Interview mit Christian Kruse von Waterdown

Nach insgesamt 13 Jahren Aktivität haben sich die Ibbenbürer WATERDOWN dafür entschieden, dieses Kapitel ihrer Musiklaufbahn zu beschließen. Zu diesem Anlass erschien kürzlich, am 23. März, das letzte Album „Into The Flames“. Metal1 hat Bassist Christian ans Telefon bekommen, um mit ihm über die Gründe der Auflösung der Band, Schwierigkeiten des Musikerdaseins und schlussendlich über die Zukunft zu sprechen.


Hi Christian. Wie gehts Dir heute?
Gut soweit. Wir haben heute den ersten Schnitt unseres Videos gekriegt: Wir haben letzte Woche zu „We Are Not The Children“ ein Video gedreht. Ich komme gerade von unserem Schlagzeuger, wir sind das ganze durchgegangen, haben geschaut, wo noch etwas geändert werden muss, aber insgesamt sind wir schonmal ganz zufrieden.

Erstmal Gratulation zu Eurem neuen Album „Into The Flames“, ein wirklich cooles Teil. Wie ist denn der Release angelaufen? Hattet ihr noch viel zu tun mit der Promo?
Ja, Promo relativ viel. Die Plattenkritiken kommen jetzt immer noch so rein. Einige haben wir schon gekriegt und bis auf eine oder zwei sind alle relativ positiv. Es gibt ein paar Leute, die die ruhigen Songs nicht so gut finden, was aber wohl Geschmackssache ist, nach dem Motto „Wenn von den härteren Sachen noch mehr drauf wäre, wäre es cooler.“ Andererseits ist die Platte auch so sehr gut angekommen. Wir kriegen dafür von den Leuten auch Respekt für die 13 Jahre – das finde ich cool.

Warum habt ihr zwischen den beiden Platten eine so lange Pause eingelegt? Hat das was mit den Unstimmigkeiten zu tun, die es damals wohl zwischen Euch und Victory Records gegeben hat?
Nein, eigentlich nicht. Wir wollten auch nicht, dass es so lange dauert. Das hat sich einfach so ergeben. Wir haben extrem viele Songs geschrieben und wieder verworfen und waren uns nicht so richtig einig darüber, wie das stilistisch mit uns weiter gehen sollte, was letztendlich auch der Grund dafür ist, warum wir jetzt sagen „Wir machen Schluss mit WATERDOWN und fangen mit was Neuem an.“ So können wir von Null beginnen, ohne dass die Leute irgendwelche Erwartungen haben. Wir können machen, was wir wollen…

…Kannst du genauer auf die Gründe eingehen, warum ihr das Kapitel WATERDOWN jetzt beendet und alle zusammen etwas anderes macht?
Ja. Es hat damit zu tun, dass wir immer so ein Stigma hatten. Das war früher zwar extremer – aber auch jetzt noch, in den neuen Plattenkritiken, taucht total oft das Wort „Screamo“ auf. Wenn ich demjenigen, der das geschrieben hat, aber mal die Platte zeige und ihm sage „Zeig mal, wo die Platte Screamo ist“ – dann wird das, glaube ich, ziemlich schwer. Aber wir werden das einfach nicht mehr los.
Wir haben mit dieser Screamo-Bewegung gar nichts zu tun – als wir angefangen haben, unseren Kram zu machen,1999, gab es dieses Wort noch gar nicht. Ich weiß noch, damals, als wir gerade unsere zweite Platte draußen hatten, kam das zum ersten Mal auf, als wir in England auf Tour waren. Wir fanden das im ersten Moment total albern. Früher haben wir gesagt: „Ok, wir machen einfach emotionalen Hardcore.“ Und plötzlich hieß es dann „Screamo“ und wir haben uns gedacht: „Hä? Das hat doch überhaupt keine Bedeutung, was soll das überhaupt?“ Auf jeden Fall kam dann ja auch so eine Welle von Bands in genau dieser Zeit nach, die dieses Zwei-Sänger-Prinzip aufgegriffen haben. Dadurch, dass es dann größer geworden ist und viele Leute das als neuen Trend im Hardcore angesehen haben, sind unserer Meinung nach die falschen Leute in die Szene gekommen.


Gehe ich richtig in der Annahme, dass Euch das ziemlich gestört hat?
So kann man es nicht sagen. Die Sache ist die: Die Leute können alle machen, was sie wollen – aber ich habe mich da nicht wohl gefühlt. Wenn ich auf Konzerten war, wo wir selber gespielt haben, in England zum Beispiel, und ich das Gefühl hatte, ich bin entweder auf einer Modenschau oder einem Maskenball, dann war das absolut nicht mein Fall. Ich will die ja nicht verurteilen, die können machen, was sie wollen und das klamotten- und frisurenmäßige nach vorne stellen – aber das ist nicht meins. Das Problem hatten wir die ganzen letzten Jahre. Irgendwer hat gesagt „Ja, das ist die Screamo-Band WATERDOWN – und wir saßen da und gesagt haben „Was? Nein, sind wir nicht!“ Das ist natürlich nicht der einzige Grund. Wir haben auch mal Lust, was anderes auszuprobieren und Sachen zu machen, die wir mit WATERDOWN unter diesem Namen nicht machen können.

Auf der neuen Platte sind einige ruhigere Songs, zwei ganz ruhige und ein eher gemächliches mit „We Are Not The Children“. Hat es etwas damit zu tun, dass es Eure letzte Platte mit WATERDOWN ist oder kam das einfach aus dem Instinkt heraus?
Also, ruhige Sachen wollten wir immer schon mal gerne ausprobieren, weil wir sowas generell schön finden. Wenn es gut gemacht ist, Stil hat und nicht klingt wie eine Nickelback-Ballade, dann mögen wir das. Das haben wir in der Form bisher nie machen können. Wir haben zwar früher live mal einen alten Song als Akustik-Version gespielt, aber nie auf Platte. Dieses ganze Songwriting-Ding hat aber eigentlich nichts damit zu tun, dass wir uns aufgelöst haben – das kam erst später. Wir haben, als die Platte schon fertig produziert war, gesagt „Lass uns Schluss machen, eine Abschiedsplatte aufnehmen, eine abschließende Tour machen und dann mit etwas neuem anfangen.“ Grund dafür ist, dass wir auch einige Songs geschrieben und aufgenommen haben, die wir nicht unter dem Namen Waterdown veröffentlichen wollen, weil es einfach ein noch größerer Schritt in eine andere Richtung ist. Alles, was für uns noch mit uns mit WATERDOWN vereinbar war, haben wir nun versucht, in diese letzte Platte zu packen. Wir haben die aber nicht nach dem Motto geschrieben „Das ist jetzt unsere Abschiedsplatte, da schreiben wir ein paar ruhigere Songs.“

Die jetzige Platte kam über Uncle M raus, davor wart ihr bei Victory Records. Wie kam jetzt der Kontakt zu Stande?
Wir haben nach der „All Riot“, welche 2006 auf Victory Records erschien, haben wir nochmal eine EP aufgenommen, bei einem Ibbenbürer Indie- und Hardcore-Label, Black Top Records. Da haben wir 2008 die EP „Powersnake“ released. Mit dieser neuen Platte wollten wir mal schauen, was passt und wo man es gut rausbringen könnte. Wir kennen den Mirko, der bei Uncle M ist, schon sehr lange. Der wohnt in Münster und hat relativ lange schon mit diversen Plattenfirmen zu tun, weil er für die in Deutschland Promo macht, er arbeitet unter anderem für Bands wie Hot Water Music, Anti-Flag und so weiter. Wir haben früher immer schon mit ihm zu tun gehabt, zwar nicht auf Label- , aber mehr oder weniger auf Management-Ebene. Wir wussten, dass er uns gut findet. Er kam letztes Jahr irgendwann und meinte „Ich mach ein neues Label.“ Und das und das sind meine Vorstellungen, so siehts aus. Wir hatten ein paar Wünsche – wir hatten keinen Bock auf eine 0-8-15-CD- Veröffentlichung, weil wir glauben, dass CDs keinen mehr wirklich interessieren. Wir wollten immer eine Schallplatte rausbringen – wir sind Vinyl-Fans. Wir haben ihm gesagt, wir wollen es als Vinyl rausbringen und als Download. Wir möchten aber gerne ein paar Extras – zwei Vinylfarben, handnummeriert, in einer limitierten Auflage, mit ein paar Extras für die ganz limitierte 100-er Auflage, und einen digitalen Download-Code, den es umsonst zur Platte dazu gibt. Wir haben einfach ein paar Punkte aufgestellt und er hat zu allem ja gesagt. Seitdem sind wir da ganz zufrieden. Ich hab die Platte selber noch nicht, mal schauen, wie sie aussieht. Generell läuft die Zusammenarbeit super.


Warum habt ihr das Album „Into The Flames“ genannt?
Aus zwei Gründen: Erstens hatten wir das noch nie, dass wir einen Songtitel als Albumtitel benutzen und dachten uns einfach, dass das ja mal möglich wäre. Andererseits hat es damit zu tun, dass es eine abschließende Sache ist – es passte einfach dazu. Diese Idee, einen Songtitel zu nehmen, die gabs vorher schon, und als die Songtitel standen, gab es mehrere Optionen – wir hätten die Platte auch „Homecoming“ nennen können, was auch gepasst hätte, oder „Anchor Lost“. Wäre alles möglich gewesen. „Into The Flames“ hat aber am besten gepasst. Man muss das Ganze aber auch ein bisschen optisch sehen, es soll ja auch ein Cover-Artwork dazu geben – bei „Into The Flames“ war das einfach. Da kannst du halt irgendwas mit Flammen machen.

Kannst Du etwas dazu sagen, worum es in den Song „We Are Not The Children“ geht?
Das ist Kritik an organisierter Religion. Es geht grundsätzlich darum, dass wir alle – ich würde jetzt nicht sagen, dass wir total antispirituell eingestellt sind als Band. Aber wir sind auf jeden Fall anti-organisierte Religion. Wir glauben, dass ein Großteil des Übels auf dieser Welt davon kommt genau darin liegt – dass Menschen Religion dazu benutzen, andere Menschen zu unterdrücken und selber so reich und mächtig wie möglich zu werden.

Ich habe neulich Euren Clip gegen den Naziaufmarsch in Münster gesehen (Anfang März, Anm. d. Red.) – wie wichtig ist es Euch in Eurer Funktion/Eurem Beruf als Musiker, solche Statements machen zu können?
Ziemlich wichtig. Die alten Texte waren fast grundsätzlich positiv. Auf der neuen Platte ist es ein bisschen anders, da sind die Lyrics eher persönlich – die aber letzten Endes wieder eine sozialkritische oder politische Ebene haben. Was das Thema „Aufruf“ angeht – es gibt eine gewisse Anzahl an Leuten, die uns zuhören und die sich sowas auch ansehen. Wenn wir so etwas für unterstützenswert halten und wenn wir meinen, dass wir das dafür benutzen können, um was zu erzählen, machen wir das.


Es gibt zum Beispiel die Hardcore-Help-Foundation, das ist eine neue Organisation von zwei Typen aus dem Ruhrpott, wo es darum geht, dass Leute und Bands aus der Hardcore-Szene ihre Sache dazu beitragen sollen, dass es entweder auch Leuten aus der Szene, denen es nicht gut geht, die hilfsbedürftig sind oder anderen Leuten, mit irgendwelchen Aktionen geholfen wird. Beispielsweise dadurch, dass Benefiz-Konzerte veranstaltet, Benefiz-Shirts gedruckt werden, bei denen die Gewinne nicht an die Bands gehen, sondern an die Organisation, die dafür beispielsweise ein Dorf in Afrika unterstützt. Dafür haben wir vor, eine Kiste bereit zu stellen, wo wir dazu aufrufen, dass die Leute alte Shirts von sich mitbringen – alte Metal-, Punk und Hardcore-Shirts, die man selber nicht mehr trägt. Wir haben selber ein paar reingetan, um einen Anfang zu machen. Wenn das ganze Ding voll ist, werden da 50 mehr oder weniger geile Shirts drin sein. Die Idee dahinter ist, dass wir es entweder bei ebay versteigern und den Erlös Hardcore-Help-Foundation zukommen zu lassen.

Was waren denn die größten Schwierigkeiten, die ihr als Band im Alltag und auf Tour zu überwinden hattet?
Keine Kohle – das ist die größte Schwierigkeit. Wir haben zwischen 2001 und 2005 ungefähr 100 Shows pro Jahr gespielt. Das ist schon längst nicht mehr so. Da wir inzwischen älter sind, Familien und reguläre Jobs haben und keine Studenten mehr sind, können wir auch viel weniger machen als früher. Früher hätte ich gesagt, das Viel-Von-Zu-Hause-wenig-sein ist das Schwierigste. Die Freundin und Freunde nicht sehen zu können – wenn man für sechs Wochen auf Europatour waren, und seine Freundin die ganze Zeit nicht sieht, ist es nicht so ganz einfach, nicht nur, weil man so lange weg ist. Es ist durchaus auch vorgekommen, dass daran Beziehungen zerbrochen sind. Aber wir spielen nicht mehr so lange Touren und spielen generell weniger. Dafür sind wir mehr zu Hause.

Für mich war aber immer das größte Problem, möglichst viele Sachen zu erreichen – ohne Kohle.

Vielleicht könntest Du allen Interessierten einen weiteren Einblick darüber geben, wie die weiteren Pläne der einzelnen Bandmitglieder aussehen und mit was für Projekten ihr in der nächsten Zeit unterwegs sein werdet!?
Klar. Axel, unser Gitarrist, spielt bei Blizz, zusammen mit dem früheren Sänger von Mournful, der inzwischen bei Callejon Gitarre spielt. Die machen so Nine-Inch-Nails-mäßiges Zeug. Holger und Zacken spielen sonst in keiner Band momentan. Philipp und ich spielen mit Ingo und Guido von den Donots in einer Band namens Schrappmesser – das ist so Old-School-Hardcore und –Punk mit Texten auf westfälischem Platt. Es geht die ganze Zeit nur ums Mofa fahren und saufen und darum, wie es ist, in Westfalen aufm platten Land aufzuwachsen. Die erste Platte hieß „The Shape Of Platt To Come“. Das ist wirklich nur, weil wir sehr lange und gut miteinander befreundet sind. Ein reines Spaßding.

Okay. Damit wären wir fast durch mit dem Interview. Wenn es Dir nichts ausmacht, würde ich mit Dir gerne das erste und letzte Metal1-Brainstorming in der WATERDOWN-Geschichte durchführen: Ich nenne Dir einfach ein paar Begriffe und Du sagst mir, was Dir dazu einfällt:
Holger Apfel: Vollidiot!
Große Koalition: Es gibt ja sowas wie das größere und das geringere Übel. Da ist es das gleiche Übel.
Kabelbruch: Grundsätzlich finde ich Satellit besser als Kabel. Da zahlt man auch nicht jeden Monat.
Stromausfall: Unplugged.
Metal1.info: Alles, was mit Metal zu tun hat, ist gut.

Christian, ich bedanke mich bei Dir für das interessante Interview. Machs gut und vielleicht sehen wir uns ja dieses Jahr nochmal irgendwo auf Tour. Die letzten Worte gehören Dir: Wenn Du noch etwas loswerden möchtest, kannst Du das jetzt tun. Hau rein!
Ich bedanke mich auch bei Dir, Pascal, für das Interesse und das Interview und möchte mich generell bei allen bedanken, die uns in den letzten 13 Jahren unterstützt haben. Wir nehmen das nicht für selbstverständlich und finden es ziemlich unglaublich, was wir in den letzten 13 Jahren alles machen durften. Das hätte nicht funktioniert, wenn nicht immer irgendwelche Leute für uns da gewesen wäre und uns supported hätten!

Publiziert am von Pascal Stieler

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