Review Marty Friedman – Inferno

Es ist tatsächlich unnötig, über das technische Können von MARTY FRIEDMAN noch Worte zu verlieren; in über 25 Jahren Musikkarierre hat dieser mir äußerst sympathische Gitarrist sein Ausnahmetalent eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nichtsdestotrotz sieht sich jede neue Solo-CD eines Gitarristen der gleichen Skepsis gegenüber, die sich dem über die Jahre hinweg in der Szene etablierten (nennen wir es ruhig so) Malmsteen-Syndrom verdankt. Dieses Syndrom äußert sich bei den Betroffenen in uferlosen Soli-Orgien, die sich spätestens nach einer Minute Spielzeit im Äther der Skalen und Arpeggien verlieren und den Hörer erbarmungslos an die Wand drücken – zumeist unterstützt von kompositorischer Ödnis, wie man sie noch nie zuvor gesehen zu haben glaubt. Ob es sich auch bei „Inferno“, dem neuen Werk von MARTY FRIEDMAN, um, man verzeihe mir die dürftige Anspielung auf das CD-Cover, viel Rauch um Nichts handelt?

Vorweg fällt die überaus mächtige, enorm druckvolle Produktion auf, die den schneidenden Riffs des Openers und gleichzeitigen Titeltracks die nötige Durchschlagskraft verleiht. Beginnt das Stück noch hübsch melodisch und geradezu gezügelt, entwickelt es sich im Laufe der knapp 6 Minuten zu einem zwischen Thrash und modernem Prog-Metal changierenden Ungetüm, das MARTY FRIEDMAN auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Zugleich ist klar: Wer mit auf Technik setzende, rein instrumentale Gitarrenmusik nichts anfangen kann, wird auch hier nur selbstverliebte Fingergymnastik sehen. An dieser prinzipiellen Kritik führt kein Weg vorbei; wer sich mit ihr arrangieren kann, den erwarten aber auf „Inferno“ einige wirklich großartige Gitarrenmomente. Nach dem mir sehr gut gefallenen Opener, der zugleich ein im Verlauf der CD immer wieder auftauchendes Thema installiert, schließen sich mit „Resin“ sowie „Wicked Panacea“ zwei ähnlich gelagerte Stücke an. Während ersteres durch seinen großartigen Up-Tempo-Part besticht, weiß letzteres durch seine Kooperation mit dem Akustikgitarren-Duo Rodrigo y Gabriela zu gefallen.

Überhaupt bietet MARTY FRIEDMAN eine ganze Palette an Gastmusikern auf, die zum einen der CD einen internationalen Anstrich geben (der sich leider zu wenig musikalisch niederschlägt) und zum anderen auch dafür sorgt, dass „Inferno“ kein reines Instrumentalalbum geworden ist. Denn mit „I Can’t Relax“, „Sociopaths“ sowie „Lycanthrope“ finden sich gleich drei Stücke mit Gesang auf der CD wieder. Nur: Hätte es das wirklich gebraucht? Meinetwegen mag die mit Danko Jones am Gesang dargebotene Nummer „I Can’t Relax“, die sich als beinahe biedere Mischung aus Punk und luftigem Rock entpuppt, noch angehen, aber die beiden übrigen Stücke gehen mir mit ihrer Metalcore-Attitüde bereits nach Sekunden auf die Nerven. Ich gestehe es gerne ein, dass ich mit dem Brüll- und Kreischgesang der Gastmusiker David Davidson (Revocation) und Alexi Laiho (Children Of Bodom) schlicht nichts anfangen kann; aber auch davon abgesehen sind die Songs höchstens Durchschnitt.

Umso interessanter ist die Zusammenarbeit mit Jørgen Munkeby (Shining) ausgefallen, dessen am Free-Jazz orientiertes Saxofon-Spiel einen herrlichen Kontrast zum wuchtigen Riffing der Gitarre liefert und zudem im weiteren Verlauf des Stückes ein paar wirklich schöne Melodien zu bieten hat. Dergleichen mehr hätte „Inferno“ gut getan! Neben den hier namentlich erwähnten Songs (abzüglich der via Gesang „veredelten“ Titel) fällt der Rest CD nämlich deutlich ab. Es werden zu wenig Spannungsbögen geboten, zu wenig Kontraste, zu wenig – sagen wir es ruhig – Dramatik. Das ist umso mehr schade, als „Inferno“ definitiv große Momente hat, die wie Sternschnuppen hier und da aufblitzen. Ein MARTY FRIEDMAN hätte sich damit aber nicht zufrieden geben dürfen.

Wertung: 6.5 / 10

Publiziert am von Manuel Förderer

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