Nach zwei veröffentlichten Alben schlossen sich 2014 zwei Mitglieder der Black Metal Band Negativvm zusammen, um mit zwei weiteren Musikern ein neues Projekt zu gründen. TONGUE heißt ihre neue Band, und sie spielen … Black Metal! Wer hätte es gedacht.
Was genau die Beweggründe für die Neugründung sind, ob nun ein Imagewechsel oder einfach ein neuer Name, kann nur vermutet werden. Fest steht jedoch, dass TONGUE sich musikalisch nicht viel von Negativvm unterscheiden. Der Sound wird immer noch von vergleichsweise klassischem Black Metal dominiert, wobei dieser neuerdings mit einem etwas moderneren Touch versehen wurde. Ihre Sache machen die Jungs nach wie vor solide. Die Riffs und Melodien sind gerade interessant genug, dass man als Hörer am Ball bleibt, die Ideen sind kompetent umgesetzt, und rein objektiv gibt es, außer vielleicht an dem etwas unspektakulär klingenden Gesang und an dem ein oder anderen Stolperer in Blastbeat-Passagen, wenig auszusetzen. Das Problem ist nur: Was TONGUE auf ihrem gleichnamigen Debütalbum abliefern, ist absolut nichts Neues. Kein Riff, keine Melodie ertönt, bei der man nicht zugeben muss: „Hm, das habe ich so leider schon zu oft gehört“. TONGUE hätten alle Voraussetzungen, um sich mit ihrem Black Metal gegen die Konkurrenz durchzusetzen, aber sie nutzen sie nicht genug. Immer wieder zeigen sich Momente mit Potential, die dann aber fallengelassen, in eine falsche Richtung gelenkt oder zu sehr ausgedehnt und dadurch verschenkt werden. Und der Moment, bei dem man sagen kann „Ja, das klingt eindeutig nach TONGUE!“ kommt leider nie.
Wären da nicht das eher moderne, überlegte Lyrikkonzept und die ästhetisch sehr gelungene optische Aufmachung, die TONGUE mehr in die philosophische Ecke schiebt, könnte man von der Musik her an vielen Stellen meinen, dass es sich hier um eine trve-Black-Metal-Band handelt. Doch ab und zu werden die düsteren Klangwände rauschender Gitarren durch eher im Post-Metal von beispielsweise Deafheaven übliche Melodien und Harmonien durchbrochen und sorgen so für eine interessante musikalische Ambivalenz. Schade ist dabei jedoch, dass die Songs sich in ihren Tempi quasi nicht voneinander unterscheiden. Abwechslung wird aber durch den ein oder anderen gelungenen Clean-Gitarrenteil geboten, so z.B. gleich zu Beginn bei „In The First Light Of False Dawn“, zudem verfällt die Truppe nie in einschläferndes Dauer-Rauschgeblaste, wie es viele ihrer Genrekollegen leider so oft tun.
Wie bewertet man so ein Album nun? Auf der einen Seite muss man natürlich klar sagen, dass „Tongue“ klare Trademarks fehlen, die es stilistisch vom Genrestandard abheben. Auf der anderen Seite muss man aber auch zugeben, dass TONGUE sich selbst damit noch immer weit über dem Durchschnitt bewegen und dass die Musik ja, so sehr ihr auch die Individualität fehlt, dennoch objektiv gesehen wirklich gut gemacht ist. Wer also nicht bei jedem Black Metal Release auf die nächste große Neuerfindung hofft, sondern sich auch an gut gemachtem, klassischem Black Metal erfreuen kann, der kann hier bedenkenlos zugreifen. Beim nächsten Mal muss aber doch etwas mehr geboten werden, um die Band als Hörer weiterhin für interessant genug halten zu können.
Wertung: 7 / 10