Review Pallas – The Dreams Of Men

PALLAS sind, neben Marillion und IQ, eine derjenigen Bands, die in den 80er zur ersten Garde des Neoprog gehörten. Eine derjenigen Bands, die praktisch zeitgleich mit Marillion diese Art von Musik erfanden. Und auch wenn ich persönlich die „Erfindung“ des Neoprog Marillion zuschreiben würde, haben PALLAS sicherlich ihren Teil dazu beigetragen. Man darf nicht vergessen: Mit „The Sentinel“ haben die Jungs im Jahre 1984 einen absoluten Prog-Klassiker erschaffen.

Umso schöner ist es, dass sie heute immer noch zusammen musizieren. Dass „The Dreams Of Men“ dabei erst Studiolbum Nummero Sechs ist, muss ja nicht gleich was Negatives bedeuten. Viel wichtiger ist nämlich, dass die Schotten nicht zu den Kopierern der Szene gehören. Sie heben sich klar und deutlich aus dem Neoprog-Einheitsbrei der momentan aufkommenden Bands hervor. Wodurch? Zunächst einmal hat Sänger Alan Reed nicht die so typische Neoprog-Erzählstimme bzw. setzt sie nur sehr akzentuiert ein. Außerdem frönen PALLAS nicht dem so arg langweiligen, saftlosen Kitschsound von Genre-Kollege wie Pendragon und lassen sich auch mal auf genrefremde Experimente ein. Qualität setzt sich eben doch durch. Gilt das auch für „The Dreams Of Men“?

Um es gleich vorwegzunehmen: Ja! Mit „Bringer Of Dreams“ wird das Album gleich mit einem fast zehnminütigen Longtrack eröffnet. Nach einem gut dreiminütigen symphonisch-neoproggigen Intro geht es auch gleich mächtig voran. Bombastischer und rockiger Sound schallt aus den Boxen. Schon hier wird klar: PALLAS haben nichts verlernt! Die Produktion ist sensationell: Dicht, klar und trotzdem akzentuiert und druckvoll. Einige sehr fetzige, gar an Retroprog erinnernde Instrumentalpassagen lockern den üblichen Neoprogsound wieder auf. Die Instrumentierung ist stilsicher gewählt, man vermeidet allzu große Griffe in die Klischeekiste. Einziger Negativpunkt: Der Song erscheint mir, insbesondere wegen des Intros, geringfügig zu lang. Das nachfolgende „Warriors“ ist ein netter Neoprog-Song, wie man ihn schon oft gehört hat. Keineswegs schlecht, nur eben nicht hervorstechend. In „Ghostdancers“ begrüßt uns zunächst eine Geige, bald gefolgt von einem geschichtenerzählenden Reed. Das ganze gipfelt in einem sehr schönen Refrain und einem sich anschließenden fantastischen Gitarrensolo.

Mit „Too Close To The Sun“ erwartet uns dann schon der zweite von insgesamt vier Longtracks. Hier die eher epische Version. Erinnert mich etwas an IQ. Das dynamische Songwriting und der tolle Refrain stechen auch hier heraus – dafür gibt’s wieder massig Neoprog-Synthies. Aber solange der Song stimmt, ist das eigentlich nicht weiter schlimm. Und der stimmt definitiv! Ein Wort möchte ich noch zu den Vocallines verlieren: Die Gesangsmelodien, insbesondere in den Strophen, sind keineswegs schlecht, nur muss man sich daran erst einmal gewöhnen. Die Refrains sind meistens sehr schön, während ich in den Strophen oftmals den Eindruck habe, dass man dort etwas konstruiert klingt. Teilweise recht gewöhnungsbedürftig. Dies gilt übrigens vom Gesamteindruck her für das ganze Album. „Messiah“ glänzt mit tollem Bassspiel und einem tollen Fluss, der sich jedoch erst nach ein paar Durchläufen offenbart. Hier hätte man eventuell den Frauenchor am Ende des Stückes weglassen können. Andererseits ist dies ein weiterer Beweis dafür, dass PALLAS mehr als nur Neoprog spielen. Mit „Northern Star“ gibt es dann ein Stück, dass eigentlich auf dem neuen Pendragon Album „Believe“ hätte landen müssen. Wunderschön, unglaublich verträumt und Balsam für die Seele. Kompositorisch betrachtet aber leider fast Leerlauf.

Aber als sind sich PALLAS dessen ebenso bewusst, gibt’s mit „Mr. Wolfe“ gleich wieder mächtig eins auf die Lauscher. Ein grandioser, packender Rocksong mit tollem „Walking“-Bass, einem fetzigen Alan Reed und schönen Keyboardpassagen. So muss das sein! Mit „Invincle“ und „The Last Angel“ verbringen wir die letzten 23 Minuten von „The Bringer Of Dreams“. „Invincle“ ist dabei mein absoluter Anspieltipp der Platte! Wesentlich besser kann man Neoprog heute wirklich nicht machen. Packend, energiegeladen, mit allen nötigen Zutaten und dennoch irgendwie erfrischend. Leider wird das Album dann mit dem langweiligen, aufgeblasenen „The Last Angel“ nicht sonderlich überzeugend abgeschlossen. Hier braucht man viel zu lange, bis mal etwas passiert!

Was bleibt: Mit „Bringer Of Dreams“, „Too Close To The Sun“, „Mr. Wolfe” und “Invincle” vier Musterbeispiele dafür, dass Neoprog auch heute noch spannend sein kann! Dazu gesellen sich mit „Warriors“, „Ghostdancers“ und „Messiah“ drei gelungene, aber unauffällige Songs. Lediglich „Northern Star“ und „The Last Angel“ sind eher überflüssig. Das macht allein 36 Minuten für die vier oben genannten Nummern. Damit kann der Hälfte von „The Dreams Of Men“ eine Wertung von mindestens neun Zählern attestiert werden. Im Gesamteindruck verliert das Album aber leider noch gut eineinhalb Punkte. Eine Verwarnung gibt es außerdem noch für das sehr geschmacklose Coverartwork.

Wertung: 7.5 / 10

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