Review Tētēma – Necroscape

Mit „Corpse Flower“, seiner Kollaboration mit Jean-Claude Vannier, hat Mike Patton zuletzt ein etwas zugänglicheres Werk veröffentlicht – um diesen „positiven“ Eindruck mit „Necroscape“ zumindest teilweise wieder zunichtezumachen. Das Album ist das Resultat der zweiten Zusammenarbeit mit dem Avantgarde-Elektronik-Künstler Anthony Pateras unter dem Namen TĒTĒMA. Unterstützt  werden die beiden von dem Violinisten Erkki Veltheim und dem bereits vom 2014 erschienenen Erstling „Geocidal“ bekannten Schlagzeuger Will Guthrie, die die in den letzten fünf Jahren auf unterschiedlichste Weise erzeugten Klangcollagen Pateras‘ um weitere Facetten ergänzen sollen.

Stilistisch ist „Necroscape“ schwer in eine Schublade einzuordnen. Avantgardistischer Elektro-Noise-Art-Rock oder sowas in der Art, wobei neben genannten Elementen auch Versatzstücke aus Industrial, Soul, Weltmusik und allen möglichen anderen Richtungen bei TĒTĒMA zum Einsatz kommen. Basis der Songs sind auf Band aufgenommene Geräusche und Klänge aus Pateras‘ Synthesizer- und Keyboardsammlung, die in Verbindung mit den ausgesprochen analog produzierten Drums und Geigen sehr warm und organisch klingen.

Mike Pattons stimmliche Bandbreite auf „Necroscape“ ist extrem groß. Von cleanem, melodisch-zerbrechlichem Gesang („Milked Out Million“, zumindest die Strophe) bis hin zu verzerrt-wütendem Gebrüll („Cutlass Eye“) ist alles dabei, was das musikalische Chamäleon im Gepäck hat. Ebenfalls im Gepäck: die inzwischen wohl obligatorische Gesangseffektphalanx, von der Patton auch bei TĒTĒMA ausgiebigen Gebrauch macht.

Die Songs sind allesamt um die drei bis vier Minuten lang und ausgesprochen facettenreich – und dabei immer irgendwie bekloppt („Dead Still“), gelegentlich catchy („Wait Till Mornin‘“) und meistens aber auf den ersten Durchlauf schwer nachvollziehbar („Milked Out Million“, eben der andere Teil). Merkwürdigerweise kristallisieren sich aber nach mehrmaligem Hören wirklich großartige musikalische Momente („Haunted On The Uptake“) und sogar so etwas wie Strukturen heraus. Eigentlich macht das sogar Spaß, ergibt auf eine kaputte Art Sinn, ist in jeder Sekunde spannend, in seiner Gesamtheit nahezu genial und genau deshalb auch wieder völlig wahnsinnig.

Es dauert wohl einen Moment, bis sich die Synapsen entsprechend den Anforderungen, die „Necroscape“ an den Zuhörer stellt, verschaltet haben. Aber wenn dieser Prozess erfolgreich abgeschlossen ist, belohnt das Album mit einzigartigen Soundlandschaften, einer ziemlich eigenen Produktion und einem stimmlichen Repertoire, welches seinesgleichen sucht – Vergleiche mit anderen Platten fallen schwer. Wie (von Faith No More mal abgesehen) so ziemlich alle Patton-Projekte kein leicht verdauliches Vergnügen… aber ein Vergnügen, und sogar ein ziemlich großes – zumindest, wenn man ein wenig abgehärtet und open-minded ist.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert