Review Ian Gillan – Live in Anaheim

  • Label: Edel
  • Veröffentlicht: 2008
  • Spielart: Rock

August 2006: IAN GILLAN, die Stimme von Deep Purple, kehrt gerade von einer Tour mit seiner Stammband zurück. Anstatt die Gelegenheit zu nutzen und wie ein normaler Mensch Pause zu machen, schart er die Musiker seines Soloprojekts Gillan’s Inn um sich und begibt sich auf einen tausende Kilometer langen Trip durch die USA. Am 14. September machen die Herrschaften im Anaheimer House of Blues halt, um den Besuchern dieses Etablissements eine ordentliche Ladung Blues’n’Roll um die Ohren zu hauen.

Der gesamte Auftritt jenes Abends wurde nun, eineinhalb Jahre später, auf zwei CDs gebannt, die den Bluesrock-Liebhaber gute 100 Minuten lang beglücken. GILLAN hat für die Tour eine absolut leckere Setlist aus dem Ärmel gezogen, auf der sich unter dem Deep Purple-Standardwerk „Smoke on the Water“ (wahrscheinlich hätte man ihn gesteinigt, wäre das Lied nicht gespielt worden) und eigenen Werken auch zwei Lieder vom Purple-Album „Perfect Strangers“ befinden, nämlich der Doppelpack „Wasted Sunsets“ / „Not Responsible“ – diese wurden vor dieser Tour nie zuvor live gespielt und, soweit greife ich vor, rocken wie die Hölle.
Wie schon gesagt, hier gibt es die volle Dröhnung Bluesrock. Hört man zum ersten Mal rein, kommt einem der Begriff „Dröhnung“ sogar sehr passend vor: Der Sound der Aufnahmen ist unheimlich dicht und wirkt zu Beginn etwas überladen; hat man sich hieran allerdings ersteinmal gewöhnt, zeigt sich, dass die Aufnahme ziemlich gut gelungen ist. Negativ hervorheben lässt sich lediglich, dass Rodney Applebys Bass teilweise etwas untergeht, ebenso wie GILLANs Gesang stellenweise übertönt wird. Weiterhin gibt es nur sehr selten etwas vom Publikum zu hören, vom Jubel in den Pausen mal abgesehen.

Musikalisch ist aber alles mehr als im grünen Bereich. Die Herrschaften hier haben alle etliche Jahre Erfahrung auf dem Buckel und wissen diese gewinnbringend (Gewinn im Sinne von guter Musik) umzusetzen. So bekommt man hier ein Groovemonster nach dem anderen vorgesetzt, immer wieder garniert mit erstklassigen Soli aller Instrumentalisten, was in „Rivers of Chocolate“, einem halb improvisierten Jam, auf die glorreiche Spitze getrieben wird. Und neben den Instrumenten ist da natürlich auch noch IAN GILLANs markantes Organ, das dem Ganzen die Krone aufsetzt. Natürlich hat es sich über die Jahre gewandelt und klingt mittlerweile rauher und dunkler als zu ruhmreichen „In Rock“-Zeiten („Child in Time“ sei hier besonders hervorgehoben), und manchmal erreicht GILLAN nicht hundertprozentig den Ton, den er angepeilt hat, aber das passt eben wiederum perfekt ins Konzept des knackigen Blues, der hier praktiziert wird – hier braucht’s keine Perfektion, es ist wunderbar so, wie es ist, mit Ecken und Kanten. Etwas „overdone“ scheint mir hingegen das Schlagzeugsolo von Randy Cooke, das geschlagene 6 Minuten dauert. Klar, jeder darf mal, aber das ist dann doch irgendwie zu viel des Guten und beginnt recht schnell zu langweilen.
Unter den generell vor Groove strotzenden Liedern finden sich einige herrliche Unikate: Da wäre einmal „No Worries“, in dem GILLAN zur Mundharmonika greift und damit eine Nummer schafft, die den Blues fast greifbar werden lässt (inklusive Vorgeschichte über den Konsum diverser alkoholischer Getränke). „When a blind Man cries“ ist eine traumhafte Ballade, „Unchain your Brain“ eine Uptempo-Nummer mit ulkig-genialem Keyboard-Einsatz, bei dem das Tasteninstrument wie ein Element griechischer Folklorenummern klingt. Und natürlich das legendäre „Smoke on the Water“, zu dem nicht viel gesagt werden muss – außer, dass das Publikum sich hier endlich mal lautstark beteiligt.

Mehr gibt es kaum zu sagen, da sich ein Bericht über diese Scheibe auch in drei Worten verfassen ließe: Blues – Groove – Energie. Das sollte noch erwähnt werden: Die Musik der Combo verströmt eine enorme Energie und reißt mit, regt zu, äh, bluesigen Bewegungen an, wie auch immer die beim Einzelnen aussehen mögen. GILLAN erzählt dazu immer mal wieder kleine Geschichten zu diversen Liedern, wobei er jedoch leider Gottes nur wenig auf eine deutliche Aussprache achtet und daher selten wirklich zu verstehen ist. Ein kleiner Wermutstropfen ist weiterhin, dass die Lieder nicht immer fließend ineinander übergehen, sondern gelegentlich nicht zueinander passen; das raubt dem Ganzen etwas das Live-Flair. Nichtsdestotrotz gibt es hier aber viel fürs Geld – viel Blues, sollte ich sagen. Wer Deep Purple, Bluesrock oder IAN GILLAN mag, wird an dieser Scheibe nicht vorbeikommen.

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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