Review W.A.S.P. – Golgotha

  • Label: Napalm
  • Veröffentlicht: 2015
  • Spielart: Heavy Metal

W.A.S.P., das ist eine dieser Bands, die wohl auf immer in ihrem eigenen Schatten stehen werden. Was sie Anfang der 1980er auf die Menschheit los ließen war neu, originell und vor allem voller roher, ungeschliffener Energie. Lange Zeit schienen sie unstoppbar. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum, das grandiose „The Last Command“, das dynamisch „Inside The Electric Circus“, dann das etwas komplexere „The Headless Children“ und schließlich das Überwerk „The Crimson Idol“ – was sollte sie je aufhalten? Die Antwort liegt auf der Hand: sie selbst. Danach ging es nicht mehr nach oben, die Alben der nächsten 20 Jahre enthielten zwar immer wieder Hits und bemerkenswerte Lieder, konnten aber lange nicht mehr auf ganzer Linie überzeugen. Jetzt aber steht mit „Golgotha“ das 15. Studioalbum in etwas mehr als 33 Jahren Bandgeschichte an.

Leider setzt sich auch hier die Tendenz fort. Obwohl sich W.A.S.P. dieses Mal sechs Jahre Zeit gelassen haben und sich das laut Mastermind Blackie Lawless vor allem positiv auf das Songwriting ausgewirkt hat, leidet auch „Golgotha“ an der Krankheit, die schon seine Vorgänger geplagt haben. Das Material wirkt auch nach vielfachem Hören wenig distinktiv, fast austauschbar. Es bleibt einfach zu wenig davon hängen und die Scheibe verschwimmt schnell zu einem einzigen, homogenen Höreindruck.

Woran liegt das? Zum einen sind die Songstrukturen nach all den Jahren zu vorhersehbar, trotz vereinzelter Varianzen, wie der fast radiotauglichen Melodieführung auf „Last Runaway“. Denn wer die ikonischen Werke von W.A.S.P. kennt, wird immer wieder glauben, dass er schemenhaft Versatzstücke älterer Stücke in den Songs erkennen könnte, ohne dass man sie genau benennen könnte. Leider gilt das auch textlich. Das meiste, was Blackie mit seiner immer noch beeindruckenden Stimme singt, kommt einem einfach zu bekannt vor. Da hilft es nur wenig, dass er kaum gealtert zu sein scheint. Von der puren Performance her kann man nämlich weder ihm noch der Band irgendetwas vorwerfen. Trotzdem fehlt auf „Golgotha“ etwas Wichtiges, und obwohl es abgedroschen klingt, wäre ich versucht zu sagen, es sind Authentizität und Energie. Das Album wirkt bei aller handwerklicher Präzision kalkuliert.

Allerdings folgt „Golgotha“ auch im Positiven der Tradition der amerikanischen Schock-Rocker: Wie schon auf „Dominator“ mit „Heavens Hung In Black“ oder auf „Babylon“ mit „Babylon’s Burning“ hat die Band auch auf dem aktuellen Output wieder einen echten Kracher platziert, eines dieser Lieder, das einem tagelang nicht aus dem Kopf geht. „Miss You“ ist eine emotionale Ballade der Extraklasse, die alle Trademarks der Band im besten Sinne verbindet. Ganz großes Kino!

Dennoch: Wenn man liest, dass „Miss You“ ein Überbleibsel der Songwriting-Session zum „Crimson Idol“-Album war, wundert man sich nicht. Kommen die tollen Jahre für W.A.S.P. noch einmal wieder? Sicher nicht, wenn sie sich nur noch wiederholen. Dafür bräuchte es einen neuen Ansatz, einen Abschied vom Kalkül und den Willen, es allen noch einmal zu zeigen. Ein reduzierter, roher Neuanfang, ein radikaler Bruch, etwas in dieser Art. Sonst bleiben wir wohl auf Zufallstreffer angewiesen, so großartig sie im einzelnen auch sein mögen.

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

5 Kommentare zu “W.A.S.P. – Golgotha

  1. Hallo Michael,
    Zunächst einmal freut es mich natürlich, dass du unsere Seite in deine Kaufentscheidungen einbeziehst – dann können wir ja nicht alles falsch gemacht haben. ;)

    Zu deiner Bitte: Ich verstehe deine Idee des Bewertungsrasters nicht ganz – unsere Benotung von 1-10 entspricht doch einem Bewertungsraster – nur eben etwas feiner als das von dir vorgeschlagene? Grob sieht das so aus:
    1-2.5 (unhörbar)
    3-4.5 (aus einem oder vielen gründen scheiße)
    4.5-5.5 (langweiliger bis hörbarer durchschnitt)
    6-7 (gutes album)
    7.5-8.5 (sehr gutes album)
    9-9.5 (außergewöhnlich gutes album)
    10 (album für die ewigkeit)

    Videos binden wir bei guten Alben (ab 7.5 Punkten) ein, und Anspieltipps gibts, wenn dem Redakteur danach ist. Als Standard kann man dergleichen nicht ansetzen, nachdem es auch oft genug Alben gibt, die von ihrer Gesamtatmosphäre und nicht den einzelnen Songs leben. Zum Ranking: Es kann eben nur ein Album des Monats geben. Was danach kommt, ist oft so viel (und oft auf ähnlichem Niveau), dass es nur unübersichtlich würde, da weitere Alben hervorzuheben. Wenn du dich für hochbepunktete Alben interessierst, kann ich dir aber die Filterfunktion unserer Suche empfehlen – hier kannst du auch nach Bewertung oder Erscheinungsdatum sortieren.

    Beste Grüße und viel Freude weiterhin auf unserer Seite!

  2. Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bedanken, dass Ihr auf meine Kritik reagiert habt, nicht jeder nimmt sich Zeit dafür. Ich möchte hier auch nicht weiter ausholen, es ist wurde auf alles geantwortet, mehr als ich erwartet habe. Stimmt mich mehr als positiv, zumal ich eure Seite sehr mag, ich lese eure Rezessionen sehr genau und entscheide ob ich ein Album kaufe.

    Zu den vergleichen mit früheren Alben tue ich mich manchmal auch sehr schwer, kann es somit nachvollziehen, dass hier mehr die Objektive Sichtweise zum Tragen kommt. Denn einige Rezessionisten setzen die Messlatte sehr hoch und setzen Vergleiche zu den Überalben einer Band und geben den Neuveröffentlichungen keinerlei Chance. Ist jetzt nicht unbedingt die Kritik für eure Seite, obwohl mir bei Bullet for my Valentine Venom so ein Ansatz war.

    Ich habe noch eine große Bitte :-)
    Könntet Ihr auf diese Seite vielleicht ein Bewertungsraster einfügen? 9-10 Hammeralbum, 8-7 ….. 2-1 Mies.. und ich hätte gerne zum Schluss jeder Rezession Infos über Anspieltipps, 2-3 Songs erwähnen, ja ich weiss sind in der Rezession, doch manchmal sind eure Rezessionen auch sehr lang oder Ihr macht dies als Fettdruck? Was ich toll finde sind die Album des Monats, vielleicht mal ein Ranking möglich? Mit Alben des Monats für Gold, Silber, Bronze.

    Ansonsten weiter so. :-)

  3. Hey Michael,
    danke für deine Anmerkungen!

    1. Zu dem Vergleich mit anderen Magazinen hat mein Kollege Moritz ja schon etwas geschrieben. Ich sehe das wie er. Ich lese sogar mit Absicht keine Reviews in anderen Magazinen, wenn ich selbst noch eines schreiben will, weil ich mich davor sorge, dass sonst der Zensor in meinem Kopf angeht und mir sagt, ich könne das Album nicht schlecht finden, weil „alle“ anderen Magazine es so toll fanden. Am Ende hast du doch bekommen, was für dich gut war: Menschen, die deine Meinung teilen (in vielen anderen Magazinen) und solche, die dich noch einmal zum Nachdenken über das Album brachten (hier – und übrigens nach ganz kurzer Google-Recherche auch andernorts, aber das weißt du sicher, so viele Magazine, wie du schon zitiert hast).

    2. Ich weiß nicht ganz, was du meinst mit dem „Schema mag ich oder mag ich nicht“. Ich bin seit mehr als einem Jahrzehnt ein großer W.A.S.P.-Fan und mit ihrer Diskografie gut vertraut. Ich zähle mich also durchaus in den Kreis von „uns Fans“, die sich deiner Meinung nach alle einig seien.

    3. Aber nur, weil ich viel Material der Band kenne, schreibe ich meine Rezensionen trotzdem nicht als Detailvergleich aller Songs mit denen der Vorgängeralben. Das liegt auch daran, dass ich din Rezension für alle Interessierten Leser offen halten will – und zu viele Details sind manchmal genau das: zu viel. Natürlich hätte ich mehr ins Detail gehen können und schreiben, dass der Song „Scream“ in meinen Augen weniger Druck hat als „Hate To Love Me“ von „Unholy Terror“ oder auch, dass ich „Last Runaway“ für weniger eingängig halte als „Crazy“ von „Babylon“ – aber mal ehrlich, der Text wird dadurch nicht schöner zu lesen und die Argumentation verändert sich nicht.

    3. Ich habe mich in meinem Text sehr wohl auf die Vorgänger bezogen und „Golgotha“ in die Diskografie der Band eingeordnet. Nur sind wir uns eben über den Ort uneinig, wo das Album positioniert werden sollte. Du siehst es als das beste seit CI, ich dagegen finde nicht, dass das Album in irgendeiner Hinsicht heraussticht.

    4. Die Produktion ist ordentlich, ja, da hast du recht. Das habe ich nicht im einzelnen erwähnt, wenn du willst, kannst du das ein Versäumnis nennen. Ich finde aber nicht, dass sie meilenweit von der von „Babylon“ oder „Dominator“ abweicht und hielt es deshalb mit meinem allgemeinen Vergleich für erledigt.

    5. Im Ganzen gilt, was immer gilt: Du findest das Album gut und das ist gut so. Ich bin nicht hier, um dich vom Gegenteil zu überzeugen und schreibe nicht dafür meine Texte. Es bleibt immer ein subjektives Moment dabei, wenn wir Musik hören und bewerten. Ich gebe mir große Mühe, meine Meinungsbildung in meinen Texten transparent zu machen und versuche an der Musik zu argumentieren und nicht an der Band. Denn egal wie sehr ich W.A.S.P. schätze und wie großartig ihre Musik im Allgemeinen ist: „Golgotha“ ist für mich kein besonderes Album in ihrem Schaffen.

  4. Ich bin nicht wirklich begeistert von der Rezession, denn ich bin wie viele andere auch sehr positiv über das Album von W.a.s.p. überrascht. Wie so oft fehlen mir oftmals die wirklichen Vergleiche zu den früheren Werken, denn bei einem sind wir Fans uns alle sicher, WASP sind sich mit diesem Album sehr treu geblieben – nichts neues? Durchaus denn die Scheibe klingt gerade zu fröhliches als traues und hierbei meine ich nicht die Texte. Auch die Produktion ist sehr lobenswert. Hierbei handelt es sich um die beste Scheibe seit Crimson Idol – und hierbei sind sich alle Magazine wie Rock Hard, Metal Hammer usw. einig.

    Eine Bitte an die Rezessionisten, bitte bewertet die Alben ich spreche vor allem Bullet for Valentine mit Venom, die neue Scheibe von Disturbed und Five Finger Death Punch an, wo mich das Gefühl erschleicht, dass die Bewertungen nicht objektiv erfolgen, sondern nach dem Schema, mag ich oder mag ich nicht. Denn die Reaktionen in vielen Zeitschriften sind sehr positiv – auch seitens der Fans. Ich bitte um genaueren Vergleich zu früheren Alben. Das sind alles Alben die mehr als 6 Punkte verdienen, die ich bei gute 8 Punkte einstufe, aber vielleicht sind eure Erwartungen zu hoch???

    1. Hallo Michael.
      Zu deinem ersten Absatz: Ich denke, man muss nicht jeden Albumtitel nennen, um in einem Review ein Album in den Kontext der Diskographie zu stellen. Gerade bei Bands wie W.A.S.P., die sehr treue Fans haben, ist es doch vielmehr gar nicht nötig. Ansonsten beschreibt der Kollege doch recht ausführlich, woran es bei dem Album seiner Meinung nach hakt.

      Dass das Album überall super wegkommt, ist übrigens nicht mein Eindruck. Und damit wären wir bei Punkt zwei: Wenn alle das gleiche schreiben würden, vielleicht sogar noch, wie du es dir scheinbar wünschst, WEIL andere Magazine eine bestimmte Meinung zu einem Album haben, könnten sich eigentlich alle anderen das rezensieren sparen, meinst du nicht? Gerade unterschiedliche Meinungen machen doch Vielfalt aus, und am Ende musst du dir deine Meinung doch eh selbst bilden – anhand der Musik, idealerweise aber natürlich auch auf Basis mehrerer Reviews.

      (Vergleiche zu früheren Alben wurden beispielsweise bei 5FDP übrigens genug gezogen – leider vor allem seitens der Band)

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