Manchmal ist das Leben voller Überraschungen. Ob gute oder schlechte, das lassen wir jetzt vorerst mal außenvor. Jedenfalls war es eine solche, als die aktuelle CD der US-Amerikaner ODIN’S COURT auf meinem Schreibtisch landete. Denn gehört hatte ich von den Knaben bis dato noch nichts und der Name ließ mich auf gute alte Schwarzwurzelmusik schließen, zumindest auf jeden Fall eine Gruppe von Paganisten oder möchtegern-Wikingern, die ihre Naturverbundenheit und ihr Beharren auf die alten Werte in die Welt hinaus posaunen möchten. ODIN’S COURT spricht da ja schon Bände, wer sonst würde sich nach dem guten alten nordischen Obergott benennen? Und ein exotischer Albentitel wie „Deathanity“ feuert das ganze doch nochmal an.
Dass sich das ganze als Progressive Rock entpuppte versetzte mir dann doch erst mal einen Dämpfer, ist das doch eine Spielart der ich nicht ganz so gewogen bin. Auch die Information, dass Bandchef Matt Brookins langjähriger Administrator des offiziellen Dream Theater Forums war, stimmte mich nicht gerade glücklich, sind die Kollegen doch auch eine der Bands, die ich maßlos overhyped finde. Aber dann stach mir etwas ins Auge, das mich sofort sogleich milder stimmte. Ein Name. Tom S. Englund. Sänger und Gitarrist der von mir aufs höchste verehrten Evergrey, der hier Gast-Vocals ablieferte. Geile Sache das, dachte ich mir da direkt und freute mich gleich wieder auf die Scheibe.
Der erste Hördurchlauf war dann allerdings doch nicht so ganz das, was ich mir versprochen hatte. Den Köder Englund hatte ich geschluckt, aber wie der Fisch am Angelhaken war ich dann doch eigentlich gar nicht so einverstanden damit, aus dem geliebten heimischen Wasser an die Luft gezogen zu werden, die zwar ganz hübsch aussehen mag, ich aber dummerweise einfach nicht atmen kann. Err… wer diese Metapher noch versteht, der hat mir einiges voraus, das gebe ich zu, aber der Punkt ist einfach: Die Überraschung, die „Deathanity“ mir bereitete, war keine Angenehme, Tom Englund hin oder her.
Denn ODIN’S COURT tun genau das, was ich an progressiver Musik mit ganzem Herzen verabscheue: Sie zeigen dem Zuhörer was sie doch für tolle Musiker und kreative Köpfe sind. Vertrackte Rhythmen und hyperschnelles, endloses Sologefrickel gibt’s hier alle Nase lang, gemeinsam mit irgend welchen ach so progressiven Einwürfen, da mal ein entspannt eingebrachtes Saxophon und was weiß ich alles. Basssoli natürlich nicht zu vergessen, die dummerweise jeglichen Groove und Drive vermissen lassen. Und was bleibt dabei auf der Strecke? Richtig, Emotionen, authentische, lebhafte Musik. Und am allerschlimmsten: die Hörbarkeit. Ja, „Deathanity“ ist furchtbar.
Dabei ist gar nicht mal alles schlecht. Sänger Brookins hat eine recht angenehme Stimme und weiß sie auch einzusetzen. Seine technischen Fähigkeiten an der Gitarre stehen natürlich auch außer Frage, genau wie die seiner Mitmusiker. Aber sie spielen einfach nur schlechte Songs. Klar, hier und da findet sich mal eine gefällige Melodie, ein tolles Arrangement, eine coole Gesangslinie. Ich will die Band jetzt nicht schlechter machen als sie ist: So rar sind die netten Stellen nämlich im Endeffekt auch gar nicht. Aber die Zeit, in der der Fünfer Bockmist zusammenspielt, überwiegt leider Gottes, und was juckt mich eine CD, die manchmal ganz nett, sonst aber großer Käse ist? Die technisch perfekt inszenierte, aber emotional völlig hingerotzte Musik wird übrigens zu allem Überfluss auch noch von völlig schmalzigen Weltverbesserer-Texten begleitet, die so authentisch wie ein Push-Up-BH und so zielsicher wie ein Betrunkener an der Ringwurfbude wirken. Ich sage es immer wieder, wer soziale und politische Kommentare ablassen will sollte ein Buch schreiben oder ins Fernsehn gehen, aber keine Musik machen, bzw. keine Songtexte verfassen. Das geht ja doch nur in die Hose…
Was macht man aber nun aus „Deathanity“? Für absolute Prog-Fanatiker wird sich sicherlich was brauchbares an dieser CD finden, aber mich konnte nicht mal „Mammonific“ mit Englund an den Vocals umhauen. Klar, der Mann macht einen sauberen Job, aber der Track ist abgesehen vom Gesang auch noch ganz klar einer der schlechteren der Platte. Wo er und die anderen sich aber eh nicht viel geben, denn eigentlich ist die dritte CD von ODIN’S COURT quasi geschlossen im unteren Bereich der Wertungsskala anzusiedeln. Einen Punkt gibt’s für Englund, einen weiteren für die netten Augenblicke, aber mehr hat sich diese unterhaltungsfreie und völlig langatmige Platte nicht verdient.
Wertung: 2 / 10