Review Deserted – Warning (EP)

Progressiv Rock ist langweilig, öde und sowieso nur Studentenmusik? Diese Klischees werden oft mit diesen Genre in Verbindung gebracht. Das mögen viele jüngere Hörer so empfinden, wenn sie alte Prog-Helden wie Genesis, Yes oder ELP hören. Doch das man progressive Musik auch frisch, rockig und bewegungstauglich gestalten kann, beweisen jetzt DESERTED! Das sind vier junge Musiker aus Bonn, deren Ursprünge bereits ins Jahr 1996 zurückgehen, als Gitarrist und Hauptkomponist Björn Donath zusammen mit Schlagzeuger Jens Fischer seine erste eigene Band „Acid Rain“ gründete. 1999 stieß Sänger Phillip Honrath dazu, drei Jahre später dann Bassist Philipp Immenkötter. Seit 2003 ist man unter dem Namen DESERTED unterwegs und legt nun die erste EP „Warning“ vor.

Schon der Bandname lässt dabei viele Rückschlüsse auf die Musik zu, die uns in den gut 30 Minuten der Scheibe erwartet. Auf Deutsch übersetzt bedeutet er soviel wie „verlassen, menschenleer, öde“. Damit ist sowohl die instrumentale Seite, als auch die lyrische Komponente der Band gut zusammengefasst. Auf den ersten Blick mögen die sechs Songs auf „Warning“ gar nicht allzu progressiv erscheinen. Anfänglich dachte ich eher an rockigen, groovigen, wie der Bandname schon sagt „trockenen“ Alternative Rock, wobei man viel Wert auf moderne Gesangs- und Gitarrenarrangements legt.

Der Opener „Different Opinion“ knallt zu Beginn auch gleich mit harten, aber eingängigen Riffs aus den Boxen. Doch sobald der Gesang von Philipp Honrath einsetzt, fährt man eine Stufe zurück, begleitet ihn mit schönen, ruhigen Gitarrenlicks und stellt auch den Bass mehr in den Vordergrund. Erst zum Refrain hin legt man wieder eine Schippe Heavyness drauf – allgemein sind die Refrains der Band meistens sehr flott und rockig. Sicherlich sind DESERTED nicht die progressivste Band dieser Erde, aber ihre Songs sind mit Feinheiten durchsetzt, die hervorstechen und so nicht von jeder beliebigen Rockband serviert werden. Feinheiten, die eben klarmachen, dass wir es hier doch mit einer modernen, tatsächlich jugendkompatiblen Version zumindest progressiv angehauchter Musik zu tun haben. Wie sonst soll man sich erklären, dass bei Konzerten das Publikum lauthals mitsingt und sogar rumpogt (was bei Prog-Konzerten ja nun überhaupt nicht üblich ist), im nächsten Moment bei einer Ballade die Feuerzeuge rausholt und wenig später aufmerksam auf Björns wild solierende Finger schaut?

Als Beispiel für die oben erwähnten Feinheiten sei mal der Instrumentalpart des Titeltracks genannt, in dem man zunächst ein Gitarrensolo auffährt, dann überraschend ein Basssolo folgen lässt und an jenes einen Funk-Rock-Part anschließt. Im sogar siebenminütigen „Each Time“ finden wir schließlich einen ziemlich perfekten Progsong, mit vielfältigen Stimmungen und einem zweiminütigen, äußerst gelungen und mitreißenden Gitarrensolo. Generell ist festzuhalten: Meistens kommen die progressiven Impulse von Gitarrist Björn Donath, sein Riffing und Solospiel ist erfrischend und prägt den Sound der Band enorm. Da die Band auf Keyboards verzichtet, liegt es an Björn, den Sound so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Drummer Jens Fischer wagt sich ebenfalls an so manch schwierigeren Rhythmus. Wichtig in den Songs der Band sind zudem einprägsame, rockige, aber auch gefühlvolle Melodien, die den Spagat zwischen Eingängigkeit und Eleganz ganz wunderbar meistern. Hierzu höre man die schöne Ballade „Declared To Be Alone“ oder das abschließende, rein akustische „A Life Worth Living“.

Damit wäre wir auch schon beim wichtigsten Punkt, denn für die Melodien ist bei DESERTED Sänger Philipp Honrath zuständig. Er ist der ganz große Pluspunkt, das Markenzeichen der Band. Sein gefühlvoller, einfühlsamer, aber auf Abruf auch sehr rockiger Gesang gibt der Band erst eine richtige Identität. Auch wenn mich seine Stimme an so manchen Shouter amerikanischer Mainstream-Rockbands erinnert, so haucht er dennoch den Songs und Lyrics erst richtiges Leben ein. Live kommt sein Gesang sogar noch besser und stellenweise auch aggressiver rüber. Ich wünschte, ich hätte mit 21 Jahren auch schon so eine Stimme! Die Texte der Band behandeln, wie oben schon angedeutet, auch Themen, die man mit dem Begriff „deserted“ sehr gut zusammenfassen kann. Soweit ich die Lyrics richtig interpretiere, geht es um das gesellschaftliche Zusammenleben, unsere täglichen Probleme damit und vor allem die Sorgen und Gedanken, die wir uns darüber machen. Ein Feld, das nicht immer aufmunternd ist, was sich auch in der Musik widerspiegelt. Rein textlich sind die Jungs also gar nicht mal soweit von den amerikanischen Mainstream-Proggern Enchant entfernt.

Insgesamt ist „Warning“ ein sehr schönes erstes Ausrufezeichen einer Band, der ich mehr erfolgt wünsche, weil sie eben frisch und unverbraucht klingt und dabei keineswegs oberflächlich zu Werke geht. Jüngere Alternative Rock- und Progrock-Fans sollten an den einprägsamen Melodien und den rockigen Riffs besonderen Gefallen finden.

Anspieltipps: „Each Time“, „Declared To Be Alone“

Keine Wertung

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