Review Seelenschnitt – Jeder hat sein Kreuz zu tragen

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Hirnfick. Das ist das erste, was mir zu diesem Album einfällt. Eigentlich könnte ich die Rezension hiermit beenden, denn mit dem ersten Wort ist bereits alles gesagt. Aber es sieht wohl so aus, als müsste ich etwas weiter ausholen:
Fangen wir mit der Beschreibung der Musik an. Die besteht aus dröhnendem, fast gänzlich melodiefreiem Gitarrengedresche, total schiefen und unnachvollziehbaren Synthie-Kreischern, wirr durch die Gegend hämmernden Schlagzeugprogrammierungen und einem Gesang, der zwischen Kreischen, Quietschen, Sprechen, Gurgeln, Stöhnen und Ächzen die leise Andeutung von etwas herauswürgt, das den Hörer vermuten lässt, hier keinem menschlichen Wesen zu lauschen. Man hat den Eindruck, man würde an dutzenden Proberäumen gleichzeitig vorbeigehen und der Kakophonie von eben so vielen gleichzeitig spielenden Bands lauschen, deren Krach durch die Türen abgedämpft wird und von den Wänden widerhallt.

Fragt sich nur, wer so etwas hören will. Ganz ehrlich: Mein erster Gedanke war „Muss ich mir den Scheiß jetzt wirklich bis zum Schluss antun?“ Aber dann, ja dann geschieht etwas Seltsames. Je mehr hier wild durcheinanderdröhnt, je mehr vereinzelte Schreie sich aus dem Chaos lösen, nur um wieder im Getöse unterzugehen, je mehr vereinzelte, kleine Melodien sich aus der Krachcollage herausschälen und wieder in ihre Einzelteile zerpflückt werden, desto mehr baut sich eine beklemmende, verstörende Atmosphäre auf. Man fühlt sich nicht mehr, als würde man an Proberäumen vorbeilaufen, sondern man fühlt sich, als wäre man im stockdunklen Keller der Blair Witch und würde verzweifelt den Ausgang suchen. Dieses Album will gar nicht gut klingen. Es will den Wahnsinn im Kopf des Musikers ausdrücken – und den Hörer selbst in den Wahnsinn treiben. Und das, muss man sagen, gelingt ihm ziemlich gut.

Dass es sich hier nicht einfach um das Gestümpere eines talentfreien Instrumentenquälers handelt, sondern um eine durchdachte und beabsichtigte Missachtung aller Gesetze zum Songaufbau, wird im abschließenden „Ende?“ klar: epische Synthie-Melodien bahnen sich 12 Minuten lang andächtig ihren Weg durch ein Meer von mystischen und hypnotischen Störgeräuschen. Bei diesen handelt es sich laut Auskunft des Musikers um alle(!) Texte des Albums, die aneinandergereiht, übereinandergelegt und bis zur Unkenntlichkeit verwaschen und verzerrt wurden. Hier wird eine Magie und Atmosphäre aufgebaut, die Respekt verdient hat.

Respekt ist allgemein das Stichwort, wenn man dieses Album bewerten will. Denn: Einen Plattenvertrag wird SEELENSCHNITT hiermit nicht finden. Viele Hörer sicherlich auch nicht. Punkte gibt’s von meiner Seite ebenfalls nicht, da man das hier wohl wirklich nicht objektiv bewerten kann. Das einzige, was Bandleader Samael bekommen kann, ist Respekt dafür, mit eigentlich abstruser und unbrauchbar scheinender Musik eine großartige Atmosphäre zu erzeugen.
Ganz mutige Hörer dürfen gerne mal ein Ohr wagen, aber seid gewarnt: Leicht zugänglich ist das hier nicht.

Keine Wertung

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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