieferte mit „Ich bin der Hassias“ den musikalischen Einstieg, der den weiteren Verlauf des Abends exemplarisch einläutete. Der Kölner trug eine Obituary-Kappe im Camouflage-Stil, die er einst bei einem Konzert der US-Amerikaner klauen konnte, bevor ihn der Death-Metal-Mob für einen Spruch zu ihren Frisuren meucheln konnte. Darauf folgte ein kurzer Einwurf in grober Todesmetall-Manier, die man demIMG_9316 Kabarettisten auf diese Art nicht zugetraut hätte, bevor er seine Band kurz und prägnant mit Kommentaren unter der Gürtellinie vorstellt. „Sushi Muschi“ erzählt die Geschichte einer ehemaligen Partnerin, die beim Geschlechtsakt einfach nicht kommen wollte. Im Anschluss folgt eine eindringliche Rede über Fremdenhass, Pegida und seine Meinung zu „dem ganzen Pack“, die musikalisch umrahmt wird und im eindringlichen, aber zeitlich minimalistischen Titel „Angst“ mündet. Zum Titel „Schnelle Nummer“ begibt er sich ins Publikum, um eine Zuschauerin aus der ersten Reihe mit auf die Bühne zu nehmen. Dort singt er ihr gefühlvolle Zeilen, die er mit anzüglichen Äußerungen begleitet. Einem männlichen Zuschauer, der zufällig diesen Bericht verfasst hat, nähert er sich im Anschluss ebenfalls auf körperliche Art und bietet ihm unverblümt seine oralen Fähigkeiten an. Mit diesem Akt begeben sich die fünf Musiker in eine knapp 15-minütige Pause. Die Lacher hatte der Kabarettist bis hierhin auf seiner Seite, aber die mehrfach geforderte Tanzbewegung zu den funkigen Kompositionen blieb bisher aus.

Der zweite Teil der Show wurde von einer Erzählung der selbstgegründeten Religion, dem Hassismus und einer IMG_9326Aufforderung zum Missionieren eingeleitet. Immerhin sei der Hassias Gott, Prophet, Sohn und Heiliger Geist in einer Person. Ebenso ließ sich SOMUNCU über die Political Correctness aus. Schließlich ist es doch langweilig, wenn man vor einer Beleidigung stundenlang überlegen muss. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry, die liebevoll als „Fotze“ betitelt wurde musste, ebenso wie die Anhänger der Partei, einige unschöne Wahrheiten über sich ergehen lassen. Dieser brachial formulierten Kritik folgte passenderweise der Titel „Inkonsequent“, der von der vermeintlichen Leichtigkeit der bürgerlichen Meinungsbildung berichtet. Die berühmte Hitler-Verkörperung durfte an diesem Abend natürlich nicht fehlen und manifestierte sich in „Der Mann mit dem Bart“. Im Folgenden wurden weitere Gruppierungen durch den ungefilterten Hass des Künstlers getroffen, der auch „Negern, Juden, Türken, Frauen, Kindern und Männern“ in keinster Weise verschont. Das Volk der Nation am Bosporus wurde auch sogleich von dieser Diskriminierung getroffen, als ein junger Zuschauer dem Alleinherrscher die Hand küssen und sich die Frage gefallen musste, ob er seinem Vater schon einmal die Texte seiner Lieblingsrapper übersetzt habe. Daraufhin stimmte SERDAR SOMUNCU seine Band auf eine Improvisation ein, die Haftbefehl mit dem exzessiven Gebrauch der Textzeile „Ich ficke dich“ parodierte. Nach einer sIMG_9319pontanen Breakdance-Einlage zu „Rapper’s Delight“ folgten mit „Supermann“, das der Zuschauerin in Hälfte eins gewidmet wurde, und das simpel-eingängige „Pussy“ zwei Highlights. Die abschließenden Zugaben bildeten sich zum einen aus einem Schlagzeug-Solo des Hauptakteurs, in das später der reguläre Drummer einstieg und beide so eine beachtliche Synchrondarbietung erschufen. Zum Abschluss feierte man in Anlehnung an James Brown eine Messe zwischen Soul und Gospel, in deren Verlauf auch eine Krankenheilung nicht fehlen durfte. Bei diesem Schlussstück war letztendlich das Eis gebrochen und das Augsburger Publikum ließ sich zum nahezu ekstatischen Tanzen hinreißen.

  1. Ich bin der Hassias
  2. Sushi Muschi
  3. Angst
  4. Schnelle Nummer
  5. Inkonsequent
  6. Der Mann mit dem Bart
  7. Ich ficke dich (Haftbefehl Parodie)
  8. Rapper’s Delight
  9. Supermann
  10. Pussy
  11. Drum Solo
  12. Who’s Your God?/Hallelujah (James Brown Tribute)

An diesem Abend blieb kein Auge trocken und keine Minderheit verschont. Wer den Kabarettisten kennt, musste aber mit diesen herben Schlägen unter die Gürtellinie rechnen. Eigentlich erwartet es man von SERDAR SOMUNCU aber, dass er auf Konventionen pfeift und Meinungen ausspricht, die mancher sich nur insgeheim zu denken traut. Fernab dieser bekannten Pfade konnte der Künstler aber auch gesanglich überzeugen. Die Bandbreite von Rap, Metal, Soul, Funk und Reggae war in dieser Qualität nicht zwingend zu erwarten. Auch musikalisch bekam man solide und vor allem tanzbare Momente geboten. Einige neue Anhänger des Hassismus werden sich an diesem Abend sicher gefunden haben. Am 14. Oktober wird SOMUNCU mit seinem Programm „H2 Universe – Die Machtergreifung“ nochmal in Augsburg gastieren. Diverse Gesichter des heutigen Publikums werden sich dort sicherlich wieder einfinden.

Publiziert am von Christian Denner

Fotos von: Christian Denner

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