Konzertbericht: Warschauer Sinfoniker – Herr der Ringe O.S.T.

23.02.2008 Bochum, Ruhrkongress

Kultur, gerne kommt sie zu kurz. Dabei gibt es ja eigentlich genug Möglichkeiten an jeder Straßenecke, doch oft steht man vor dem Problem: wer geht denn überhaupt mit, denn alleine ist ein Konzertbesuch ja irgendwie wenig cool. Da bot sich plötzlich eine Gelegenheit, denn dieser Tage touren die Warschauer Sinfoniker durch halb Europa und präsentieren den Originalsoundtrack aus der „Der Herr der Ringe“-Trilogie von Howard Shore. Und so warfen wir uns an einem lauschigen Samstagabend in eine entsprechende Kostümage bestehend aus Anzug und Schlips und marschierten in den für Metaller nicht eben üblichen Ruhr-Kongress in Bochum. Kaum vor Ort, zeigte sich, dass das Publikum erwartungsgemäß aus jüngeren Menschen bestand, der Autor kam dabei etwas overdressed daher.

Egal, schließlich handelte es sich nicht um ein alltägliches Event, im Innenraum waren geschätzte 1500 Stühle aufgestellt, die zum überwiegenden Teil auch besetzt waren, als Punkt 20 Uhr der Saalgong das Konzert einläutete. Alleine der Aufmarsch der über 200 Künstler nahm einige Minuten in Anspruch und so steigerte sich die allgemeine Vorfreude bis zum Äußersten, bis endlich Dirigent Marek Tracz die Bühne betrat. Solange konnte das erwartungsfrohe Publikum schon mal die Bühne in Augenschein nehmen: natürlich musste jeder Quadratzentimeter ausgenutzt werden, um die Musiker unterzubringen, dazu gesellte sich ein sehr angenehmes Licht in vorwiegend warmen Farben, sowie einem frischen blau. Die Nebelmaschinen dürften ziemlich heiß gelaufen sein, denn das gesamte Konzert über wurde pausenlos der weiße Dunst produziert, was besonders der direkt daneben ansässigen Cello-Fraktion nicht so gepasst haben dürfte, wurden die empfindlichen Instrumente doch die ganze Zeit mit benebelt.

Wenn man jemals eine Vorstellung von einem Dirigenten hatte, Tracz erfüllte sie bestens: bereits leicht gebrechlich – er musste auf die Bühne geführt werden – ging er sogleich mit seinem langen grauen Haar in die Vollen, schwang den Taktstock, gestikulierte wild, kommunizierte mit Publikum und Musikern, eben ganz so, wie man sich einen Dirigenten eben vorstellt. Unter dem äußerst atmosphärischen Eindruck der Bühnengestaltung spielte sich das Orchester querbeet durch den gesamten Soundtrack. Dass nicht jedes Stück Berücksichtigung finden konnte, versteht sich bei einem Gesamtvolumen von etwa vier Stunden von selbst. Trotzdem gelingt es den Inszinierern, beinahe alle Highlights im zweistündigen Programm unterzubringen. Mir persönlich fehlte eigentlich nur das wunderbare „The Breaking Of The Fellowship“, welches im ersten Teil zu Enyas „May It Be“ überleitet. Dieser Titel war einer der besonderen Gänsehautmomente, traumhaft sicher von der Altstimme gesungen, die zeigte, dass klassische Sängerinnen nicht zwangsläufig beleibt und wenig ansehnlich sein müssen. Ganz im Gegenteil, die junge Polin vom Chor der schlesischen Philharmonie zeigte sich ausgesprochen hübsch, zumindest aus einiger Entfernung. Die Karten im vorderen Bereich wären wohl unbezahlbar gewesen, fast jedenfalls.

Neben „May It Be“ war auch „Into The West“ ein ganz großer Moment, Gänsehaut und feuchte Hände dürften hier jeden der begeisterten Zuschauer „ereilt“ haben. Wie die diversen Musiker machen auch die Solistinnen keinerlei Fehler, einfach phantastisch, wie professionell der Auftritt war. Dazu der mächtige Chor und als besonderes Highlight die Percussiongruppe „Rivendell“, welche vom Aussehen direkt aus Mittelerde zu stammen schienen. Wie in Trance prügelten die drei Männer und eine Frau auf ihren Trommeln herum und gaben dem Konzert eine wahnsinnige Dynamik. Erstaunt war ich etwas über den ausgesprochen hohen Solistinnen-Einsatz, im Soundtrack kommt es einem kaum so vor, als wenn so oft solo gesungen würde, aber dies liegt vermutlich an der reichlichen Instrumentierung. Diese ist übrigens gar nicht so leicht zu spielen, wie es sich auf CD eventuell anhören könnte. Ich war jedenfalls ziemlich überrascht, wie die Finger über die Griffbretter fegten. Ebenfalls interessant ist, dass zwar das eine Leitmotiv (welches zum Beispiel am Ende von „May It Be“ in gleißendem Licht erstrahlt) gnadenlos ausgereizt wurde, die andere einprägsame Melodie, welche sich sehr anhört, als wenn sie aus dem Largo von Dvoraks 9. Symphonie („Aus der neuen Welt“) „entliehen“ wäre, aber völlig ausgespart wurde. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Ein Haar in der Suppe, das findet man eigentlich bei jedem Konzert und irgendwie ist das ja auch die Aufgabe des Journalisten. Im Vorfeld fragten wir uns, wie die visuelle Umsetzung wohl aussehen würde, immerhin schwebte über den Musikern eine riesige Leinwand, auf der sehr fein Impressionen aus den Filmen hätten gezeigt werden können. Die angebotenen Grafiken erinnerte allerdings mehr an die Hägar-Comics (z.B. immer dann, wenn ein wuchtig gedachter Schild präsentiert wurde) oder an die Cartoons aus Politsendungen wie „Wiso“ (als ein albern aussehendes Pferd über eine Mittelerde-Karte schwebte). Da wäre sicherlich einiges mehr drin gewesen, allerdings hätte dies vielleicht auch von der Musik abgelenkt und das wäre ja auch nicht zweckdienlich gewesen. So bleibt unterm Strich ein unvergesslicher Abend in Erinnerung sowie der feste Vorsatz, mal wieder ein kulturelles Event zu besuchen.

Publiziert am von Jan Müller

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