Der Black Metal der ersten Stunde zeichnete sich mitunter dadurch aus, dass der Gitarrensound extrem höhenlastig und trashig, der Bass hingegen nahezu garnicht zu hören ist. Dass das bei Black Metal der alten Schule aber nicht zwangsläufig so sein muss, beweisen die Franzosen ANNTHENNATH mit ihrem Debüt „States Of Liberating Departure“…
Doch zunächst fällt an „States Of Liberating Departure“ etwas anderes auf – nämlich die Liebe zum Detail, mit der das Album durchkonzipiert wurde. Seien das nun Artwork oder die Gemeinsamkeit aller Songtitel, aus zwei Worten zu bestehen – man merkt der CD an, dass hier nichts halbherzig produziertes vorliegt, sondern ein Album, in das viel Herzblut gesteckt wurde.
Davon durchaus wohlgesonnen, startet man also die Wiedergabe. Typisch schwedischer Black Metal, Setherial, Blackwinds und Konsorten lassen grüßen, schallt aus den Boxen und weiß durchaus zugefallen – bösartigkeit des Gesangs, Abwechslungsreichtum der Songs, Bösartigkeit der Riffs: Alles im grünen Bereich… vielleicht nicht über die Maßen aussergewöhnlich, aber dennoch durchaus gelungen. Wirklich aussergewöhnlich hingegen ist, wie bereits in der Einleitung angedeutet, der Einsatz des Basses – agiert dieses, im Black Metal nur all zu oft sträflich vernachlässigte Instrument hier weniger als Rhythmusgeber, denn als Melodieträger: Ob seiner beachtlichen Lautstärke im Mix ist dieser ominpräsent, was dank der interessanten Bass-Spuren, die sich nicht darauf beschränken, das Gitarrengeschrammel zu oktavieren, der Musik durchaus eine neue Dimension verleiht. So wirkt der primitivste Riff interessant, wenn darüber ein Bass soliert… viel mehr noch: Die Gitarren treten merklich in den Hintergrund, so dass, bis auf bei Solopassagen der Sechssaiter Schlagzeug, Bass und Gesang die Zentralen Instrumente in der Musik von ANNTHENNATH darstellen.
In wie weit man sich mit diesem Konzept anfreunden kann, muss wohl jeder selbst entscheiden. Zugegebenermaßen, es ist nicht ganz einfach, sich an diese Instrumentengewichtung zu gewöhnen, wirkt der ein oder andere Basslauf doch fast etwas aufdringlich, der weiche, cleane Bassound gerade in den harten Passagen ungewohnt abmildernd auf das ansonsten bösartige Gebräu harten Drummings und blackmetallenen Gitarrensounds. Und doch, irgendwie entwickelt diese Mischung eine gewisse Eigendynamik: Wäre der Black Metal, den ANNTHENNATH hier darbieten, sonst vielleicht gutes Mittelmaß, gibt dieses Experiment dem Material den nötigen Schuss Eigenständigkeit, beweist, dass die Band mehr kann – und vor allem will – als bloß stur das tun, was bereits Generationen schweineblutübergossener Pandagesichter vor ihnen getan haben.
Dass ANNTHENNATH, von den Bassläufen abgesehen, quasi nebenbei, verdammt guten Black Metal mit Feeling, Atmosphäre und Spirit machen, gerät darüber fast in Vergessenheit – ein kleiner Nachteil des derart dominanten Tieftöners. Hat man sich jedoch an dessen Präsenz im Mix gewöhnt und schafft es, sich nicht nur auf diesen, sondern das Gesamtwerk zu konzentrieren, bieten ANNTHENNATH mit ihrem Debüt-Album ein wahres Freudenfest an in sich stimmigen Songs, die vielleicht nicht durch Ohrwurmcharakter, dafür aber sehr wohl durch eine gelungene Gesamtstimmung zu überzeugen wissen. Experiment geglückt!
Wertung: 8.5 / 10